Ich schaue ja immer wieder gerne in diverse Aufstellungen zu speziellen oder auch kuriosen Tagen, die irgendwo auf der Welt gefeiert werden.
Und siehe da: Da stoße ich doch glatt am 18. März auf den „Tag der Fruchtbarkeitsgöttin“.
Dieser hat seinen Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika. Wie bei so vielen anderen US-Feier- und Aktionstagen gilt leider auch im Falle des heutigen „Goddess of Fertility Day“, dass kaum etwas über seine Wurzeln bzw. Hintergründe bekannt ist.
Im Zentrum steht die griechische Aphrodite stellvertretend für die vielen anderen Fruchtbarkeitsgöttinnen.
Die meisten haben aus dem Geschichtsunterricht Aphrodite ja eher als Liebesgöttin in Erinnerung.
Schauen wir uns aber den „Werdegang“ dieser Göttin im Verlauf der griechischen Mythologie etwas näher an, können wir schnell feststellen, dass sie als allumfassende Göttin ursprünglich für das Wachstum und Entstehen von Leben zuständig war. Das gilt für die gesamte Vegetation, wie auch für menschliches Leben.
Sie war die alte Muttergöttin des östlichen Mittelmeerraums. Als diese behütete sie die gesamte Natur mit allen ihren Erscheinungsformen und war damit nicht nur die erschaffende und bewahrende, sondern auch die zerstörerische Große Göttin. Sie gebietet über Geburt, Tod und Wiedergeburt, über Zeit und Schicksal sowie über den Krieg.
Die zerstückelte Göttin
In Verruf geraten ist Aphrodite durch diesen unseligen Streit, der letztendlich den Trojanischen Krieg ausgelöst hat. Eine zutiefst patriarchale Geschichte, die dazu angetan war, drei allumfassende Göttinnen – Hera, Athena und Aphrodite – zu zerstückeln und auf einzelne Aspekte zu reduzieren. (Die ganze Geschichte ist HIER nachzulesen).
Im Zuge dessen wurde Aphrodite auf eine erotisch-verführerische Liebesgöttin reduziert und all ihre andere wichtigen Eigenschaften, allen voran der Fruchtbarkeitsaspekt unter den Teppich gekehrt.
Nun aber wird sie durch den „Tag der Fruchtbarkeitsgöttin“ geehrt und das ist gut so.
Die den meisten bekannte Göttin Aphrodite steht am 18. März für die vielen, vielen Göttinnen, die rund um den Erdball für Fruchtbarkeit zuständig waren.
Auf meiner Seite artedea.net gibt es ja ein Verzeichnis „Attribute und Eigenschaften, Zuständigkeiten und mythologische Zuordnungen der Göttinnen“.
Hier findet ihr alles von „Abenddämmerung“ bis „Zyklen“, wofür Göttinnen verehrt und angerufen wurden, wofür sie zuständig, für welche Spezialgebiete sie verantwortlich waren.
Fruchtbarkeit – das zentrale Thema der Menschheitsgeschichte
Es ist kaum verwunderlich, dass unter dem Thema „Fruchtbarkeit“ mit Abstand die meisten Göttinnen zu finden sind – von Abnoba bis Ziva.
War Fruchtbarkeit doch über die Jahrtausende der Menschheitsgeschichte das zentrale Thema.
Dabei ging es nicht nur um die eigene Fortpflanzung und damit um die Erhaltung bzw. Vergrößerung des Stammes oder der Lebensgemeinschaften.
Früh beschäftigten sich Menschen mit Methoden, den Boden fruchtbar zu erhalten oder dessen Fruchtbarkeit zu steigern. Nur durch fruchtbare Boden können nachhaltig gute Erträge und eine hohe Pflanzengesundheit erzielt werden. Das war für das Überleben der Menschen von allergrößter Bedeutung.
Nicht von ungefähr wurde und wird vielerorts die Erde als Mutter verehrt. Ihre Fruchtbarkeit speist sich aus dem Boden, der Grundlage des Lebens.
Ebenso wichtig war die Fruchtbarkeit der Tiere mit denen Menschen zusammen lebten. Auch dafür gibt es viele Göttinnen und für diese Rituale.
Das Eingreifen in die Natur
Fruchtbarkeitskulte für Pflanzen, Tieren und Menschen zählen zu den ältesten ritualisierten religiösen Handlungen.
