In der Nacht des 16. Novembers wird traditionell die griechischen Göttin Hekate gefeiert.
Diese ist ja vor allem als dreigestaltige Göttin bekannt, die an Schwellen, Übergängen und Wegkreuzungen steht und über die Pforten zwischen den Welten wacht.
Dazu habe ich in diesem Blog schon 2014 einiges geschrieben. Daher möchte ich diesmal auf einen anderen sehr wichtigen Aspekt der Hekate hinweisen: Sie steht nämlich für die mütterlichen Worte der Macht.
Die Linie der griechischen Hekate lässt sich bis auf Heq zurück verfolgen, der Stammesmutter des vordynastischen Ägyptens. Und diese beherrschte die „Hekau“ oder die „mütterlichen Worte der Kraft“. Ursprünglich schrieb man Göttinnen die Fähigkeit zu, durch die Kraft des Wortes alles zu zerstören und wieder neu zu erschaffen zu können.
Mit Zauberworten und magischen Sprüchen, die Heq den HerrscherInnen einflüsterte, verlieh sie diesen vermutlich die Macht, zu herrschen.
Im Altgriechischen bedeutet „Hekau“ „Worte der Macht“, bzw. noch genauer „Worte der weiblichen Macht“, also jener Urmacht, die über allen anderen steht und die als Geburtsrecht allen Frauen zusteht.
Damit ist auch Hekate die personifizierte Magie des Wortes.
Und es ist klar: Worte haben Macht. Wir können mit ihnen schöpferisch wirken, bewahren, erhalten, schädigen, verletzen und sogar vernichten. Mit Worten lösen wir Gefühle der Hoffnung, des Vertrauens, der Liebe, der Begeisterung aus.
Worte können uns Kraft geben oder uns lähmen, in Aufruhr versetzen oder uns beruhigen.
Die Zauberworte
Ich liebe diese Zeilen von Joseph von Eichendorff:
Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort.
Was sind diese „Zauberworte“?
Zauberworte sind nicht nur eine Aneinanderreihung von Buchstaben, sondern sie lassen Bilder, Vorstellungen, Erinnerungen in unserem Kopf entstehen. Sie wirken sozusagen wie ein Schlüssel für jegliche weitere Kommunikation, daher auch der Begriff „Schlüsselworte“.
Das erleichtert uns, zu verstehen, was wirklich gemeint ist und sind Grundlage dafür, gut miteinander zu kommunizieren. Dann fällt es uns auch leicht, sinnvoll Anweisungen zu geben oder auf diese entsprechend zu reagieren oder die richtigen Antworten zu geben.
So bekommen die gesprochenen Worte Kraft und haben Macht.
Wo nimmst du deine Wort-Macht zurück?
Wie oft aber nehmen gerade Frauen ihre machtvollen Worte zurück oder ersticken sie gleich im Keim: Durch in-Frage-Stellungen ihrer eigenen Aussagen.
Ihr könnt diesen Hekate-Tag dazu benutzen, euch selbst und andere zu beobachten. Wie oft sagen wir: Vielleicht, eigentlich, sollte, könnte, wäre, sozusagen, irgendwie …
Wie oft benutzen wir Redewendungen wie: „meiner Meinung nach“, „ich finde, dass …“, „ich kann mich irren, aber …“, „ich glaube, dass …“ „sag ich mal“, „keine Ahnung“ ….
Naja, wenn du etwas bloß „nur mal so sagst“, wenn du signalisierst, dass du ohnehin „keine Ahnung“ hast – wie gewichtig ist dann das, was du zu sagen hast, wie wichtig ist der Standpunkt, den du einnimmst? Du sagst halt einfach irgendwas dahin, von dem du keine Ahnung hast. Wer sollte auf dich hören und dich Ernst nehmen?
Wie oft flüchten wir uns in Verallgemeinerungen, auch wenn wir jemanden ganz speziell oder eine konkrete Situation ansprechen wollen. Mit einem konkreten: „Ich möchte, dass du mir zuhörst“, erreichst du sicher mehr als mit einem schwammigen: „Niemand hört mir zu“.
Es kann richtig Spaß machen, solche Generalisierungen aufzudecken, sie enthalten Worte wie: immer, alle, nie, keine, dauernd, überall, niemand, jeder, man.
