„Ich spür schon sehr die Jungfrau-Energie“, hat vor ein paar Tagen meine Yoga-Lehrerin gesagt, „ich bin die ganze Zeit nur mehr am Ordnen und Zusammenräumen“.
Das hat was!
Heute um 12:38 Uhr bewegt sich die Sonne vom Löwen in das Sternzeichen Jungfrau. Und wie kaum bei einem anderen Wechsel von einem Sternzeichen in das nächste, spüre ich auch die unterschiedliche Energie, den Übergang von einer Phase in eine andere.
Egal, wie man es mit der Astrologie haltet. Die Zuschreibungen der Sternzeichen kommt nicht von ungefähr:
Im August, im feurigen Sternzeichens des Löwens kommt alles in der heißen Sonne zur Reife, die Raubtier-Energie ist auch Symbol für Ernte, in der ja schließlich die Pflanzen „sterben“.
Übernimmt die Jungfrau, die für ihre Erdverbundenheit bekannt ist, die Regentschaft, dann geht schön langsam alle Natur wieder in die Erde zurück. Jetzt wird vor allem gesammelt und geordnet. In diese Zeit fallen auch die Zeit der sogenannten „Frauendreißigst”, die die beste Zeit für das Sammeln von Kräutern ist, bevor sie verwelken und sich in den Boden zurückziehen.
Ab der Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche dann, im Sternzeichen Waage wird das Erntegut schließlich gewogen und für den Winter eingeteilt.
Und auch wenn wir nicht in agrarischen Bereichen tätig sind, spüren viele die Jungfrau-Energie sehr deutlich. War es vor kurzem noch viel zu heiß und damit viel zu mühsam, drinnen im Haus zu ordnen, zu putzen, zusammenzuräumen, so bekommt man jetzt fast richtig Lust darauf.
Ordnungsliebe und prüde ???
ABER (vielleicht, weil ich selbst im Sternzeichen der Jungfrau geboren bin): war mir diese Zuschreibung der „Ordnungsliebenden“, die ja auch immer so den Mief der braven Angepassten, ein wenig Langweiligen hat, sehr suspekt.
Ich persönlich habe es gerne wilder, sinnlicher, chaotischer, spontaner.
Und diese „Jungfräulichkeit“ hat ja auch was sehr Prüdes.
Da es ja viele Göttinnen gibt, die als „jungfräulich“ und damit auch als prüde gelten, ist es Zeit, hier einmal einiges klar zu stellen.
Allem voran: Das sogenannte Jungfern-Häutchen gibt es NICHT !!!
Es handelt sich dabei um eine „Corona Vaginalis“, eine Ansammlung von ringförmig angeordneten Schleimhautfalten, die einer Krone oder einem Kranz ähnelt. Obwohl das natürlich medizinisch schon längst bekann ist, hält sich hartnäckig die Vorstellung von einer straff über die Vaginalöffnung gespannten dünnen Haut, vergleichbar mit der Frischhaltefolie.
Näheres dazu siehe HIER
Das jetzt nur einmal zum angeblichen physiologischen Merkmal der „Jungfräulichkeit“.
Was ja üblicherweise unter einer „Jungfrau“ verstanden wird, ist eine Frau, die noch nie Sex hatte.
Ähm, genauer gesagt – noch nie Geschlechtsverkehr mit einem Mann. Andere sexuelle Betätigungen (mit sich selbst, mit anderen Frauen etc.) zählen hier ja nicht.
Dass es sich einfach um eine „junge Frau“ handelt, wird weitestgehend unter dem Begriff Jungfrau nicht verstanden.
„Alma“ oder „parthenos“, „virgin“ oder „virgo“?
Wenn nun von jungfräulichen Göttinnen die Rede ist, dann sei einmal allen voran die christliche Muttergöttin, die „Jungfrau Maria“ erwähnt.
Da gibt es im Alten Testament die Prophezeiung, die besagt, dass eine „junge Frau“ schwanger werden und einen Sohn gebären wird (Jesaja 7:14 ). Alles weitere ist durch Übersetzungen aus dem Ursprungstext in diverse andere Sprachen entstanden. Hier wurde dann aus der jungen Frau entweder eine Jungfrau oder auch eine jung-verheiratete Frau.
