Hui, da gab es ja Reaktionen, als ich vorgestern auf Facebook einen Beitrag zum 14. Februar, den V-Day gepostet habe. Für alle, die nicht auf Facebook sind:
Eine fragt da: „Warum müssen Frauen Männern das Darstellen ihrer Genitalien nachmachen? Ist das der Sinn von Gleichberechtigung? Und warum werden Aus- und Einstülpungen des Körpers so wichtig genommen?“
Die kluge Antwort einer anderen:
„Das ist anders rum. Frauen machen Männern nichts nach. Das haben Frauen schon sehr viel früher gemacht, nämlich seit dem Paläolithikum, sie die vielen uralten Vulvaritzzeichnungen in den Höhlen in Frankreich und Nordspanien (und nicht nur dort).“
Und eine weitere empört sich: „Geht´s eigentlich noch ordinärer ?! Was hat denn das bitte mit Valentin zu tun??“
Um darauf hin den Heiligen Valentin zu verteidigen. Sie empfindet offenbar Vulva oder Vagina als ordinär.
Auf die Frage: „Wie geht es dir da mit deiner eigenen?“, war die Antwort: „es gibt eben Dinge die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. sorry , das sollte man schon noch unterscheiden können ! Auf`s Kloo gehst du ja auch nicht öffentlich – und das ist ebenso narürlich und gehört zum menschsein !!!“ (sic.)
Die Diskussion ging weiter: Auf den Hinweis, dass der V-Day ein Aktionstag ist, der gegen die Gewalt gegen Frauen eingeführt wurde, kam die Antwort: „so ein Unsinn – als ob ein weibliches Geschlechtsteil, öffentlich gezeigt, Gewalt gegen Frauen reduzieren würde – wie naiv ist denn das ! …. das bewirkt höchstens genau das Gegenteil – und geilt gewisse Männer höchstens auf !“ (sic.)
Mit immer größerer Verwunderung bin ich dieser Diskussion gefolgt. Und war mehrfach erstaunt. Auch über die sehr reflektierten Ausführungen und Wortmeldungen.
Die apotropäische Wirkung
Dazu nun auch einige Anmerkungen von mir: Zum einen steht das V für „Victory over Violence“.
Zum anderen natürlich auch für Vulva und Vagina.
Warum ist das so wichtig?
Das zeigt mir genau die heftige Reaktion dieser empörten Frau auf Facebook.
Geht´s eigentlich noch ordinärer?
Solange Frauen alles, was mit dem „Tor zum Leben“ als ordinär empfinden, gibt es noch viel Aufhol- und Erklärungsbedarf.
Warum wurden in zahlreichen Mythen und auch auf Darstellungen Vulven offen zur Schau gestellt?
Es handelt sich dabei um sogenannte apotropäische Zeichen.
Apotropäisch bedeutet: Dämonen fernhaltend, Unheil abwendend.
Es handelt sich vor allem auch um Maßnahmen im Rahmen eines Abwehrzaubers, mit denen schädigender Zauber ferngehalten oder unwirksam gemacht werden soll.
In den Mythen finden wir die „magische Vulva“ im antiken Griechenland, wo Baubo der um ihre Tochter trauernden Demeter ihre Vulva zeigt und aus dieser spricht. Durch diese Handlung konnte Persephone schließlich aus der Unterwelt befreit werden.
Als sich im alten Japan die Sonnengöttin Amaterasu in eine dunkle Höhle zurückzog und alle Fruchtbarkeit auf der Erde erlosch gelang es einzig Ama no Uzume mit einem verrückten, schamlosen Tanz, bei dem sie ihre Brüste und Genitalien entblößte, die Sonnengöttin wieder aus ihrer Höhle zu locken und das Leben auf Erden konnte weitergehen.
Wir finden auf vielen Kirchen und Klöstern vor allem in Irland und England die Reliefs von Sheela-na-Gig-Figuren, die weit gespreizt ihre Vulva präsentiert.
Und auch wenn wir hierzulande Kirchen anschauen –Vulven allerorts. Als Beispiel sei nur der Wiener Stephansdom genannt, auf dem neben dem Riesentor auf einer Halbreliefsäule eine eindeutige Vulva zu sehen ist. Und genau über dem Tor Jesus in einer großen eindeutig vulvenförmigen Mandorla sitzt.
Wozu das Ganze? Gerade auf Kirchen?
Man hatte immer die Befürchtung, dass das Böse (Tod und Teufel) in die Kirche hineinkommen können.
Das Böse ist das Lebens-Zerstörende. Und dem wirkungsvoll entgegen gehalten wurde das Lebens-Schaffende. Und das ist nun einmal das „Tor ins Leben“, durch das eben das Leben herauskommt.
Es ist das allerstärkste apotropäische Symbol, das es gibt.
Dort, wo Leben entsteht, dort hat der Tod seinen Auftrag verloren. Das schreckt sogar den Teufel und alle Dämonen. Da gibt es einige alte Volkssagen dazu!
Was genau ist ordinär?
Und noch eine kleine Anmerkung zum Wort „ordinär“. Die Bedeutung ist ja ursprünglich „gewöhnlich“ (im Sinn von „normal“), „alltäglich“, „ordnungsgemäß“, „in der Ordnung“ oder „ordentlich“.
Erst später bekam es die Bedeutung „unanständig“.
Ja, Vulva und Vagina sind „ordinär“ – nämlich schwer in Ordnung und absolut alltäglich. Die Hälfte der Menschheit hat eine. Und wenn diese nicht wären, dann wären wir alle nicht am Leben.
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Mehr Informationen zu den erwähnten Göttinnen:
Ama no Uzume
Amaterasu
Baubo
Demeter
Sheela-na-gig
Bildquellen:
artedea.net
Sheela-na-Gig an der Church of St Mary and St David in Kilpeck, Herefordshire / Pryderi / de.wikipedia.org
Pingback: Vulva und Vagina – apotropäisch und ordinär | Oh Göttin – Kon/Spira[l]
Ja, es gibt noch viel Aufklärungsbedarf! Mich erschreckt es noch immer wie patriarchal Frauen denken. Okay, daran würde Jahrhunderte lang gefeilt, umso wichtiger ist es auch dieses ins Bewusstsein zu holen.
Herzlichst, Ulli