Wei­ber-Fast­nacht: Starke Frauenkraft im Fasching

Der gesamte Monat Feb­ruar wurde früher „Weiber­monat“ ge­nannt.
Im Engli­schen heißt noch heu­te der Licht­mess­tag am 2. Februar „wives-feast-day“.
Fragmente die­ser Frauen­kraft sind noch erhal­ten, sie er­in­nern an die Zei­ten, in denen im Februar noch einer Frucht­bar­keitsgöt­tin ge­huldigt wurde, die ihre starke und selbstbestimmte Kraft den Frauen über­trug.
So waren beispielsweise im antiken Rom die Festivitä­ten zu Eh­ren der Feb­rua­ta – die Lupercalia („Fest der Wöl­fin”) sehr sinnesfreudig. Speziell Frauen ha­ben – der Überlieferung nach – bei diesen Fes­ten die Wie­derkehr des Le­bens nach dem lan­gen Winter aus­gie­big in sexuel­ler Frei­zü­gig­keit und mit „or­gia­sti­schen Ri­ten“ ge­feiert. Tabus waren ausgeschalten.
Und nicht von ungefähr ist die auch „närrische Zeit“ des Faschings genau im Februar.
Und daher können wir bei Faschings- bzw. Fastnachtsumzügen im Februar noch gut Fragmente dieser alten Frauenkraft erkennen:
Der Don­ners­tag vor dem Aschermittwoch ist vie­len­orts als Wei­ber-Fast­nacht be­kannt, in der Frauen offi­ziell das Re­gi­ment in den Städ­ten und Dör­fern über­neh­men.

Möhnen und Mötzen

Vielerorts haben sich dabei Frauen als alte und hässliche Weiber verkleidet und maskiert, haben den Männern Haushalt und Kinder überlassen und unter sich gefeiert. Aus dieser Tradition heraus haben sich im Rheinland die Möhnenvereine gegründet.
Das Wort „Möhn/Möhne“ kommt von „Muhme“ und bezeichnete im westmitteldeutschen Sprachraum bis etwa 1880 eine weibliche Verwandte von Mutterseite. Die Weiber-Fastnacht, in manchen Gegenden des Rheinlands „Altweiber“ genannt, ist der traditionelle Höhepunkt und wichtigster Tag im Jahr für die Möhnen.
In vielen Orten ziehen die Möhnen bereits am frühen Morgen in Verkleidung feiernd und lärmend durch ihren Heimatort, ziehen durch Geschäfte und versperren mitunter Straßen.
Die Obermöhn ist bei diesen Damenkomitees die Präsidentin, sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie wortgewandt und besonders scharfzüngig ist, damit sagt sie den Machthabenden ordentlich die Meinung.

Beim traditio­nel­len Köl­ner Kar­neval reißen sich Frauen bei der Weiber-Fast­nacht gegenseitig die Hau­ben vom Kopf, was man Möt­zen­be­stohl nennt. Das berichtet bereits die „Närrische Bibel – Der Carneval in Köln vor 1823“.
Die Haube als Zei­chen der ver­hei­rate­ten Frauen, die ja unter eine solche sprich­wört­lich gekommen sind, wird her­unter ge­ris­sen, damit die Frau of­fen­sicht­lich nicht als Ehefrau zu erken­nen ist oder sich nicht als sol­che fühlt.
Aus dem Ale­man­ni­schen ist der Brauch des Wei­ber­tanzes über­lie­fert, wo es of­fen­bar recht feucht-fröh­lich zu­geht und ver­hei­ra­tete Frauen es mit Ge­sang und Tanz im berausch­ten Zustand toll trei­ben und sich teil­weise so­gar ent­blößen. Diese Ent­blö­ßung betraf frü­her vor allem auch die Haare.
All das erinnert noch an das mit­un­ter promis­kui­ti­ve Trei­ben wie im Al­ten Rom bei den Fes­ten der Februata. Und an das uralte Recht der Frauen, selbstbestimmt ihr Sexualität zu leben.

