Nein, das ist leider kein Faschingsscherz.
In Österreich haben Frauen im Vergleich zu Männern vom Jahresbeginn bis heute gratis gearbeitet. Heute ist der sogenannte Equal Pay Day.
Dabei sind wir in Österreich verhältnismäßig ohnehin noch gut dran. In Deuschland ist der Equal Pay Day heuer erst am 17. März. In der Schweiz war dieser Stichtag schon am 22. Februar.
Ein Gedankenexperiment
Susi und Kurti sind gleich alt, haben die gleiche Ausbildung, haben beide bislang die gleich lange Berufstätigkeit und einen Job, in dem sie die gleiche Verantwortung und die gleichen Aufgabengebiete haben.
Quizfrage: Was unterscheidet die beiden? Susi ist eine Frau und Kurti ist ein Mann. Wenn man sich das Jahresbruttogehalt der beiden anschaut, dann hat Kurti seit dem 1. Januar Geld verdient, Susi hingegen hat bislang gratis gearbeitet.
Lohnschere nennt man das auch.
Wir haben in Österreich nach wie vor eine Einkommensungleichheit zwischen Männern und Frauen von 15,2%.
Da diese Prozentzahl nicht sehr aussagekräftig ist, wird das zur besseren Veranschaulichung in Tagen umgerechnet.
Und das sind 56 Tage an denen ganzjährig vollzeitbeschäftigte Frauen sozusagen „unbezahlt“ arbeiten, um denselben Lohn wie Männer zu erhalten.
Der Equal Pay Day macht das geschlechtsspezifische Lohngefälle zwischen Frauen und Männern deutlich sichtbar. Der 25. Januar ist der durchschnittlich Stichtag für Österreich. Zwischen den einzelnen Bundesländer gibt es große Unterschiede: In Wien fiel der Equal Pay Day auf den 22. Januar, Vorarlberg ist das Schlusslicht, dort arbeiten Frauen bis zum 29. März unentgeltlich!
Bei der Berufswahl fängt es schon an
Jetzt ist das Beispiel von Susi und Kurti zugegebener Maßen plakativ. Immerhin hatte Susi die gleichen Voraussetzungen, in ihr Berufsleben einzusteigen.
Die Statistik, die hinter den „Equal Pay Day“-Berechnungen steht, weist auf, dass Frauen schon oft am Beginn ihrer Ausbildung bzw. Berufslaufbahn benachteiligt sind, weil jungen Frauen immer noch nicht so viele Optionen offenstehen, wie jungen Männern und viele daher von der falschen Berufswahl betroffen sind.
Während sich junge Frauen schwerpunktmäßig bei den Lehrberufen immer noch auf 1. Einzelhandel, 2. Friseurin und 3. Bürokauffrau beschränken, ist das Feld für junge Männer wesentlich breiter gestreut und an den ersten drei Stellen stehen Lehrberufe, die schon von Beginn an bessere Karrierechancen und bessere Bezahlung in Aussicht stellen: 1. Metalltechnik, 2. Elektrotechnik, 3. Kraftfahrzeugtechnik.
Das ist nicht deshalb so, weil Mädchen nichts anderes einfällt oder sie zu anderen Berufen nicht fähig sind, sondern weil sie am Lehrstellenmarkt einfach weniger Chancen haben, z.B. in der Metalltechnik zu arbeiten.
Also warum verdienen Frauen im Durchschnitt weniger?
Einige der vielen Gründe:
- Männer arbeiten in besser bezahlten Branchen – siehe Lehrstellenwahl.
- Männer haben ein besseres Geschick in punkto Gehaltsverhandlungen (sie müssen sich bei Einstellungsgesprächen auch nicht den Fragen „Was machen Sie wenn Ihr Kind einmal krank ist?“ oder „Wie schaut Ihre Familienplanung in den nächsten 5 Jahren aus?“ stellen.)
