In Japan ist der heutige 3. März ganz den Töchtern gewidmet.
Das Mädchenfest (Hina-Matsuri) ist so etwas wie ein Kollektivgeburtstag für alle Mädchen.
Ursprünglich wurde das Hina-Matsuri nur am Hof der Kaiserin und des Kaisers als Pfirsichblütenfest gefeiert, um für die gesunde Entwicklung der Töchter zu danken. Langsam wurde dieses Mädchenfest auch bei wohlhabenden Familien populär, die gerne die Sitten des Adels nachahmten.
Mit dem wachsenden Wohlstand nach dem 2. Weltkrieg wurde es in Familien mit Töchtern allgemein üblich.
Die Mädchen werden besonders geehrt und man bittet darum, dass diese gesund, „ohne Ereignisse“,wohlbehalten und schön heranwachsen sollen.
Puppen schützen vor Dämonen
Japanische Familien mit Töchtern stellen jedes Jahr am 3. März ganz besondere Puppen auf, die einen Hofstaat aus alter Zeit darstellen, wie er vor 1000 Jahren in der Zeitepoche Heian (heian-jidai) aussah. Auf einer mit rotem Filz ausgelegten Treppe werden auch Haushaltsgegenstände wie Wagen und Sänften, Tabletts mit Lebensmitteln, Laternen usw. ausgestellt.
Der Brauch, Puppen auszustellen, hat seinen Ursprung in der Edo-Zeit.
Man glaubte, dass die Puppen die Macht hätten, böse Geister in ihrem Körper einzuschließen und so die Eigentümerin vor gefährlichen Begegnungen schützen zu können.
Beim Hinanagashi („Puppen treiben lassen“) ließ man früher Papier- oder Strohpuppen, sogenannte „O-Fuda“ in einem Boot einen Fluss hinunter ins Meer treiben, die die bösen Geister mitnehmen sollten. Auf diese „O-Fuda“ wurde das Geburtsdatum des Mädchens sowie Krankheiten, Missgeschicke oder anderes Unglück, von dem das Mädchen getroffen wurde, geschrieben, um sie schließlich auf einem Fluss oder im Meer schwimmen zu lassen, damit alles weit fortgeschwemmt wird.
Doch die Mädchen begannen, ihre „Vorzeit-Barbies“ in schicke kleine Kimonos zu kleiden und damit zu spielen. Mit der Zeit wurden die Puppen immer schöner und aufwendiger und zu schade, um sie einfach so in den Fluss zu werfen. Heute sind die Puppen aus feinstem Porzellan gefertigt. Ein Satz Puppen, der den ganzen Hofstaat darstellt, kostet über 100.000 Yen kosten, das sind mehr als 1.000 Euro.
Doch jede traditionell orientierte japanische Familie mit einer Tochter hat ihren eigenen Satz Puppen, der auch immer erweitert wird, je älter das Mädchen wird.
Puppen sind nach alter Tradition an ihre Besitzerin gebunden, weil sie deren Seele beschützen sollen und werden deshalb nicht weiter verschenkt. Stirbt die Besitzerin, gibt es idealerweise auch eine (Feuer-)Bestattung für die Puppen.
Am Festtag selbst stehen die Mädchen im Mittelpunkt, die stolz ihre Puppen präsentieren.
Vor den Augen dieses kaiserlichen Hofstaats empfängt das Mädchen seine Freundinnen und seine Familie und bewirtet sie nach allen Regeln der Etikette.
Das Mädchen kann für diesen einen Tag in die Rolle der Gebieterin des Hauses schlüpfen und sich auch als vollendete Gastgeberin präsentieren.
Mit Verbeugungen bezeugen die Gäste einander Respekt, besondere Festtagsspeisen wie kleine Kuchen, Klößchen und süßer Sake werden herumgereicht. Eine ganz besonderes Delikatesse an diesem Ehrentag für die Töchter ist eine traditionelle Venusmuschelsuppe.
Die Kaiserin ist höher gestellt, die erste Hofdame hat schwarze Zähne
Die Rolle der Frau des Hauses und damit jener der Gastgeberin hat – einer sehr alten Tradition nach – weniger mit einer dienenden Rolle zu tun sondern wird als sehr machtvoll erlebt.
Denn auf der obersten Stufe des Puppen-Hofstaates thront das kaiserliche Paar.
Man stellte die Kaiserin links und den Kaiser rechts auf.
Von alters her gilt links als die höhere Stellung.
Wenn man von Norden her blickt, ist Osten, wo die Sonne aufgeht, auf der linken Seite. Das ist eine Ehrung an die Sonnengöttin Amaterasu, die als oberste Gottheit immer noch als aufgehende Sonne auf der japanischen Flagge zu sehen ist.
Deshalb ist links, das heißt von vorn gesehen rechts, die „höhere Stellung“, wenn zwei Personen nebeneinander stehen. Was einer größeren Ehrerbietung der Kaiserin und damit auch aller Frauen entspricht.