Ersetzen wir diese doch mit konkreten Aussagen und geben wir unserer Sprache damit Kraft und Macht – z.B.: Heute, nächstes Jahr, am Wochenende. Nennen wir auch konkrete Namen oder sprechen wir die, die wir meinen auch direkt an: Susanne, Fritz, Herr Maier, du …
Die prägende Muttersprache
Gut ist es auch, die Worte der „Muttersprache“ zu überprüfen. Damit meine ich wirklich das, was die Mutter (kann auch die Großmutter, eine Tante oder eine andere wichtige Bezugsperson in der Kindheit sein) gesagt hat.
Was war förderlich, was war hinderlich? Was wirkt immer noch?
Hast du eher gehört: „Das wird schon werden.“ Oder: „So wird das nie was.“
Denn unsere Muttersprache bestimmt nachhaltig unsere Denkmuster. Wenn wir diese Machtworte, diese mächtigen Worte nicht reflektieren, sobald wir erwachsen geworden sind, werden sie unser gesamtes Leben beeinflussen und prägen.
Und: Was sagen wir unseren Kindern? Welche kraftvollen Worte geben wir ihnen auf ihren Lebensweg mit?
All das sind Hekate-Themen!
Wir brauchen „Worte der Macht“, „Worte der Kraft“ besonders dann, wenn wir etwas ausdrücken wollen, das uns wirklich wichtig ist.
Und es macht einen Unterschied ob ich sage:
„Ich bin dumm.“ oder „Ich bin im Lernen begriffen.“
„Ich bin am Ende meiner Kräfte.“ oder „Ich brauche Ruhe, um neue Kraft zu schöpfen.“
„Das nervt mich.“ oder „Was ich jetzt brauche, ist …“
„Sie sind ein Versager.“ oder „Sie können ihr Potential noch viel besser ausschöpfen.“
Gerade wenn wir (verbal) angegriffen werden, verschlägt es uns ja oft die Rede. Was logisch ist. Unser Stammhirn, der älteste und am tiefsten liegende Teil des menschlichen Gehirns, kann nicht unterscheiden, welche Art von Angriff das jetzt ist. Kommt gerade der Säbelzahntiger aus dem Gebüsch oder biegt nur der Chef um die Ecke, der schlechte Laune hat?
Das Gehirn schaltet auf jeden Fall auf den Gefahren-Modus und alles Blut fließt vom Kopf in die Arme und Beine, um schneller davonrennen oder härter zuschlagen zu können.
Eine halbe Stunde später, wenn schon längst alles vorbei ist, fällt uns dann die Antwort ein, die so treffend, so passend, so schlagfertig gewesen wäre. Eh klar, da ist dann ja auch wieder das Blut im Kopf.
Hier hilft es, sich mit der Kraft der Hekate zu verbinden.
Gut ist es, ganz persönliche Machtworte zu haben!
Worte, die uns stärken, positive Gefühle in uns auslösen, die uns aufrichten (auch körperlich).
Diese gilt es zu finden! Und zu trainieren, damit sie auch in unangenehmen Situationen ganz selbstverständlich in unserem Kopf sind.
An diesem Hekate-Tag kannst du damit anfangen. Schreibe eine Liste mit deinen Lieblingsworten – und suche dir vorerst jene drei aus, die du als deine persönlichen „Hekau“, als deine Zauber-, Kraft und Machtworte am geeignetsten findest.
Und dann spiele mit ihnen: Flüstere sie, schreie sie in den Wind, male sie mit bunten Stiften auf Papier, singe sie, nimm sie mit in deine Träume, murmle sie, wenn du fröhlich bist, zeichne sie in den Sand, gib ihnen einen körperlichen Ausdruck, eine Körperbewegung, schreibe sie auf kleine Zettel, die du dir in die Jackentasche steckst oder auf den Badezimmerspiegel heftest …
Denn was alte Göttinnen konnten, das kannst du auch! Mit Worten (be-)zaubern, dich kraftvoll ausdrücken, dir Gehör verschaffen, die Welt zum singen zu bringen …
eines meiner Lieblingsgedichte zum Thema Wort:
Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort
Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.
Sie sprechen alles so deutlich aus:
Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,
und hier ist Beginn und das Ende ist dort.
Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,
sie wissen alles, was wird und war;
kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;
ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.
Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich so gern.
Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.
Ihr bringt mir alle die Dinge um.
Rainer Maria Rilke, 21.11.1898, Berlin-Wilmersdorf