- Männer haben mächtige Netzwerke, die ihnen die besseren Jobs, schnellere Karrieresprünge verschaffen (dort wo Frauen oft ihr ganzen Berufsleben an der „Gläsernen Decke“ kleben, werden sie von jüngeren, unerfahreneren, schlechter ausgebildeten Männern mit Leichtigkeit überholt).
- Männer machen weniger unbezahlte Arbeit: Die (oft auch nur vermutete) Doppelbelastung durch Haushalt und Familie, lässt Arbeitgeber davon zurückschrecken, Frauen zu engagieren. Hausarbeit, Kinderbetreuung, die Pflege und Betreuung von älteren Angehörigen: Das sind die undankbaren, weil unentlohnten Arbeiten, von denen sich Männer immer noch recht erfolgreich fernhalten.
Im Lauf der Berufstätigkeit rutschen Frauen dann immer weiter in die unterschiedliche „Lohnschere“: Babypause, Halbtagsjobs, weniger Chancen, sich weiterzubilden, beim Wiedereinstieg sind die Qualifikations- und Aufstiegsmöglichkeiten der Frauen mehr als beschränkt.
Dabei zeigen die Statistiken, dass Frauen Schulen und Hochschulen im Durchschnitt besser qualifiziert verlassen als ihre männlichen Kollegen.
Sehr g’schmackig ist auch der sogenannte „Obstsalat-Vergleich“, der in diesem Zusammenhang immer wieder zitiert wird.
Dieser besagt, dass hier alles vermischt wird und die Frauen-Männer-Gehalts-Vergleiche nur im Durchschnitt betrachtet werden können.
Will heißen: Susi und Kurti, die gleich qualifiziert sind, würden schon längst das gleiche verdienen. Das stimmt einfach nicht – oder nur in sehr geringen Ausnahmefällen.
Bei der Berechnung wird Gleiches mit Gleichem verglichen, also nicht Telefonistin mit Manager, Koch mit Autoverkäufer. Auch Teilzeitarbeit oder ehrenamtliche Tätigkeiten fallen nicht ins Gewicht, weil nur ganzjährige Vollbeschäftigte gegenübergestellt werden.
Als Beispiel: Es gibt die Sparte „Erziehung und Unterricht“. Frauen bekommen hier um 26% weniger Entlohnung als Männer. Die detaillierte und aktuelle Aufstellung laut Rechnungshofbericht über alle Sparten findet sich HIER.
Die Diskussionen rund um den sogenannten Pay Gap implizieren auch immer den Vorwurf an Frauen, dass diese sich halt nicht mehr zutrauen, unbedingt Babypausen einlegen wollen und Teilzeit arbeiten, weil sie ihre Kinder/Männer/alten Angehörigen versorgen möchten oder sich neben dem Job einfach ein lustiges Leben mit Freundinnen im Kaffeehaus oder am Golfplatz machen wollen – selber schuld.
Die – oft verzweifelten – Versuche von Frauen, einen einigermaßen fair bezahlten Job mit guten Arbeitsbedingungen zu bekommen und auch zu halten, sprechen eine andere Sprache.
Weniger Gehalt bedeutet in Folge übrigens auch weniger Pension: Altersarmut ist weiblich.
Und auch weniger Geld in der Haushaltskasse von Familien. Ganz besonders drastisch die Auswirkungen natürlich auch für alleinstehende Frauen und alleinerziehende Mütter.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – das war eine Forderung der ersten Stunde, als 1909 der erste nationale Frauentag in den USA begangen wurde.
Dass das noch nicht umgesetzt wurde – nach 111 Jahren – ist schon eine Schande für sich.
Dass Frauen immer noch gar nicht die gleichen Chancen am Arbeitsmarkt wie Männer haben (und das quer durch alle Berufsgruppen und Gesellschaftsschichten), dass unbezahlte Versorgungs-Arbeit zu einem Großteil immer noch an den Frauen hängt – das ist die eigentliche Katastrophe.
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Bildquellen:
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