Das hebräische Wort ist „alma“ bedeutet einfach „junge Frau“, bzw. auch „junge, heiratsfähige Frau“. Dies wurde fälschlich mit dem griechischen Wort „parthenos“ übersetzt – das steht für „Jungfrau“. Hätte der hebräische Text die „Jungfrau“ gemeint, also im Sinne einer Frau, die noch nie Geschlechtsverkehr hatte, dann wäre das Wort „betula“ zur Verwendung gekommen.
Wie schwierig mitunter solche Übersetzungen sein können, zeigt sich einfach am Wort „Jungfrau“, wenn es um eine deutsch-englische Übersetzung geht: Im Englischen gibt es nämlich „virgin“ und „virgo“.
Mit „I am virgo“, meint man damit das Sternzeichen. Verwendet man hingegen „virgin“, bekommt dieser Satz eine vollkommen andere Bedeutung.
Die alten und die jungen Gebärenden
Kurz zurück zur Bibel: Warum war es so wichtig, in dieser Prophezeiung darauf hinzuweisen, dass hier eine junge Frau schwanger wird und einen Sohn bekommt. Das ist ja eigentlich das Selbstverständlichste der Welt.
Weil es sich um einen ganz besonderen Sohn handeln wird, auf den hier hingewiesen wird. Und weil es gerade in der Bibel wundersame Geburten gibt, um die Gott angefleht wurde und die von alten gebärenden Frauen erzählen.
Wie z.B. Rebecca, die in fortgeschrittenem Alter die Zwillinge Esau und Jakob bekommt. Oder Sarah, die nach langer Kinderlosigkeit im Alter von 90 Jahren erstmals Mutter wird. Sie wird damit auch die „Erzmutter Israels“. Religionsgeschichtlich wichtig war, da sich mit ihrem Sohn Isaak vor allem Sarahs Mann Abraham weitergepflanzt hat und so die abrahamitische Linie entstehen konnte (als Abrahamitische Religionen werden das Judentum, das Christentum und der Islam bezeichnet).
Schließlich ist auch Elisabeth, die Verwandte von Maria, die mit ihr gleichzeitig schwanger war. Und auch von Elisabeth wird berichtet, dass sie schon eine alte Frau ist.
Daher wird von Maria ganz ausdrücklich als „junger Frau“ gesprochen: Damit es zu keinerlei Verwechslungen kommen kann und damit man sich auch nicht wundert, dass bei dieser wundersamen Geburt nicht (wie fast üblich) eine alte sondern eine junge Frau hier Mutter wird.
Jung, ungebunden und selbstbestimmt
Maria mitsamt ihrer „Jungfräulichkeit“ geht natürlich auf die Mythen zahlreicher viel älterer Muttergöttinnen zurück. Auf viele von diesen trifft auch das Attribut der „Jungfrau“ zu. Und in den allermeisten Fällen sind damit „junge Frauen“ gemeint.
Das sind Frauen, die ein selbstbestimmtes Leben führen, die Jungfräulichkeit ist damit meist eine Zuschreibung dafür, dass die Frau jung bzw. ungebunden ist und keinem Mann angehört bzw. angehören will.
Jungfräulichkeit bedeutet dem älteren Verständnis also nicht zwingend Keuschheit, Unberührtheit oder Unberührbarkeit, sondern war vielmehr einfach die Bezeichnung für eine unverheiratete Frau – unabhängig von den sexuellen Aktivitäten.
Bekannt sind hier vor allem die „jungfräulichen“ griechischen Göttinnen Athena, Artemis, Demeter und Hestia.
Ganz deutlich wird dies bei der Bezeichnung als „Athena Parthenos“ – was auf ihre Jungfräulichkeit hinweist. Ihrem Mythos als starke mächtige Göttin entsprechend, kann das vor allem im Sinne von Selbstbestimmtheit und keinem Manne zugehörig verstanden werden.
Hestia hingegen symbolisiert nicht das Feuer, sondern sie IST das Feuer, das als weiblich gilt. Das lässt wenig Spielraum für menschlich interpretierbare Liebesgeschichten und damit gehört sie auch zu den „jungfräulichen“ Göttinen.
