Ende Mai, laut einigen Quellen exakt am 29. Mai, wurde im antiken Rom Ambarvalia gefeiert. Ein Fest zu Ehren der Göttin Ceres bzw. Dea Dia.
Der Name gibt Aufschluss darüber, was hier wohl getan wurde: lateinisch „amb-“ bedeutet „um, herum“, „arvum“ ist „Feld bzw. Acker“. Es gab hier sogenannte Lustrationsriten – „lustrieren“ bedeutet „ringsumgehen“. Die Ambarvalia waren also Feldumgänge bzw. Prozessionen rund um die Felder, deren Früchte sich nun – Ende Mai – in einer wichtigen Wachstumsphase befinden. Die „neue Früchte“ sind noch grün und es gibt schon deutlich sichtbare Halme, aber bis zur Ernte kann noch viel geschehen.
Entschuldigung an die Gottheiten
Die Arbeit wurde an diesem Festtag niedergelegt. Die bäuerlichen Familien trugen weiße Kleidung und einen Olivenkränze auf dem Haupt.
Die Menschen wandten sich dabei mit einer Entschuldigung an allen Gottheiten, die man vielleicht im Laufe des Jahres beleidigt haben könnte, weil man befürchtete, dass diese dem Gedeihen der Felder schaden konnten.
Dabei gab es an den Gott Mars gerichtete Lieder, mit denen man dessen verderbliche Macht fernzuhalten versuchte. Auch die Semones und die Lares wurden mit Gesängen beschworen. Die Semones sind Erdgottheiten, die vor allem mit dem Gedeihen der Saat in Zusammenhang gebracht werden. Die Lares sind Schutzgottheiten, die ursprünglich als die Geister der Toten, die in der Erde vergraben waren, angesehen wurden.
Ganz besonders standen die Ambarvalia im Zeichen der Fruchtbarkeits-, Acker und Erntegöttin Ceres. In Vergils Georgica heißt es, dass zum Segen der jungen Früchte das Feld dreimal umschritten wurde.
Das lässt auf die Göttin in ihrer dreifachen Form schließen – die junge, die fruchtbare und die weise Alte. Und auch bei den Zyklen der Natur sind diese drei Phasen wichtig, damit die Ernte den erhofften Erfolg bringt.
Diese Festivitäten sind in zahlreichen Schriften u.a. bei Servius, Macrobius, Cato oder Vergil erwähnt.
Während Vergil diese Rituale ausschließlich auf das Gedeihen des Getreides bezieht, beschreibt Cato die Feste in einem komplexen Zusammenhang, der sich auf das gesamte bäuerliche Anwesen und den Schutz desselben.
Die Kulthandlungen der Arval-Brüder
Einen besonderen Bezug zu diesem Fest hatten die sogenannten Arval-Brüder, die „Fratres Arvales“, einer Priesterschaft von zwölf Priestern, die die Erd- und Ackergöttin Dea Dia verehrten.
Deren Name leitet sich vom lateinischen Wort „arvum“ ab, was Acker oder Feld bedeutet. Die ersten Arvalbrüder sollen die zwölf Söhne der Göttin Acca Larentia gewesen sein, die auch als Mutter der ursprünglichen Totengeister Lares gilt, die aber später zu jenen guten Geistern wurden, die Äcker und Felder und auch den Haushalt beschützen.
Später ging die Verehrung der Arvalbrüder auf Dea Dia über: Dea bedeutet einfach Göttin und ist daher mehr ein Titel als ein Name. Dia hingegen hat die gleiche Sprachwurzel wie Diana, deren Verbundenheit mit der Natur zentrales Element ihres Mythos ist.
Fest zur Entwicklung jeden Lebens
Dea Dia wird allerdings oft mit der Göttin Ceres, manchmal auch mit Tellus Mater, Ops, Hebe oder eben auch mit Acca Larentia gleichgesetzt – also einfach all den Wachstums- und Lebensgöttinnen, deren unendliches, nährendes Reich sich auf den Feldern und Fluren erstreckt.
Aus dem Archiv der Arvalbrüder stammen Informationen zu den Kulthandlungen, aufgezeichnet auf Tafeln, die man 1570, 1699, 1866 in den Grundmauern des Tempels der Dea Dia entdeckt hat.
Diese rituellen Handlungen zielten vor allem auf die Fruchtbarkeit der Felder und der reifenden Saat ab und waren daher auch untrennbar mit dem Wohlergehen Roms verbunden. Im erweiterten Sinn geht es auch um die Fruchtbarkeit der Erde und die Entwicklung jeden Lebens.
So wissen wir, dass auch die „Fratres Arvales“ alljährlich Ende Mai bzw. Anfang Juni die „Ambarvalia“ veranstalteten, das dreitägige Hauptfest der Göttin.
Der Überlieferung nach beinhalteten diese „Ambarvalia“ u.a. Zeremonien mit Weihegaben in Form von Weihrauch und Wein. Am ersten Festtag wurden rituell geweihte ausgedörrte und frische Ähren berührt und mit Lorbeer bekränzte geweihte Brote verteilt. Zu Sonnenaufgang wurden Früchte, Räucherwerk und Wein dargebracht und die Statue der Göttin rituell gesalbt.
Im übertragenen Sinne können wir diese alten Riten der Ambarvalia wieder aufleben lassen, um auf unsere Art und Weise heranreifende Projekte zu segnen, sie in diesem zarten Stadium der Reife zu schützen und uns an alle guten – internen und externen – Kräfte zu wenden, die dazu beitragen, dass das Ergebnis einer guten Ernte so eintrifft, wie wir es uns wünschen.
Mehr Infos zu den erwähnten Göttinnen:
Acca Larentia
Ceres
Dea Dia
Diana
Hebe
Ops
Tellus Mater