Diesen Blog gibt es nun schon seit 8 Jahren. Und seit 2014 schreibe ich am 8. März, dem Weltfrauentag in einigen Varianten, dass mir zu diesem nichts mehr einfällt, außer, dass ich mir wünsche, dass er abgeschafft wird, weil er sich erübrigt hat, weil Frauen ganz und gar gleichgestellt sind.
Und nun, 2022 sind wir wohl alle ziemlich durchgerüttelt. Nach zwei Jahren Pandemie und vom Kriegsgeschehen in der Ukraine, in dem viele eine Zeitenwende sehen.
Und da bekomme ich jetzt mit, dass eine US-amerikanische Schauspielerin in den sozialen Netzwerken ein Video veröffentlicht, in dem sie ein Gedicht darüber vorträgt, wie die Welt jetzt wohl aussähe, wenn sie die Mutter von Wladimir Putin wäre. Blond, engelsgleich und mit dem typisch amerikanischen Schmelz in ihrer Stimme trägt sie sanfte Worte vor und mir kommt echt das Kotzen.
Wie oft ist das in der Menschheitsgeschichte schon vorgekommen, dass Frauen und vor allem Mütter dafür zur Verantwortung gezogen werden, was Männer tun. Allein dieser Spruch, dass hinter jedem erfolgreichen Mann eine starke Frau stünde, ist eigentlich unpackbar. Was heißt das im Umkehrschluss? Dass alle „Looser“ nur deswegen so unfähig sind, weil die „Mami daheim“ sie nicht fördert und pusht?
Und wenn sie dann so erfolgreich und beispielsweise Staatschefs werden und in diesem Amt verbrecherische, korrupte, terroristische Schand- und Gräueltaten tun, ist dann auch die Frau im Hintergrund schuld, die sie dazu gezwungen oder zumindest nicht zurückgehalten hat?
Hätte Putin doch nur eine liebe Mama gehabt, dann wäre alles in Ordnung, dann würde er in seinem Vorgarten Rosen pflanzen und mit seinen Enkelkindern spielen.
Ja, Frau US-amerikanische Schauspielerin, geht’s noch?
Als ich mir meine ganze Empörung von der Seele schreiben wollte, habe ich diesen hervorragenden Standard-Artikel gefunden, der all das ausdrückt, was ich auch empfinde. Geschrieben übrigens von einem Mann, der auch eine sehr entscheidende Frage stellt: Welchen Beitrag könnten und sollten Väter in diesem Szenario leisten?
Cherchez la femme
Der Weltfrauentag bekommt einen deutlichen, wenn nicht so neuen Beigeschmack:
Die Frauen sind schuld! Im ganzen großen Weltgeschehen bis hin zu ihrem privaten Alltag.
Das kennen wir doch alle: Hätten sie sich nicht so aufreizend angezogen, dann wären sie nicht vergewaltigt worden. Hätten sie nicht den Göttergatten so gereizt, dann wären sie vielleicht noch am Leben (Stichwort: 31 Femizide in Österreich im Jahr 2021, Quelle: Der Standard).
Nicht von ungefähr heißt es ja: Cherchez la femme – in der Bedeutung: Mach die Frau ausfindig!
Nicht nur im Krimi steckt bekanntlicher Weise hinter allem Bösen eine Frau!
Rückfall in klassische Geschlechterrollen
Was bereits schon letztes Jahr am Weltfrauentag ein großes Thema war, gilt auch heuer wieder:
Die Pandemie hat einen recht drastischen Rückfall in klassische Geschlechterrollen bewirkt. Überwiegend Frauen managen die unbezahlte Arbeit – also Kinderbetreuung incl. Homeschooling-Betreuung, Hausarbeit und Pflege von Angehörigen. Auch Vollzeit berufstätige Frauen mussten bzw. müssen also eine Mehrfachbelastung bewältigen. Das bedeutet für viele Frauen, dass sie im Zuge der Pandemie ihre berufliche Tätigkeit einschränkten, zu Teilzeitarbeit wechselten bzw. ihre Jobs ganz aufgeben haben. Die Alternative: Sich völlig erschöpft in ein Burnout hinein zu manövrieren.
Ach ja im übrigen: Wenn sie Söhne haben, sollten sie diese gefälligst noch allabendlich liebevoll mit sanften Gute-Nacht-Liedern in den Schlaf wiegen, damit später nicht einmal Bestien und Tyrannen aus ihnen werden.
Wie geht es weiter?
Was werden wir in einiger Zeit in der Ukraine sehen? Trümmerfrauen wie bei uns nach 1945, die versuchen, ihr Land wieder aufzubauen, weil ihre Söhne, Brüder, Väter, Ehemänner totgeschossen wurden.
Was kommt nach der Pandemie? Frauen, die froh sind, irgendwelche schlecht bezahlten Teilzeitjobs zu ergattern, weil ihnen der berufliche Anschluss fehlt und sie nicht die Zeit erübrigen konnten, sich entsprechend weiterzubilden.
Was kommt ganz speziell auf Frauen zu, wenn wir an den Zustand unserer Erde denken?
Denn den Klimawandel, den sollten wir Frauen ja auch noch gut stemmen, denn schließlich sind wir ja die, die das Konsumverhalten unserer Familien entscheidend beeinflussen. Und da sind wir letztendlich ja auch noch schuld, wenn wir mit dem alten benzinfressenden Auto, das wir uns gerade noch leisten können, den Familieneinkauf heimkarren und die Kinder herumkutschieren. Ja warum kaufen wir uns nicht einfach neues Elektroauto oder schleppen die schweren Einkaufstaschen mit dem Fahrrad oder der Straßenbahn heim?
In Russland ist der Weltfrauentag übrigens schon seit Jahren sehr bedeutsam, als Nationalfeiertag ist der 8. März in Russland sogar arbeitsfrei. Wie bizarr war dieses Video, das Putin an einem Tisch umringt von Flugbegleiterinnen und Pilotinnen zeigt, die er anlässlich des Weltfrauentages geladen hat.
Alle hübsch zurechtgemacht und strahlend lächelnd (was ist ihnen auch anderes übergeblieben?), während er vor der Durchsetzung einer Flugverbotszone über der Ukraine warnt und noch einige andere politisch unpackbare Statements von sich gibt.
Weltfrauentag, wie wunderbar! Da kann man sich mit zwei Dutzend wunderschönen Frauen umgeben, ihnen Blumen schenken und die unsäglichsten Drohungen ausstoßen.
Was ist wohl in diesen Frauen vorgegangen hinter ihren lächelnden Fassaden, was bewegt uns Frauen weltweit an diesem 8. März 2022?
Und was die Männer, die Väter, die Söhne, die Brüder?
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Bildquellen:
female-g54e460386_1920 / geralt / pixabay.com
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