Das kosmische Dreiecksverhältnis und das Hineinsinken in den Urzustand
Besonders lustig fand ich heute die Schlagzeile in einer Zeitung: Jetzt wird’s dunkel – Neumond und dazu auch noch eine Sonnenfinsternis.
Leute: Eine Sonnenfinsternis kann es nur dann geben, wenn der Mond ganz dunkel ist. In dieser Konstellation kann es schon mal vorkommen, dass sich der Mond zwischen Erde und Sonne schiebt und so diese für kurze Zeit verdeckt. Das kommt gar nicht so selten vor. In jedem Kalenderjahr gibt es mindestens 2, maximal 5 Sonnenfinsternisse.
Da sprechen wir übrigens auch nicht vom Neumond, sondern vom Schwarz- oder Dunkelmond.
Der Neumond ist die erste ganz schmale Mondsichel, wenn die Schwarzmondphase vorbei ist.
Auch wenn wir sie nicht wirklich sehen, gibt es sie, diese Sonnenfinsternis heute Mittag. Immer wenn Schwarzmond, die vollkommene Dunkelheit durch eine Sonnenfinsternis verstärkt wird, ist das energetisch wie ein tiefes Hineinsinken in den Urzustand, ein Innehalten, eine Zeit, um sich auszuruhen, zu sich zu kommen, still zu werden.
Anlass für zahlreiche Deutungen
So erzählt man sich beim Volk der Dahomey oder Fon in Nordwestafrika die Geschichte, dass immer, wenn es eine Sonnenfinsternis gibt, die Mondgöttin Mawu und Sonnengott Lissa Liebe machen. Daraus sollen sogar auch sieben Zwillingspaare entstanden sein. Diese wurden eines Tages von ihren Eltern damit beauftragt, ihre Verantwortung für die Welt zu übernehmen.
Nicht so romantisch ist der Mythos über die Entstehung einer Sonnenfinsternis bei den in Grönland lebenden Inuit. Die junge Frau Malina wurde einst nächtelang vergewaltigt. Um ihren Peiniger zu erkennen, schmierte sie sich eines Abends ihre Hände mit schwarzem Öl ein und sah am nächsten Tag entsetzt, dass der Vergewaltiger ihr eigener Bruder Anningan ist.
Sie setzte ihm mit einem brennenden Holzscheit nach, er flüchtete in den Himmel, wo er zum Mond wurde (immer noch an den schwarzen „Ölflecken“ zu erkennen), während sie sich zur feurigen Sonne wandelte.
Anningan, der Mond soll seiner Sonnenschwester immer noch nachstellen. Das ist der Grund, weshalb Sonne und Mond immer zu verschiedenen Zeiten aufgehen. Hin und wieder gelingt es ihm aber, seine Schwester einzuholen und sie erneut zu vergewaltigen. So entsteht eine Sonnenfinsternis. Der schwarzgesichtige Mond – deutlich von seiner Schwester als Vergewaltiger gekennzeichnet – schiebt sich vor die strahlende Sonne.
Da die Sonnengöttin immer noch alle Männer hasst (genauso wie Anningan, der Mondgott die Frauen hasst), wird bei den Inuit den Männern geraten, während einer Sonnenfinsternis in ihren Häusern zu bleiben, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, von der Sonnengöttin mit Strafen und Krankheiten heimgesucht zu werden.
Die japanische Sonnengöttin verschwindet
In der griechischen Mythologie ist die Legende der ersten Sonnenfinsternis eine sehr männliche und handelt von Bubenstreichen, einem zürnenden Obergott und einem trauernden Vater:
Phaéton, der Sohn des Sonnengottes Helios, wollte so gerne einmal Sonnenwagen seines Vaters lenken. Dieser überließ seinen Sohn für einen Tag den Sonnenwagen, unter den Bedingungen nichts Leichtsinniges zu tun und sich verantwortungsvoll zu verhalten. Phaéton war jedoch, übermütig und entzündete, wenn auch unabsichtlich, ganze Städte, Wälder und Menschen. Zeus der Obergott war darüber so erbost, dass er Phaéton mit einem seiner Blitze erschlug und tötete.
Dessen Vater Helios fiel darauf hin in tiefe Trauer und verhüllte den restlichen Tag sein Antlitz und fuhr nicht mehr über den Himmel. Dies soll die erste Sonnenfinsternis gewesen sein.
Tja, die kleinen bösen Buben der großen strahlenden Väter. Sehr erstaunlich finde ich es immer noch, dass im Jahr 2008 als in Kärnten „die Sonne vom Himmel gefallen ist“, der Unfallfahrer Jörg Haider just einen „VW Phaéton“ lenkte.
Es gibt aber nicht nur männliche Sonnengötter, in vielen Kulturen wird die Sonne auch als weibliche Kraft angesehen, wie z.B. in Japan, wo die Göttin Amaterasu immer noch in ihrer leuchtend roten Strahlkraft auf der Flagge zu sehen ist.
Im Mythos verschwand Amaterasu eines Tages aus Gram in einer Höhle und auf der Erde wurde es finster.
Man nimmt an, dass diese Geschichte einen realen Hintergrund hat. Vielleicht ist dies die Beschreibung einer Sonnenfinsternis, vielleicht auch die Verdunkelung nach einem Vulkanausbruch.
Böse Drachen und brennende Pfeile
Wie erklären sich andere Völker in ihren Mythen das Phänomen Sonnenfinsternis?
In China glaubte man, dass ein böser Drache versucht, die Sonne zu fressen. Die Menschen versuchen ihn mit lautem Getöse davon abzuhalten.
In Japan wurden Brunnen abgedeckt. Man glaubte, bei einer Sonnenfinsternis werde das Wasser vergiftet.
Der Stamm der Arapaho in Nordamerika glaubt, Sonne und Mond wechseln das Geschlecht, weshalb der Tag zur Nacht wird. Und das Volk der Chippewa (ebenfalls Nordamerika) fürchtete, die Sonne würde erlöschen und sie schossen daher brennende Pfeile gegen den Himmel um sie wieder anzuzünden.
In Brasilien sind verschiedene Völker davon überzeugt, dass ein großer Vogel die Sonne mit seinen Flügeln verdeckt.
Mehr Infos zu den hier erwähnten Göttinnen:
Amaterasu
Malina
Mawu
Bildquellen:
eclipse-4391752_1920 / susan-lu4esm /pixabay.com
Totale Sonnenfinsternis (Abstands- und Größenverhältnisse nicht maßstabstreu) / Sagredo / de.wikipedia.org/
Mawu / artedea.net
Amaterasu / artedea.net
Herzlichen Dank, liebe Andrea! Ohje, es gibt schon wirklich durchgeknallte, grausam patriarchale Mythen, die sie in ihren Kriegen samt allgemeinen Zerstörungswahn durchzusetzen versuchen! Da lob ich mir die matrivitalen Geschichten als positive Phantasien- und Umsetzungsmöglichkeiten 😉