Vor 5 Jahren schrieb ich auf diesem Blog, dass mir zum Weltfrauentag eigentlich nur einfällt, dass ich hoffe noch zu erleben, dass er abgeschafft wird, weil er einfach nicht mehr NOT-wendig ist.
Ich schrieb, dass ich es da wie Luisa Francia halte, die in ihrem Blog salamandra.de sagt: „Ich feiere den Frauentag nicht, ich nehme mir die anderen 364 Tage…”
Und dennoch ist mir jedes Jahr noch etwas eingefallen zu diesem 8. März, dem Weltfrauentag.
Aktuell z.B. gibt es in Österreich eine Diskussion um Feiertage.
Soll der Karfreitag ein Feiertag für alle und der 1. Mai daher ein Arbeitstag sein? Tauschen wir einen christlichen gegen einen sozialdemokratischen Feiertag?
Warum eigentlich wird in dieser Diskussion nie der 8. März erwähnt?
Der Weltfrauentag ist in anderen Ländern, wie in Angola, Armenien, Aserbaidschan, Burkina Faso, Eritrea, Georgien, Guinea-Bissau, Kasachstan, Kambodscha, Kirgisistan, Kuba, Laos, Madagaskar, Moldau, in der Mongolei, in Nordkorea, Nepal, Russland, Sambia, Tadschikistan, Turkmenistan, Uganda, in der Ukraine, in Usbekistan, Vietnam und Weißrussland ein gesetzlicher Feiertag.
Und 2019 zum ersten Mal auch in Berlin!
In Österreich ist dies nicht einmal Diskussionsgegenstand.
Bitte versteht mich jetzt nicht falsch. Ich will nicht, dass wir uns mit einem Feiertag abspeisen lassen, es gibt so wichtige Forderungen, die die Frauen schon vor über hundert Jahren formuliert haben und die immer noch nicht erfüllt sind.
Aber der 8. März als Feiertag – das wäre schon ein Zeichen. Besonders wenn dieser nur für Frauen gelten würde.
Oh da höre ich schon: Diskriminierung! Das ist gegen das Gleichbehandlungsgesetz! Ja eh.
Vorschlag: Den 8. März solange als offiziellen Frauenfeiertag erklären, bis auf allen privaten, beruflichen, sozialen und politischen und Entscheidungsebenen Frauen und Männer völlig gleichwertig und gleichwürdig sind.
Dann von mir aus könnte der 8. März ein Feiertag für alle sein.
„Wir wollen nicht ein Stück vom Kuchen,
wir wollen die ganze Bäckerei.“
Die deutsche Frauenrechtlerin Clara Zetkin, die 1910 anlässlich des zweiten Kongresses der Sozialistischen Internationalen in Kopenhagen vorschlug, jährlich einen Internationalen Frauentag zu begehen, forderte:
„Keine Sonderrechte, sondern Menschenrechte“.
Und damit hat sie es auf den Punkt gebracht.
Und deshalb gefällt mir auch der Kuchen-Bäckerei-Spruch.
Frauen wollen und fordern die ganze Bäckerei, damit endlich für alle gleich viel und in gleicher Qualität gebacken wird.
Oder weniger metaphorisch: Wir wollen eine Gesellschaft, in der Geschlechtergerechtigkeit, in der die vollkommene politische, soziale und ökonomische Gleichstellung von Frauen und Männern jeglicher sozialen Schicht, ethnischer Herkunft, sexuellen Orientierung, jeglichen Alters selbstverständlich ist.
Zurück in alte Rollenklischees
Weltweit gewinnt die politische Rechte an Boden in der Gesellschaft. Damit geht ein dramatischer Backlash zu einem reaktionären Familien- und Frauenbild einher: Vorherrschend wird wieder immer mehr die zweigeschlechtliche Kleinfamilie als „Keimzelle der Gesellschaft“ mit klassischer Rollenverteilung.
Gesetze zur Abtreibung, zu Quoten, homosexueller Lebensweisen werden in vielen europäischen Staaten aufgeweicht oder bekämpft. Reaktionäre Parolen drängen Menschen in Rollenklischees, die wir schon längst als überwunden geglaubt haben.
Die türkis-blaue Regierung hat in Österreich Frauenprojekten massiv das Budget gekürzt.
Mitbestimmung und Selbstbestimmung werden neoliberalen Interessen geopfert, kapitalistische Gewinnmaximierung steht gegen die gerechte Verteilung von Arbeit und Lohn.
Vom neuen sozial unausgewogenen Familienbonus, der als Prestigeprojekt der aktuellen österreichischen Regierung gilt, profitieren klar Besserverdienende.
Verliererinnen sind überwiegend Frauen, die sich ohnehin schon in prekären Lebenssituationen im oder am Rand der Armutsfalle befinden – und deren Kinder.
Oh ihr Urmütter des Internationalen Frauentages, wie habt ihr euch die Zukunft in mehr als 100 Jahren vorgestellt?
Es gibt noch so viel zu tun.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen kämpferischen Weltfrauentag.
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Bildquellen:
artedea.net
Clara Zetkin (1857-1933) – de.wikipedia.org
Familie – retro-2761856_1280 – ArtsyBee – pixabay.com
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Genau. Wir wollen die ganze Bäckerei, mit all den guten Dingen, die es darin gibt! Vielen Dank für die vielen Denkanstösse hier im Text. Als in Hamburg lebende Wienerin schäme ich mich manchmal ein bissl fremd für die Aktionen der aktuellen öster. Regierung. Aber hier in Deutschland ist es auch nicht viel besser. Mir ist z.B. schleierhaft, warum der Frauentag nur in Berlin ein Feiertag wird! Trotzdem, ich lebe seit 13 Jahren hier und fühle mich (immer noch) wohler als zuletzt in Wien.
Herzlichen Gruß aus der Handestadt!
Annette