Palm(sonntags)-Geschichten von Göttinnen und Märtyrerinnen

Palmsonntag also. In „normalen“ Jahren gehen ja viele gute Christenmenschen an diesem Tag zur Palmweihe. Heuer bieten zahlreiche Kirchen Palmweihen via Livestream an. Not macht erfinderisch.
So bietet etwa der Salzburger Erzbischof an, während der Palmsonntagsmesse, die per Livestream aus dem Salzburger Dom übertragen wird, die Palmzweige auf den Wohnzimmertisch zu legen. Man erhält auf diesem Weg einen „gültig gesegneten Palmbuschen“, der Glück und Segen bringen soll, schreibt die Erzdiözese in einer Aussendung am Freitag.
Das erinnert mich an die nette Geschichte von meiner Schwieger-Großmutter, die während eines Gottesdienstes in Altötting ihre kleine Marienstatue aus der Plastiktüte rausgenommen hat, weil durch das Plastik die „Weihe nicht durchgeht“.
Na dann hoffen wir doch, dass die Weihen über den Livestream ankommen.
Im übrigen legt ja wohl kaum wer einen richtigen Palmbuschen auf seinen Wohnzimmertisch, sondern eher sogenannte Palmkätzchen-Zweige, weil Palmen ja doch nicht so häufig bei uns wachsen.
Warum Palmen?  Sie wurden vielerorten als heilige Bäume verehrt. Die Palme galt in der Antike als Zeichen des Lebens, der Hoffnung, des Sieges. Sie waren das Symbol für die Verbindung des Menschen mit dem Göttlichen, für die Fruchtbarkeit auf Erden und für die Kraft des Mütterlichen,

Die Palm-Göttinnen

Die Kraft des Mütterlichen – das sind wir ja gleich wieder bei den Göttinnen, denn viele von ihnen werden mit Palmen in Verbindung gebracht.
Allen voran gleich Nike, die griechische Göttin, die den Sieg verkörpert. Sie hält einen Siegeskranz in einer Hand. In ihrer anderen Hand sieht man oft einen Palmzweig, der dem Gott des Frühlings, des Lichts und des Neubeginns Apollon geweiht ist.
Die griechische Bezeichnung der Dattelpalme ist „phoenix“, was auch auf den gleichnamigen mythologischen Vogel hinweist. Dieser ist ein Symbol der Auferstehung („Phoenix aus der Asche“).
Die Bedeutung der Palme als Zeichen des Sieges, des Triumphes, der Freude, der Frühlingskraft sowie der Auferstehung setzt sich auch in der römischen Kultur fort.
Über die römische Kultur fand die Palme und damit der Palmwedel als Auferstehungszeichen Eingang in die christliche Symbolik (Palmsonntag).
Als Jesus auf einem Esel in Jerusalem einzog, wurde er mit Palmwedeln begrüßt.
Im Judentum gilt der Palmwedel als ein Zeichen der Unabhängigkeit Israels.
Die Darstellung mit Kranz und Palmblatt ist übrigens auch für die von Nike abgeleiteten Friedensengeln auf Siegessäulen üblich. Darstellungen, die ganz eindeutig Nike als weibliche Gestalt zeigen wurden im Christentum oft zum Heiligen Georg uminterpretiert.
So kann man öfter Reliefe oder Figuren sehen – geflügelt mit Kranz und Palmwedel, das Gesicht zeigt unverkennbar weibliche Züge, unter dem Gewand sind Brüste erkennbar – als Inschrift findet sich der Heilige Georg, dessen Sieg jener über die Drachen war.

Die Palme als uraltes Zeichen der Frühlingskraft gab es also schon lange bevor sie in die christliche Symbolik rund um den Palmsonntag einging.
So ist sie auch Symbol der Renpet, der antiken ägyptischen Göttin der Jugend, des Frühlings und der Ewigkeit. In der altägyptischen Sprache ist Renpet das Wort für „Jahr“. Die dazugehörige Hieroglyphe zeigt eine Frau, die einen Palmsprössling auf ihrem Kopf trägt. Die Palme mit ihrem Vegetationszyklus galt als das Zeichen der Zeit. Auch wenn die Palme im Laufe des Jahres verschiedene Stadien der Blüte, der Frucht und der Unfruchtbarkeit durchlebt, so ist sie als Baum doch ewig. Der nächste Zyklus wird wieder beginnen.
Das Palmblatt der Renpet zeigt oft Kerben. Das lässt auf eine Kalenderfunktion schließen.

