Pfingsten – was wird hier eigentlich im christlichen Zusammenhang gefeiert?
Eine kleine Umfrage meinerseits ergab, dass das die wenigsten wissen. Irgendwas mit Feuerzungen oder so, war eine der Antworten.
Also: In der Apostelgeschichte wird erzählt, dass der sogenannte Heilige Geist auf die Apostel herabkam, als sie zum jüdischen Fest Schawuot in Jerusalem versammelt waren (Apg 2,1–41 EU). Schawuot ist das jüdische Wochenfest, das 50 Tage, also sieben Wochen plus einen Tag nach dem Pessachfest gefeiert wird.
Daher auch der Name Pfingsten, abgeleitet vom griechischen Wort „pentekosté“, der Fünfzigste. Also hat Pfingsten genauso wie Ostern jüdische Wurzeln.
Lukas beschreibt das Pfingst-Ereignis in der Apostelgeschichte so: „Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daher fährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie (die Jünger) waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.“
Alte Fruchtbarkeitsbräuche zu Pfingsten
Ein epochales Ereignis war das offenbar. Interessant ist, dass es kaum Pfingstbräuche gibt, wie dies bei anderen großen kirchlichen Ereignissen, wie Ostern oder Weihnachten der Fall ist. Ist ihnen nichts mehr eingefallen, könnte man sich fragen. Nun – die Geschichte mit dem sogenannten Heiligen Geist ist ja auch schwer zu erfassen und noch schwerer in Ritualen umzusetzen.
Regional unterschiedlich haben die Festivitäten zu Pfingsten daher eher jahreszeitliche Bezüge zu den alten Traditionen des Frühlingsbrauchtums. Bereits aus vorchristlicher Zeit stammen Bräuche, die mit der rituellen Ablösung des Winters durch eine neue Wachstumsperiode zu tun haben. Diese haben sich vielfach im Volk als Brauchtum erhalten, aber rein gar nichts mit der biblischen Geschichte zu tun. Wie so oft wurden sogenannte „heidnische“ Bräuche in ein „christliches“ Gewand gekleidet.
Und vielfach geht es um die Beschwörung des Wachstums und der Fruchtbarkeit von Feldern und Tieren, sowie um Wetterzauber. Im Rahmen einer Feldmesse spricht der Pfarrer zu Pfingsten oft den großen Wettersegen aus – ein zutiefst archaischer Ritus für diese Jahreszeit, der mit den christlichen Glaubensinhalten dieses Festes rein gar nichts zu tun hat.
Pfingsten fällt in der Alpenregion ja oft mit dem Almauftrieb zusammen. Die Kühe werden aus den Winterquartieren auf die Almwiesen getrieben, denn Frost ist jetzt selbst in höheren Lagen nicht mehr zu erwarten. In vielen Orten mutiert dieser Zug zum Volksfest, wobei das stattlichste Tier, ein oft von der Kirche geweihter Pfingstochse – mit Blumen und Bändern festlich geschmückt – den feierlichen Zug anführt. Von diesem lesen wir auch nichts in der Bibel.
Eine besondere Rolle spielt das Wasser aus Bächen und Brunnen: Es soll zu dieser Zeit nach traditioneller Annahme besondere Segenskraft besitzen und auch die Fruchtbarkeit steigern.
In diesem Zusammenhang gehörte es beispielsweise in Thüringen lange Zeit zu den Pfingstbräuchen, dass junge Frauen frühmorgens schweigend Wasser aus einem Brunnen holen.
Darüber hinaus werden Pfingstbäume aufgestellt und Brunnen geschmückt und vielenorts auch eine Pfingst- oder Maikönigin gewählt.
Feier der weiblichen Schöpfungskraft
Und da sind wir schon sehr nahe an alten Bräuchen, die nun am Übergang vom Frühling in den Sommer zu Ehren von Vegetationsgöttinnen vollzogen wurden. So wird in England die „Mary Gipsy“ mit ihren Wurzeln als uralte Fruchtbarkeitsgöttin zu Pfingsten gefeiert.
Und damit kommen wir auch zum eigentlichen Kern des christlichen Festes, der oft so gerne verschwiegen wird. Denn dieser Heilige Geist, der nun auf das gesamte Volk herabkam ist nichts anderes als die weibliche Gestalt in der christlichen Dreifaltigkeit: Sophia, die Heilige Geistin, die allerdings ganz schnell in eine Taube verwandelt wurde. Da diese immer noch zu sehr an die alten Göttinnen erinnerte – war die Taube doch das Attribut vieler alter Muttergöttinnen – erhielt sie bald einmal mit dem Sanctus Spiritus eine endgültige männliche Form.