Bei Artemis kennen wir ja den Begriff „Artemisfrauen“. Diese „Jägerinnen“ kennen und verfolgen ihre Ziele bestimmt und brauchen dafür keine Unterstützung. Artemis als „Jungfrau“ ist eine, die sich selbst treu bleibt – und sich in den Wäldern aber durchaus mit ihren LiebhaberInnen vergnügt.
Oft ist die Zuschreibung der „Jungfräulichkeit“ auch eine Umschreibung für eine lesbische Lebensweise, wie man sie auch Artemis immer wieder zuschreibt – als Ausdruck dessen, dass eine Frau oder Göttin keine sexuellen Beziehungen zu Männern hat, ganz einfach weil sie daran nicht interessiert ist.
Auch der Name der kretische Britomartis bedeutet übersetzt auch „gnadenreiche Jungfrau“ bzw. „liebliches Mädchen“. Sie wird immer auch mit Doppeläxten gezeigt. Die Labrys steht für das matriarchal strukturierte Kreta und ist bis heute nicht nur ein Zeichen für Lesben ein starkes Symbol der weiblichen Kraft und Frauenmacht.
Auch Demeter wird immer wieder mit der Doppelaxt gezeigt. Auch bei ihr mutet es seltsam an, dass sie zu den jungfräulichen Göttinnen gezählt wird, ist doch gerade ihr Mythos als verzweifelte Mutter der entschwundenen Kore berühmt. Zum einen ist Kore aber das jugendliche Selbst der Demeter. Zum anderen wird sie als matriarchale Vegetationsgöttin faktisch auch als die Erde selber angesehen. Und die Erde kann sich immer wieder regenerieren. Ist sie im Sommer die schwangere Mutter, im Herbst die Gebärende, im Winter die karge und weise Alte, so erscheint sie uns wieder ganz neu und jung(fräulich) im nächsten Frühling.
Es gibt auch die Behüterinnen der Jungfräulichkeit, wie z.B. römische Bona Dea. Sie beschützen Frauen davor, in ungewollte Ehen hinein gezwungen zu werden.
Weitere „jungfräuliche Göttinnen“ finden wir in der Mythologie zuhauf:
Die syrische Atargatis, der trotz ihrer Jungfräulichkeit der Vegetationsgott Ichthys als Sohn und Liebhaber zugeschrieben wird und deren Tochter die legendäre Königin Semiramis ist
Boldogasszony – die als jungfräuliche angesehene Göttin im alten Ungarn, die aber dennoch als große Muttergöttin gilt.
Der babylonischen Ischtar wird sowohl das Attribut Jungfrau wie zugleich auch jenes der „Prostituierten“ zugeschrieben. Diese seltsame Kombination ist aus patriarchaler Sicht sehr üblich. Vor allem den Priesterinnen (nicht nur jene der Ischtar, sondern auch die andere sinnesfreudiger Göttinnen) wird oft „Tempelprostitution“ zugeschrieben. Worum es dabei vermutlich ging, war das Zelebrieren der von der Göttin verliehenen Gaben der Fruchtbarkeit und Lust. Damit war dieser „Göttinnendienst“ heilig und die Feier des Lebens und der Fortpflanzung. Die patriarchale Moral machte daraus Prostitution.
Da die Ischtar-Priesterinnen keinem einzelnen Mann angehören, also frei und selbstbestimmt waren, galten sie als „Jungfrauen“, auch wenn sie schon mehrere Kinder hatten. Diese Kinder nannte man die „Jungfrau-Geborenen“.
Die keltische Arianrhod soll sich vielfach mit Wassergeistern gepaart haben, was aber ihre „Jungfräulichkeit“ nicht beeinträchtigt hat, da sie als Mondgöttin bei Neumond immer wieder in diesen „jungfräulichen Zustand“ zurückkehrt.
Die parthenogenetische Kraft
Die „Jungfräulichkeit“ wird immer wieder auch als Tatsache herangezogen, wenn es sich um Göttinnen handelt, die sich parthenogenetisch (also aus sich selbst heraus ohne jegliche männliche Beteiligung) fortgepflanzt haben. Wie z.B. die römische Juno, deren Zeichen, die dreilappige Lilie, als universelles Yoni-Zeichen das Symbol der parthenogenetischen Kraft ist. Dies wurde auch für die christliche Maria übernommen.
