Barbies Geburtstag – eine Plastikpuppe im feministischen Diskurs

Weltfrauentag war gestern. Heute ist Barbies Geburtstag. Ja ganz richtig, die gute alte Barbie-Puppe hat heute 09. März 2020 ihren 61. Geburtstag. Denn am 9. März 1959 wurde das erste Exemplar auf der American Toy Fair in New York präsentiert.
Was hat Barbie mit dem Weltfrauentag zu tun?
Diese in rosa Tüll und Rüschen gehüllte, stets freundlich lächelnde weibliche Kunstfigur, die mit ihren unnatürlichen Körpermaßen seit Ende der 50-er-Jahre ein seltsam entrücktes Frauenbild repräsentiert – mit dem seither aber Erfolg hat.
Die Barbie-Puppe steht seit Beginn im feministischen Diskurs.

Barbie statt Baby

Und ja – man kann es kaum glauben – sie hat auch durchaus feministische Züge.
Das beginnt bereits bei ihrer Entstehungsgeschichte: Sie wurde von ihrer Schöpferin, der US-Amerikanerin Ruth Handler ursprünglich bewusst als Alternative zu den in den 1950-er Jahren fast ausschließlich verkauften Babypuppen geplant worden, die dazu da waren, Mädchen schon frühzeitig auf die Mutterrolle vorzubereiten.

Alle Handgriffe von Wickeln über Baden bis Fläschchen geben sollten schon von klein auf geübt werden.

Mrs. Handler wollte, dass ihre Tochter Barbara ein alternatives Frauenbild kennenlernt und erschuf daher die erste alleinstehende, kinderlose, berufstätige Plastikfrau.
Sie wollte ihrer Tochter mit dieser Puppe ein Role-Model geben, das nicht auf einen männlichen Versorger angewiesen ist und sich nicht nur durch ihre Mutterrolle definierte. So kreierte sie Barbie und die Barbie-Welt.
Das war ein provokantes Novum. Die Barbie-Puppe war erwachsen und sie war sexy. Sie lud ihre Besitzerinnen nicht dazu ein, sie zu bemuttern, sondern – ja, wozu eigentlich? Vielleicht, sich mit ihr zu identifizieren?
Und in Traumwelten einzutauchen, aus denen einmal Realität werden könnte.
Bereits die Ursprungs-Philosophie von Barbie war, dass Mädchen durch die Puppe das sein können, was sie wollen. Sie haben durch diese Puppe nicht ein Baby im außen bekommen, sondern konnten sich selbst durch die Puppe in verschiedene Rollen hineinversetzen.

Role-Model einer eigenständigen Frau

Und zwar ganz und gar nicht nur geschlechtskonform, wie man es in den 60-er-Jahren hätte erwarten können.
Als Frauen in Österreich oder Deutschland noch die Unterschrift ihrer Männer brauchten, um ein eigenes Bankkonto zu eröffnen und ihnen diese durch ein Gesetz verbieten konnten, berufstätig zu sein, hat Barbie bereits als Astronautin, Chirurgin, Pilotin und Soldatin gearbeitet.

Das „Barbie Dream Gap Projekt“ will das große Potenzial in jedem Mädchen fördern und ist eine Initiative zur Bekämpfung der Geschlechterverzerrung in Erziehung und Berufswahl.

Entscheidend dabei ist auch, dass Barbie einen vollen Namen erhielt, und nicht nur einen Vornamen hatte, wie alle anderen Puppen.
Damit sollte sie als „eigenständige Person“ gelten: Barbara Millicent Roberts.
Und auch eine Biographie: Als älteste Tochter von Margaret und George Roberts, hat sie High Schools in Kalifornien und New York besucht, besitzt mehrere Doktortitel sowie  Führerschein und Pilotenlizenz.
1992 (und von da an jedes Jahr) kandidiert Barbie in ihrer Barbie-Puppen-Welt als Präsidentin der Vereinigten Staaten. Hillary Clinton tat dies erst 24 Jahre später.