Die Dreifaltigkeit – nach christlicher Lehre der eine Gott in drei Personen – zählt ja zweifellos zu den schwierigsten Glaubenssätzen des Christentums, das ja bekanntlich monotheistisch ist. Diese in drei Teilen aufgeteilte Göttlichkeit erinnert sehr an die Dreifache Göttin, die bereits lange vor dem Christentum in vielen Kulturkreisen ganz selbstverständlich war. Ein Konzept, das sehr einleuchtend und erfolgreich war.
Logisch, dass das Christentum dieses Modell auch übernehmen musste.
Nun: Vater und Sohn kann man sich ja ganz gut vorstellen, aber worum geht es beim dritten Drittel?
Sehr deutlich sehen wir das in einer Darstellung der heiligsten Dreifaltigkeit im Chorgewölbe zu St. Jakobus in Urschalling im Chiemgau. Ein Fresko zeigt im Zwickel des Chorgewölbes zwischen zwei Bögen die heilige Dreifaltigkeit. Um auszudrücken, dass sich Gott nicht nur auf verschiedene Weise den Menschen zeigt, sondern auch in sich Fülle und Vielfalt enthält, hat im 14. Jahrhundert ein Maler (oder vielleicht auch eine Malerin) eine Figur mit drei Köpfen bzw. Gesichtern und drei Oberkörpern entworfen. Nach unten zu, wo sich die Gewölberippen treffen, verschmelzen jedoch die drei Körper zu einem einzigen, was auf die Einheit der drei göttlichen Personen hinweisen will. Das Besondere und Ungewöhnliche an dieser Darstellung ist, dass die mittlere und damit zentrale Gestalt klar als junge Frau zu erkennen ist mit weiblichem Gesicht, bartlos und rund, freundlich und jugendlich wirkend, mit langem hellbraunem Haar und roten Wangen.
Alle drei Personen tragen dasselbe dunkelrote Untergewand, das bei der mittleren Gestalt unterhalb der Brust in Falten gestrafft ist. Der weiße Mantel umhüllt alle drei. Doch er öffnet und schließt sich und öffnet sich noch einmal nach unten hin. Auffällig ist auch das Weiblichkeitssymbol im Faltenwurf zu Füßen der mittleren Gestalt, eine deutliche Darstellung einer Vulva, dem Tor zum Leben, trickreich aus den Falten der Gewänder von Vater und Sohn gebildet. Ein Hinweis auf Leben und Fruchtbarkeit. Was dann gleich anschließend direkt unter dem vulvaartigen Faltenwurf zu sehen ist, überlasse ich jetzt einmal eurer Phantasie.
Pfingsten ist also im Grunde die Feier der weiblichen Schöpfungskraft mit ihrem ganzen Ideenreichtum, der Weisheit, die von Beginn an da war.
Mehr dazu ist in meinem Blogbeitrag von 2018 „Pfingsten – das Fest der Heiligen Geistin“ nachzulesen.
Was ergießt sich aus dem „Heilig-Geist-Loch“?
In vielen Kirchen fallen zu Pfingsten aus dem „Heilig-Geist-Loch“ von der Kirchendecke unzählige rote Rosenblätter herab, die Symbol für die Flammenzungen sein sollen. Denn nach dem Bericht der Apostel ist ihnen keine Taube erschienen (die Heilige Geistin wurde ja erst später als diese interpretiert).
Stattdessen berichten die Apostel von Feuerzungen.
In den Predigten wird oft auch von der „Ausgießung des heiligen Geistes“ gesprochen. Da fließt also was Rotes aus einem Loch einer weiblichen Figur.
Woran erinnert uns das? Ich überlasse das eurer Interpretation.
Die Jünger haben laut biblischen Bericht gemeinsam mit Maria, der Mutter von Jesus dieses Schawuot-Fest gefeiert, nachdem Jesus zu Christi Himmelfahrt am 40. Tag nach Ostern in den Himmel entschwunden ist.
Maria, die sonst höchst selten in der Bibel erwähnt wird, scheint hier eine sehr zentrale Gestalt zu sein. Diese Ausgießung der weiblichen Kraft betrifft also vor allem Maria, wie das sehr schön auf diesem Bild, das im Musée Condé, Chantilly ausgestellt ist, zu erkennen ist.
Übrigens, was am Pfingstmontag gefeiert wird, weiß eigentlich niemand. Dennoch wünsche ich ein wunderbares verlängertes Pfingstwochenende.
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Mehr zu den erwähnten Göttinnen:
Dreifache Göttin
Maria
Sophia
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Bildquellen:
Sophia / artedea.net
Viehscheid Oberstdorf / Christoph Matthias Siebenborn / commons.wikimedia.org
Das Dreifaltigkeitsfresko im Chorgewölbe von St. Jakobus, Urschalling / de.wikipedia.org
Ingeborg Psalter 02f 1200 / commons.wikimedia.org
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