Auch die indische Devi gilt als jungfräuliche Mutter des Krishna. Als Devayani ist sie die „Göttliche Yoni“, das Tor des Lebens, aus dem alles erschaffen wird.
Und die persisch-semitische Anahita wird als große Mutter verehrt, die ständig für ihre Kinder, die Menschen sorgt und diese ohne Zutun einer männlichen Energie (also „unbefleckt“) geboren hat. Sie gilt auch als die jungfräuliche Mutter des Gottes Mithra.
Immer wieder jung und neu
Interessant, dass gerade die jungfräulichen Göttinnen auch immer wieder für Fruchtbarkeit stehen, wie Demeter oder Bona Dea. Damit sind wir wieder in dieser Jahreszeit. Hier verschenkt sich die Natur und mit ihr die Göttin. Jetzt können wir den Duft der Ernte und der Erde riechen, die Früchte schmecken, den Segen der Fruchtbarkeit genießen.
Jungfrau – Mutter – Weise Alte: Es gibt viele Göttinnen, die alle drei Phasen des Lebens symbolisieren. Und jede Frau trägt alle Aspekte in sich – in jedem Lebensalter. Weise Mädchen und närrische Alte sind dafür das beste Beispiel
Artemis soll jeden Tag in ihrer heiligen Quelle ein Bad genommen haben und dadurch ihre Jungfräulichkeit erneuert haben. Die jetzt reife Erntegöttin war vor einem halben Jahr jung und in einem halben Jahr wird sie es wieder sein. Die Mondgöttinnen durchlaufen in 28 Tagen diesen Zyklus.
Und daher finde ich es so besonders schön, dass – fast wie eine Erinnerung an die zyklische Kraft – das Sternzeichen Jungfrau nicht im Frühling sondern jetzt im Spätsommer ist.
Und diesen gilt es jetzt einmal zu genießen. Und wenn wir uns zwischendurch einmal ein wenig erden und die Jungfrau-Energie nutzen, um Ordnung zu schaffen, dann ist es auch gut.
Mehr zur Qualität und Kraft des „Frauendreißigst” gibt es im artedea-E-Book, das jetzt kostenlos HIER heruntergeladen werden kann.
Mehr zu den Göttinnen, die in diesem Blog-Beitrag erwähnt sind:
Anahita
Arianrhod
Artemis
Atargatis
Athena
Boldogasszony
Bona Dea
Britomartis
Demeter
Devi
Hestia
Ischtar
Juno
Kore
Maria
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Ganz lieben Dank Andrea!!!
Luisa Francia hat, wenn ich mich richtig erinnere, in ihrem Buch „Berühre Wega und kehre zur Erde zurück“, kurze philosophisch ausdrucksvolle Sätze zu den einzelnen Sternzeichen aufgezeichnet: 1. Widder/Mutterschaf/Schafsdame: „Ich bin.“ Für mich/f.m., Voraussetzung zur Selbstwahrnehmung ;-).
2. Stier/Lunamuh:“Ich habe.“ f.m. Olala… dies und das
3. Zwilling:“Ich denke.“ – f.m. darüber nach.
4. Krebs:“Ich fühle.“ – f.m. was mein Denken bewirken könnte.
5. Löwin:“Ich will!“ – f.m. aus all dem Leben förderndes bereiten!
6. Jungfrau:“Ich ordne.“ – f.m. all das von 1-6, was ja astrologisch die Ich-Zeichen sind. Haha:“Ordnung ist das halbe Leben“ aus astrologischer Sicht… Die Ei_Gene innere Ordnung ;-):
Mit dem 7. Zeichen Waage geht`s in den Du-Bereich:“Ich gleiche aus.“ – f.m. gut so und Beginn der hiesigen Natur mit Kompost (Herbst, neues, farbenfrohes, hier Kompost-Feuer in die Blätter der Bäume).
Hammerviel Info, wow, und so so schöne Bilder 😀