Olympische Spiele als Kampf der Spermien

Ich habe das ja nie ganz verstanden, dieses „höher, schneller, stärker“ der sportlichen Wettkämpfe. Und schon gar nicht bei den Olympischen Spielen, wo es ja auch heißt „dabei sein ist alles“. Diese Aussage steht nämlich in klarem Gegensatz zum klassischen Motto.

Die lateinische Parole „citius, altius, fortius“ stammt vom französischen Dominikanerpater Henri Didon. Er stellte das erste Schülersportfests in Arcueil am 7. März 1891 unter dieses Motto. 1894 schlug der Sprachwissenschaftler und Altphilologe Michel Bréal, diese drei Wörter als Devise für die Olympischen Spiele vor.
Wir haben es mit zutiefst patriarchalen Werte zu tun, die nach dem Prinzip „Kampf der Spermien“ funktioniert: „ERSTER!!!“ Nur ein Spermium kann das Ei befruchten, es muss daher schnell und stark sein. Was eigentlich kann der Sportler, der mit seiner Goldmedaille am obersten Podest steht?
Durch Sport sollte Frieden und Verständigung auf der Welt gefördert werden – das war zumindest der Leitgedanke der modernen Neuauflage der Olympischen Spiele 1896.
Doch wenn wir uns die Wettkämpfe anschauen, gibt es kein kooperatives Miteinander und schon gar keine friedensfördernde Atmosphäre.
„Dabei sein ist alles“ – dass ich nicht lach‘.

Dem Ei ist es egal, wer erster ist

Da jubelt eine ganze Nation, weil ihr Schiläufer um 00.04 Sekunden schneller einen Hang heruntergeflitzt ist als der Zweitplatzierte.
Wie verrückt ist das denn? Das ist weniger als ein Wimpernschlag!
Patriotismus at it’s best.
Würde so etwas in matriarchalen Kulturen passieren?
Um beim Bild der Spermien zu bleiben: Dem Ei ist es ziemlich egal, welches Spermium das erste ist.
Es löst sich irgendwann von seinen „Schwestern“ im Eierstock, wandert gemütlich den Eileiter hinunter und hat viel Zeit und Muße auf das zu warten, was da kommen mag.
Kaum zu glauben übrigens, dass die Vorläufer der Olympischen Spiele ursprünglich das große Sportfest zu Ehren der großen griechischen Muttergöttin Hera war. (Mehr dazu im morgigen Blogbeitrag.)

Und es geht ja schon lange nicht mehr alleine um die sportliche Leistung. Das ganze ist eine brutale Materialschlacht, das Theater um nicht-regelkonforme Anzüge beim Schispringen ist dafür gerade ein aktueller Beweis.

Wohin hat uns „schneller, höher, stärker“ gebracht?

Wie weit wir mit diesem „schneller, höher, stärker“ gekommen sind, das erkennen wir, wenn wir uns die Situation unserer Erde anschauen. Unsere gesamte Wirtschaft und die Politik funktioniert nach diesem Prinzip.
Und gerade diese Winterspiele in Peking sind ja ein Sinnbild des Wahnwitzes, gerade in Zeiten, in denen das Thema Klimaschutz wirklich in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.
Nicht nur, dass tausende Menschen mit dem Flugzeug nach China reisen, der Austragungsort selbst ist ja der pure Hohn. Die Wüste Gobi reicht fast bis vor die Tore von Peking, das 180 Kilometer nördlich gelegene Zhangjiakou ist dem Wüstengürtel noch näher. Im Winter gibt es in der Gegend wochenlang kaum Niederschlag und nahezu keinen Schneefall. Enorm energieaufwändig muss Kunstschnee produziert werden, was Unmengen von Wasser und Strom verschlingt. Dabei herrscht in Peking und Umgebung ohnehin bereits Wassermangel. Peking 2022 sind die ersten Winterspiele mit 100 Prozent Kunstschnee. Der Großteil des Wassers muss aus Dutzenden von Kilometern entfernten, in Tälern gelegenen Reservoirs in die Berge gepumpt werden. Unglaublich: Der alpine Standort ist mitten im Kern eines Naturschutzgebiets. Das kümmert aber offenbar niemanden. Großflächig wurden dort Wälder gerodet, Boden sowie Vegetation zerstört.
Wenn in einer Gegend weniger als 1000 Kubikmeter Wasser pro Person im Jahr zur Verfügung stehen, dann spricht man international von Wasserknappheit. Unter 300 von extremer Wasserknappheit.
In der Hauptstadtregion Peking stehen pro Person nur 170 Kubikmeter Wasser zur Verfügung. Wenn man die Menschen mitrechnet, die nicht hier gemeldet sind, sind es sogar weniger als 100 Kubikmeter.
Der Wasserverbrauch für die Kunstschnee-Abdeckung aller Wettkampfstätten 2022 und kommt auf eine fast irrwitzige Zahl: 2,5 Milliarden Liter sind für die Produktion notwendig.
Symbolisch für die Spiele werden oft Bilder der Skisprung- oder der Bobanlage gezeigt, die funkelnagelneu in die Berge gepflanzt wurden. Was man dabei allerdings nicht sieht: Für diese olympischen Skisprungschanzen mussten nicht nur tausend Jahre alte Terrassenkulturen weichen, sondern auch ganze Dörfer – 1.500 Menschen wurden umgesiedelt.

Apropos Klimawandel: Wenn die Erderwärmung ungebremst weiter läuft, würde Berechnungen zufolge von den bisher 21 Olympia-Städten seit Chamonix 1924 im Jahr 2080 nur noch eine zuverlässig Spiele ausrichten können – Sapporo in Japan.

Zeit also, Olympische Spiele, zumindest die Winterspiele zu überdenken. Brauchen wir das noch wirklich, diese patriotischen Machtdemonstrationen, die eigentlich nur den ganzen Wahnsinn widerspiegeln, der gerade dabei ist, die Erde zu ruinieren.
Sollten wir nicht längst vom Prinzip des „citius, altius, fortius“ Abstand nehmen und uns auf die Energie des Eies und nicht jener der Spermien besinnen?

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Bildquellen
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Eine Antwort zu Olympische Spiele als Kampf der Spermien

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