Allerdings sind diese auch kritisch zu betrachten. Denn viele indigene Gesellschaften, in denen Menschen mit Tieren und Pflanzen ihr Leben teilen, praktizierten eher Geburtenregelung, um die Balance zwischen allen Lebensformen aufrecht zu erhalten.
Kulte in denen die Fruchtbarkeit beschworen wird, werden hingegen oftmals von patriarchalen Kulturen praktiziert.
Dazu beispielsweise die Aufträge des patriarchalen Gottes aus der Bibel:
„Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde.“ Das gilt allerdings nur für das „auserwählte Volk Gottes“, denn Gott segnete mit diesen Worten Noah und seine Söhne. (1.Mose 9,1-17). Da ging es um die Macht eines einzelnen Stammes, der sich auf Kosten aller anderer ausbreiten soll.
In der Schöpfungsgeschichte (1.Mose 1,28) setzt der patriarchale Gott dann noch nach:
„ … und füllt die Erde und macht sie euch untertan und herrscht über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht.“
Sehr g’schmackig auch, was Gottvater Noah verspricht: „Und Furcht vor euch und Schrecken vor euch wird weiterhin auf jedem lebenden Geschöpf der Erde und auf jedem fliegenden Geschöpf der Himmel sein, auf allem, was sich auf dem Erdboden regt, und auf allen Fischen des Meeres. In eure Hand sind sie jetzt gegeben.“
Tja, da bekommt die Fruchtbarkeit schon die (wortwörtlich furchtbare) Richtung, die wir leider auch kennen, wo Züchter in den Zyklus der Natur ausbeuterisch eingreifen und für den Profit Einzelner Mensch und Tier eine neue Ordnung aufzwingen.
Die Prozession der Nerthus im Frühling
Doch davon wollen wir uns jetzt auch nicht den Fruchtbarkeitsgöttinnen-Tag vermiesen lassen, an dem das weibliche Prinzip geehrt wird, das Leben formt und hervorbringt und nährt – mit einer großen Selbstverständlichkeit.
Warum dieser Tag auf den 18. März, also knapp vor Frühlingsbeginn, fällt, erklärt sich wahrscheinlich daraus, dass jetzt die aufkeimende Fruchtbarkeit in der Natur so gut zu spüren ist.
Sehr anschaulich wird das auch im Mythos der nordisch-germanischen Göttin Nerthus, die in einem heiligen Hain auf einer Insel verehrt wurde. Jeweils zu Frühlingsbeginn wurde von dieser Insel ein heiliger Wagen an Land geschifft.
Auf diesem befand sich die Göttin, wahrscheinlich in Person einer Priesterin.
Sie war bedeckt, niemand durfte sie sehen. Gezogen wurde der Wagen von heiligen Kühen.
Er fuhr über das ganze Land und durch die verschiedener Stammesterritorien.
Nerthus brachte damit den Menschen und der gesamten Natur nach dem langen und entbehrungsreichen Winter neuen Lebensmut und Fruchtbarkeit.
Dieser Umzug diente auch dazu, den Feldern Fruchtbarkeit zu bringen, damit es in dem jeweiligen Jahreszyklus ertragreiche Ernten gibt. Und diese Zeit war auch wichtig, um den verschiedenen Stämmen Frieden oder zumindest ein wenig Ruhe in Form eines Waffenstillstands zu verschaffen. Denn niemand durfte streiten, keine Waffe durfte ergriffen werden, solange Nerthus unterwegs war.
Begleitet wurde die Göttin von einem Priester als „Vertreter des Gottes“. Es kann vermutet werden, dass Priesterin und Priester bzw. Göttin und Gott eine „Heilige Hochzeit“ eingingen. Und sich damit von „höchster Ebene“ die Fruchtbarkeit auf das gesamte Land und alle Menschen ausbreiten möge.
Diese Prozession zog sich mehrere Wochen und Monate durch das Land und begann zum Fest der Ostara (Frühlingsbeginn) an der Küste und endete dort auch wieder in etwa zum Maifest (kelt.: Beltane) mit einem gigantischen Volksfest, zu welchem VertreterInnen aller verehrenden Stämme anreisten.
Damit wünsche ich euch Fruchtbarkeit gerade dort, wo ihr sie gerne hättet, tatsächlich im biologischen, aber auch im übertragenen Sinne für alle eure Projekte und Vorhaben, die wachsen und gedeihen sollen.
Mehr Infos zu den erwähnten Göttinnen:
Abnoba
Aphrodite
Athena
Hera
Nerthus
Ostara
Ziva