Am schmutzigen Donnerstag wird nicht gewaschen

Im Bonner Stadtteil Beuel ruhte einen Tag im Jahr die Arbeit in den Wäschereien, und zwar am Donnerstag vor Aschermittwoch. 1824 schlossen sich die Beueler Wäscherinnen zum Alten Damenkomitee von 1824 e. V. zusammen, um eine Teilnahme am bislang rein männlichen Karneval zu erfechten. Im großen Weiberfastnachtsumzug stürmt die Wäscheprinzessin mit ihrem Damenkomitee das Beueler Rathaus und übernimmt symbolisch die Macht. Daher heißt dieser Tag auch „schmutziger Donnerstag“ weil ja nicht gewaschen wurde. Der „schmotzige Donnerstag“ hingegen rührt vom hochalemannischen Wort Schmotz = Fett, Schmalz. An diesem Tag werden vielerorts (besonders im allemannischen Raum) die in Fett gebackenen „Fasnetsküchle“ (ein Hefegebäck gefüllt mit Marmelade) gegessen. Ein letztes sättigendes Essen vor der Fastenzeit. Karneval hat übrigens seinen Wortstamm im  lateinischen „carnem“ + „levare“ → das Fleisch wegnehmen bzw. hochheben, was auf das Fleischverbot zur Fastenzeit hinweist.

Beim Wei­ber­fest in Ir­land feiern Frauen am 1. Februar sich selbst, in­dem sie köst­li­che Mahl­zei­ten zuberei­ten und ge­mein­sam ver­spei­sen.
In Flandern wird der Fa­schings­sams­tag auch Frauen­sams­tag genannt.

In vielen Faschingsumzügen gehen oft auch Frauengruppen mit, die an He­xen erin­nern. Diese heil-und kräuter­kun­di­gen Frauen wa­ren ja im­mer mit den Kräf­ten der Erde und der Na­tur ver­bunden.
Diese „Hexen“ erscheinen mit freund­li­chem Gesicht, tragen sym­bo­lisch das erste frische Grün auf ihrer Kleidung. Oft füh­ren sie einen Kin­der­wagen mit sich – in die­sem be­fin­det sich der Frühling als neu­gebo­re­nes Kind.

Wütende Weiber einst und jetzt

Alte Weiber und Hexen – Frauen, die mit spitzer Zunge den Machthabenden die Meinung sagen, das erinnert mich auch an die „Omas gegen rechts“, eine zivilgesellschaftliche überparteiliche Initiative, die in Österreich im November 2017 gegründet wurde, allerdings nicht als Faschingsscherz, sondern um ihre Stimme zu den gefährlichen Problemen und Fragestellungen der heutigen Zeit zu erheben.
Ihre Vorfahrinnen, die jetzt bei den Faschingsumzügen so lustig erscheinen, haben ihre Vereine vermutlich aus ganz ähnlichen Beweggründen ins Leben gerufen – um gegen die vorherrschende, vor allem männliche, Macht zu demonstrieren.
Worauf diese historischen Frauenprotestbewegungen, die wir heute bei den Weiberfastnachtsumzügen sehen, sicher auch stolz sein würden: Auf ihre „Enkeltöchter“ – u.a. die Pussy Hats, die weltweit mit ihrem Markenzeichen, den rosa Wollmützen, bei Protestmärschen für Frauen- und Menschenrechte „Women’s March“ gegen Donald Trump und für Frauen- und Menschenrechte demonstrieren.
Oder die spontanen Protestauftritte der Pussy Riot oder der Aktivistinnen von „Femen“, deren Markenzeichen seit 2010 Oben-ohne-Aktionen sind, bei denen sie mit nacktem mit Parolen bemaltem Oberkörper und Blumenkränze im Haar protestieren.

Wie gut, dass es diese modernen weiblichen Protestbewegungen gibt, wie gut, dass wir im Fasching daran erinnert werden, dass all das nicht neu ist und dass sich bereits unsere Ururgroßmütter nichts gefallen ließen …

 

Mehr zu den Ritualen, Festen und Göttinnen und zur Frauenkraft im Februar gibt es im artedea-E-Book:

Imbolc-Brigid-Lichtmess: Das Fest der beginnenden Frühlingskraft

 

Mehr Infos zur Göttin Februata

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Bildquellen:
Möhne in Düsseldorf, 2011 / de.wikipedia.org / Kürschner (talk)
carnival-646734_1280 / pixabay.com / domeckopol
Aktivistinnen, rechts Alexandra Schewtschenko, demonstrieren für Aliaa Magda Elmahdy, am 31. März 2012 in Paris / de.wikipedia.org / Joseph Paris

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Eine Antwort zu Wei­ber-Fast­nacht: Starke Frauenkraft im Fasching

  1. Hexesofia sagt:

    Sehr inspirierender Artikel danke!

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