Ganz wichtig bei all dem: Alles war Barbie hat, gehört IHR und zwar ganz alleine ihr:
Das Barbie-Haus, die Barbie-Yacht und ja – auch der Riesen-Kleiderschrank mit unzähligen Designer-Klamotten. Sie ist die unumschränkte Herrscherin in ihrem Reich. Die Männer sind auf Besuch, viel lieber aber umgibt sie sich mit Freundinnen.

1961 wurde schließlich Ken erschaffen – sozusagen aus „Barbies Rippe“. Er wurde ihr On/Off-Freund – genaueres weiß man nicht. Interessant ist allerdings, dass er den Namen des Sohnes von Ruth Handler trägt, Barbara war ihre Tochter. Also die beiden haben offenbar eher ein geschwisterliches Verhältnis. Verheiratet waren sie nie, Kinder bekamen sie auch keine.
Wie auch, Ken ist „untenrum“ komplett geschlechtsneutral, um nicht zu sagen, weiblich. Also männliche Attribute fehlen ihm zumindest gänzlich.

Schließlich trennte sich Barbie im Jahr 2004 auch von Ken und ließ sich darauf mit dem australischen Surfer Blaine ein.
Viel wichtiger in Barbies Welt sind allerdings die vielen weibliche Bezugspersonen in Form von Freundinnen, Schwestern und Cousinen.
Darunter sind Frauen jeder Hautfarbe, Kopftuchträgerinnen genau so wie Fußballerinnen, Rollstuhlfahrerinnen, Naturschützerinnen und LGBTQ-Aktivistinnen.
Sie steht im Zentrum eines weiblichen Universums, in dem der Mann von Anfang an nur die zweite Geige spielt.

Traumfrau patriarchaler Rollenklischees?

Allerdings: Ist dieses zur Schau gestellte weibliche Selbstbewusstsein nicht nur ein guter Marketing-Gag?
So wie sich Barbie seit 60 Jahren rein äußerlich zeigt, erfüllt sie alle Rollenklischees von patriarchalen (feuchten) Träumen.
Das begann mit dem Barbie-Urmutter, die in einem schwarz-weiß-gestreiften Badeanzug ausgeliefert wurde: Großbusig mit Wespentaille, laaaaangen Beinen auf Stöckelschuh-Pantoffelchen, stark geschminkt ohne jemals einen „Bad-Hair-Day“ zu haben. All das legt sie auch im Astronauten-Raumanzug, als Handwerkerin, Rugby-Spielerin, Feuerwehrfrau oder Soldatin nicht ab. Immerhin, Barbie war zu Beginn ihres „Lebens“ blond, nun gibt es sie mit den unterschiedlichsten Haarfarben und -stylings.

Kopf breiter als Bauch

Ein menschliches Wesen mit den Maßen von Barbie wäre nicht lebensfähig. Insbesondere bietet ihr Bauch (der dünner ist als ihr Kopf) nicht genug Platz für alle lebensnotwendigen Organe.
Durch ihren langen, dünnen Nacken wäre sie nicht einmal fähig, ihren Kopf zu heben. Auch würden ihre schmalen Knöchel und die kleinen Füße sie nicht tragen, sodass sie auf allen Vieren kriechen müsste.
Die stärksten Kritikpunkte: Durch Barbies Aussehen und ihr Styling würden kleine Mädchen in Rollenklischees gepresst, die ein ungesundes Körpergefühl propagieren. Eine Studie der britischen Universität Sussex beweist: Mädchen, die mit Barbie spielen, haben ein geringeres Selbstbewusstsein in Bezug auf ihr Äußeres und einen stärkeren Wunsch nach einem dünneren Körper als andere Mädchen in ihrem Alter.