Im Laufe der Zeit kam es aber oft zu einer Umkehrung der Positionen: Steht eine Frau an der linken Seite, ist sie dem Schwert zu nahe, das der Mann auf seiner linken Seite trägt, um es schnell mit seiner rechten Hand ziehen zu können. Das wäre für die Frau zu gefährlich, wenn der Mann das Schwert schwungvoll zieht. So steht nun auch die „weibliche hina“, die Puppe, die für die Kaiserin steht, oft auf die rechte Seite, wo kein Schwert ist.
Dem kaiserlichen Paar am nächsten befinden sich immer die drei Hofdamen auf der zweitobersten Stufe – auch das sagt etwas über die Stellung der Frauen aus.
Allerdings: Die ranghöchste und älteste Hofdame hat traditionell immer schwarz gefärbte Zähne. Warum?
Das entspricht dem Brauch des „Ohaguro“ – zu deutsch „Zahnschwärzen“.
Man ist in der japanischen Tradition der Auffassung, dass so wie die Nacht dem Tag unterworfen ist, auch die Farbe Schwarz für Unterwerfung und Treue steht .
Das war früher eine übliche Praxis bei verheirateten Frauen und galt als Symbol der ehelichen Treue. Dieser Brauch verschwand langsam aus japanischen Öffentlichkeit, nachdem Kaiserin Shōken erstmals 1873 bei öffentlichen Auftritt mit weißen Zähnen in Erscheinung getreten war und dadurch für öffentliche Aufregung gesorgt hatte.
Von diesem Zeitpunkt an begannen sich weiße, ungefärbte Zähne bei zeitgenössischen Japanerinnen nach und nach durchzusetzen. Bei Prostituierten hielten sich schwarz gefärbte Zähne bis ins 20. Jahrhundert.
Die gesamte Puppeninszenierung zeigt also ein sehr ambivalentes Verhältnis der Machtstruktur zwischen Männer und Frauen.
Auf den tieferen Stufen der Puppenstiege wird dann der gesamte andere Hofstaat, und hier vor allem Männer platziert. Unterhalb der Hofdamen sind fünf Musikanten, welche unterschiedliche traditionelle Instrumente spielen. Auf der nächsten Treppenstufe steht ein junger und ein älterer Gefolgsoffizier des Kaiserpalasts, die untersten Figuren stellen drei Torwachen dar.
Seinen Ursprung hat das Hina-Matsuri in China in einer Reinigungszeremonie am ersten Tag der Schlange des dritten Monats nach dem Lunisolarkalender.
Es wird auch „Jahresfest der oberen Schlange“, „Jahresfest der Pfirsichblüten“ bzw. „Jahresfest der übereinanderliegenden Dreien“ (3. März) genannt. Früher hieß es auch „Jahresfest der Frauen“.
Ein vergleichbares Fest für Söhne gibt es übrigens nicht. Es scheint so zu sein, dass auf die Töchter ganz besonders geachtet werden muss, damit sie wohlbehalten bis ins Erwachsenenalter kommen. Und damit sie so auch eine „gute Partie“ sind. Immerhin muss der ganze Puppenzauber vom Mädchen in der Nacht vom 3. auf den 4. März wieder weggeräumt werden, ansonsten droht ihr dem Aberglauben nach eine späte Hochzeit.
Pfirsichblüten lassen den Besuch des Frühlings spüren
Für das Fest werden auch viele Pfirsichblüten vorbereitet, denn sie stehen für den Frühling, es heißt, sie „lassen den Besuch des Frühlings spüren“. Damit sind sie auch Symbol für den Frühling im Leben einer Frau und für die Zartheit und den Liebreiz der Mädchen.
Man sagt von den Pfirsichblüten, auch sie hätten die Macht, „Dämonen“ abzuwehren“.
Der Pfirsichbaum wird in China „Baum der Unsterblichen“ genannt und gilt als heiliger Baum.
Viele Geschichten und Legenden ranken sich um ihn. So soll zum Beispiel die chinesische Göttin Xīwángmu, die „Königinmutter des Westens“ auf dem Kunlun-Berg Pfirsichbäume haben, die nur einmal alle 3000 Jahre blühen und Früchte tragen. Alle, die davon essen, erlangen Unsterblichkeit.
Der „Geburtstag“ der „Königinmutter des Westens“ ist der dritte Tag des dritten Monats – jener Tag an dem mit ihr gemeinsam die vielen wunderbaren Töchter gefeiert werden.
Mehr Infos über die erwähnten Göttinnen:
Amaterasu
Xīwángmu
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Bildnachweis:
year-3358825_1920 / Quangpraha / pixabay.com
Hina-Matsuri-Puppen: commons.wikimedia.org –
oberes Bild von alainkun, flickr user opencontent
unteres Bild von opencontent / David Wiley
Göttin Amaterasu: artedea.net
Farbholzschnitt von Utagawa Kunisada, junge Frau beim Zähneschwärzen, um 1820 / Utagawa Kunisada / de.wikipedia.org
Göttin Xīwángmu: artedea. net
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Allen, die sich eingehender mit diesem japanischen Mädchenfest beschäftigen wollen, empfehle ich diese 135-seitige Magisterarbeit von Saskia Sellnau (nicht leicht zu lesen, weil dazwischen sehr viele japanische Schriftzeichen sind, aber sehr interessant!))