Auch Seschat, die ägyptische Göttin der Schreib- und Rechenkunst hält in ihrer linken Hand einen eingekerbten Palmstab, worauf sie die Herrschaftsjahre und Jubiläen des Pharaos notiert hat. Da die Palmrispe ja die Hieroglyphe für das Wort „Jahr“ war, stand sie symbolisch für die gemessene Zeit. Der Stab endet in einer Kaulquappe – das Zeichen für „unendlich“.

Der heiliger Baum der Tanit, der höchsten Göttin Karthagos ist die Palme, der Lebensbaum in den Wüstengebieten.
Die akkadisch-sumerisch-babylonische Nisaba ist die Göttin der Dattelpalme.
Die hawaiianisch-polynesische Erdgöttin Hawumea kreierte bevor sie die Menschen geschaffen hat, die Kokospalme und hat damit gesorgt, dass die Menschen Nahrung bekommen.
Die ugaritische Meeres- und Himmelsgöttin Athirat wird auch immer wieder mit einer Palme oder einem Stab gezeigt, um den sich eine Schlange windet.
Und da sind auch noch die Bethen Borbeth und Wilbeth. Ihr gemeinsames Symbol ist die Palme – ein Siegeszeichen und ein Symbol für Fruchtbarkeit und ewiges Leben.

Märtyrerpalme mit „Corona“

Ganz besonders spannend: Es gibt ja eine heilige Corona. Ich habe über sie bereits ausführlich in diesem Blogbeitrag am 14. März berichtet. Sie ist eine christliche Märtyrerin mit einer außergewöhnlichen Hinrichtungsart. Sie wurde durch das Emporschnellen von zwei gebeugten Palmen zerrissen. Deswegen wird sie auch immer mit Palmen oder Palmwedeln gezeigt. Der Palmzweig, eigentlich ein Symbol des Friedens und des Lebens wird hier zur Tötungsmaschine.
Aber das war ja schon immer eine christliche Spezialität – lebensfrohe Symbole in grauenvolle Marterinstrumente um zu funktionieren.

Da gibt es nämlich echt die Märtyrerpalme! Diese findet man häufig in der bildenden Kunst als ikonographisches Attribut, das Heiligen und Seligen beigegeben ist, um sie als heilige MärtyrerInnen auszuzeichnen.
Und jetzt kommt’s:
Es handelt sich dabei um einen Palmzweig, über den manchmal eine einfache oder auch dreifache Krone (lateinisch: Corona) gesteckt ist, wobei die dreifache Krone die Verbindung eines jungfräulichen Lebens, eines Lehrers oder Verkünders des Wortes und des Martyriums anzeigt. Laut dem christlicher Gelehrten und Theologen Origenes (185 – 254) steht die Krone auf dem Palmzweig für den Sieg des Geistes über das Fleisch.

So da haben wir jetzt einiges, über das wir nachdenken können an diesem Palmsonntag in der Corona-Zeit.

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Mehr zu den erwähnten Göttinnen:
Athirat 
Borbeth 
Hawumea
Nisaba
Renpet
Seschat
Tanit
Wilbeth

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Ostara – Frühlings-Tag-und-Nachtgleiche:
Die Rückkehr des Lebens

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Bildquellen:
Nike / artedea.net
Leutstetten – St. Alto – Triptychon Mitteltafel / Wolfgang Rieger / commons.wikimedia.org
Menas of Egypt, Victor at Damascus, Vincent of Spain and Stephanida of Spain / commons.wikimedia.org
Prozession der jungfräulichen Märtyrinnen in Sant’Apollinare Nuovo in Ravenna / The Yorck Projec The Yorck Project / commons.wikimedia.org

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