Die Herstellungsfirma Matell reagierte auf die zunehmende Kritik am klassischen Barbie-Idealkörper. Vor allem, weil sich das zunehmend auch in den Verkaufszahlen bemerkbar machte. Seit einigen Jahren setzt man daher auf Diversity: Barbie gibt es nun in unterschiedlichsten Haut- und Haarfarben, mit Kopftuch oder im Rollstuhl.
Seit 2016 gibt es zudem Puppen mit abweichenden Maßen – in etwas dicker, groß und klein.
Die Betonung liegt auf „etwas“:
Eine durchschnittliche 17-jährige Deutsche hat ein Taille-Körpergröße-Verhältnis bei 0,43. Die Original-Barbie wies einen Wert von 0,27 auf.
Die neue „kurvige“ Barbie soll nun realistischer sein. Ihre Taille misst 63, ihre Hüfte 91 Zentimeter. Bei einer Körpergröße von 168 Zentimetern ergäbe sich ein Taille-Körpergröße-Verhältnis von 0,38. Damit liegt sie aber immer noch im untergewichtigen Bereich und noch ein gutes Stück von der durchschnittlichen Frau entfernt

Nur so am Rande: Die gehandicapte Freundin von Barbie „Becky“ war bereits 1997 mit ihrem Rollstuhl unterwegs. Rasch mussten Kinder jedoch feststellen, dass der Rollstuhl nicht durch die Tür des Barbie-Traumhauses passte. Becky scheiterte daher an ihrer nicht barrierefreien Welt und ihre Produktion wurde eingestellt.

Nehmen wir Barbie die Feministin ab?

Barbie mit ihrem mädchenhaften hübschen Gesicht in ihrer immer noch pinkfarbigen Glitzerwelt nimmt man die Feministin und selbstbestimmte Karrierefrau nicht ganz ab. Auch wenn sie nun – in die Jahre gekommen – etwas kurviger geworden ist.
Immerhin hat sie es auf den Titel des „Time“-Magazins geschafft, von dem ihre vollschlanke Ausgabe mahnt: „Hört endlich auf, über meinen Körper zu reden.“
Ich denke, das werden wir erst können, wenn es Barbies mit Hängebrüsten, Runzeln und Falten und es sie nicht nur ein wenig vollschlanker, sondern mit ordentlich Übergewicht gibt.
Eine Barbie von ihrem Job als (von mir aus) Astrophysikerin abends heimkommen, sich in ihre ausgeleierten Jogginghosen wirft, fettige Haare hat und sich nicht um ihre schwabbeligen Oberarme und ihren fahlen Teint schert.

Sex-Appeal zog in die Kinderzimmer

Fazit: War Barbie als Kampfansage gegen das Rollenklischee der „kleinen Mutter“, die mit ihrer Babypuppe spielte gedacht, dann sollte die erwachsene Puppe mit allen weiblichen Attributen, spielende Mädchen dazu veranlassen, in Barbie das Ideal zu erkennen, in das sie selbst einmal hineinwachsen würde.
Das brachte aber auch negative Seiten mit sich:
Wenn jetzt ein Mädchen seine Mutter kopierte, dann nicht mehr in der Rolle der Versorgerin und Hausfrau, sondern in jener der verführerischen Liebhaberin.
In den 60-er-Jahren war die erwachsene Weiblichkeit mit einer vollen Ladung Sex-Appeal, Brüsten, Make-up, Frisuren, Negligés, Designer-Outfit und Stöckelschuhen in die Kinderstuben eingebrochen. Kein Wunder, dass seit einem halben Jahrhundert die Kosmetik- und Bekleidungsindustrie für die ganz jungen Kundinnen so boomt. Mittlerweile gibt es z.B. die „Glow-by-dm-Messe“, bei der der Veranstalter warb: „Alle Beautys ab 6 dürfen rein“. 

Sind 6-Jährige mit dieser erwachsenen Puppe überfordert?
Die gute Nachricht: Viele Barbie-Besitzerinnen behandeln die erwachsene Puppe in ihrem Puppen-Traumhaus nicht viel anders als ihren Teddybären oder Stoffhasen.
Sie füttern ihre Barbie und decken sie zum Nachtschlaf sorgsam zu.
Na dann!

 

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Bildquellen:
Barbie-Puppe / Віктор Ходєєв / de.wikipedia.org/
barbie-1640764_1920 / Alexas_Fotos / pixabay.com
little-girl-3680827_1920 / AnnaliseArt / pixabay.com
Original Barbie / Charlotte Powell
barbie-223952_1920 / Tomasz_Mikolajczyk / pixabay.com
barbie-2941811_1920 / barbie-2941811_1920 / pixabay.com

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