Mein gestriger Blog-Beitrag über die sogenannte „Walpurgis-Nacht“ hat viele Reaktionen in einer großen Bandbreite hervorgerufen.
Ich freue mich immer, wenn Frauen (manchmal auch Männer) sich mit jenen Themen auseinandersetzen, die mich beschäftigen. Auch wenn sie Kritik anbringen und mich auf meine „blinden Flecke“ hinweisen, auf Dinge, die ich vielleicht in ihrem Ausmaß oder ihrer Tragweite nicht gleich erkannt habe.
Die unterschiedlichen Reaktionen von absoluter Zustimmung bis zu energischen Angriffen (um nicht zu sagen: Anfeindungen) verwundern mich gerade bei diesem Blog-Beitrag zur „Walpurgis-Nacht“ nicht.
Es geht bei all dem genau um das Thema, das ich ansprechen wollte.
Viel alte Angst, viel neuer Mut: Von: „Sei vorsichtig, bei dem was du sagst“ (ganz so wie Goethe den Chor der Weiber aus dem Volk zitiert), bis zu „Frechheit – wir lassen uns die Hexe auf dem Besen nicht wegnehmen!“
Wie gesagt, das was unseren Ahninnen geschehen ist, sitzt vor allem uns Frauen noch tief verankert im Unterbewusstsein, in der kollektiven Erinnerung. Und wird auf die eine oder andere Weise bewältigt.
Und auch hier gilt: The medium is the message. Das ist mir durchaus bewusst (und das halt ich auch aus – dies als Nachricht an alle, die mich dazu ermuntert haben, mich nicht einschüchtern zu lassen und weiter meine Blog-Beiträge zu schreiben. An dieser Stelle: Danke für die ermutigenden, stärkenden Kommentare).
Holen wir uns die Nacht zurück
Noch ein Nachtrag zum Sinn der „Walpurgis-Nacht“ (ich zitiere aus meinem E-Book):
Natürlich können wir die sogenannte „Walpurgis-Nacht“ als „Fest der Hexen“ nutzen. Bestes Beispiel: Die „Neue Frauenbewegung“ hat in den 70-er-Jahren des 20. Jahrhunderts genau diese Nacht wieder als starke Machtdemonstration aufleben lassen:
Ausgegangen ist diese Initiative von italienischen Feministinnen. Sie hatten sich einst für das Scheidungsgesetz engagiert und waren dann die treibende Kraft für das 1978 verabschiedete liberale Abtreibungsgesetz.
Zehntausende Frauen zogen damals durch die Straßen und riefen als Herausforderung an die Männer und Machthabenden:
„Tremate, tremate, le streghe son tornate“
zu deutsch:
„Zittert, zittert, die Hexen sind zurück.“
Ausgelöst von den aufgebrachten und durchsetzungskräftigen Italienerinnen sind darauf hin in den beginnenden 70-er-Jahren Frauen in vielen Städten mit dieser Parole durch die Straßen gezogen.
Es ging ihnen vor allem auch darum, sich die „Nacht zurückzuholen“.
Denn „anständige Frauen“ haben in der Nacht draußen nichts verloren – so war noch die moralische Einstellung in der damaligen Zeit. Und gerade die Nacht, mit ihrer Stille und Dunkelheit, mit ihren Geheimnissen und mit der Gelegenheit, durchzuatmen und die Natur ganz pur zu spüren, ist die beste Zeit für Frauen, um ganz zu sich zu kommen oder sich mit anderen Frauen zu treffen.
Oder durchaus auch mit Männern. Man weiß in dem Fall ja nicht, was schlimmer ist ;o)
Geheime konspirative nächtliche Weibertreffen oder eine lustvolle Liebesnacht bei den Beltane-Feuern.
Was uns wieder zu einem ganz anderen Thema bringt: Warum haben patriarchale Religionen so ein strenges Auge auf die Sexualität der Menschen?
Im Mittelalter bestimmte die katholische Obrigkeit natürlich auch die Normen im sexuellen Bereich. Die sowohl kirchlichen wie weltlichen Sittengesetze (zweier Herr-schaftbereiche, die unselig miteinander zu beiderlei Vorteil paktierten), strebten Untertanen an, die leicht zu führen waren. Und das waren sicher nicht jene Menschen, die ein lustvolles Leben führen, zu dem auch selbstbestimmte Sexualität gehört.
Daher mussten jene kirchlichen und weltlichen Tugenden umgesetzt werden, die das Volk einschränkt, ängstigt und damit leicht regierbar macht: fromm, gottesfürchtig und sittsam, bescheiden, genügsam und mäßig, züchtig, still und fleißig.
Und natürlich gab es eine Reihe von Vorschriften, um die beiden Geschlechter möglichst voneinander fern halten. Denn seit dem Konzil von Trient (1545-1563) erkannte die Kirche nur jene Ehen an, welche vor dem Pfarrer und vor zwei Zeugen geschlossen worden waren. Und damit war natürlich alles, was dazu geeignet war, dass sich Frauen und Männer trafen, auf das Strengste zu verurteilen – also auch die alten Feiern im Wonnemonat Mai.
Hiermit ein großes „Danke“ an unsere italienischen Ahninnen und an die sogenannten „Neue Frauenbewegung“ aus den 70-er-Jahren. Vieles, was damals von unerschrockenen, klugen Frauen erkämpft wurde, ist heute für uns völlig selbstverständlich.
So, und jetzt genießt doch einfach einmal den Mai!
Bild: KIRKE – auch eine „Hexe“
OH JA – wahre Worte von einer weisen Frau! Danke!