1. September: Metereologisch beginnt heute der Herbst.
Zeit also, sich den Herbstgöttinnen zuzuwenden.
Diese Zeit des Jahres ist symbolisiert durch die Göttin als reife Frau und Mutter. Wir freuen uns über die Qualität und die Gaben dieser üppigen, mütterlichen, beschenkenden und großzügigen Ernte-, Erd- und Muttergöttinnen.
Bei uns steht in den Mythen die Kornmutter im Mittelpunkt, die z.B. in Indien als Reismutter, bei den indigenen Völkern Nordamerikas als Maismutter und im alten Mitteleuropa als Roggenmuhme verehrt wurde.
Doch so üppig die Geschenke der Herbstgöttinnen sind, es schwingt auch immer die Mahnung an die Vergänglichkeit mit.
Wieviel Zeit bleibt?
Mit der griechischen Göttin Karpo wird Reife, Ernte und Herbst assoziiert. Mit ihren beiden Schwestern Thallo (Göttin des Blühens) und Auxo (Göttin des Wachsen) sichert sie die zyklischen Abläufe und die Ordnung der Natur und natürlich auch das Gedeihen und Wachstum der Pflanzen, die uns ernähren.
Sie ist aber auch die Göttin des richtigen Zeitpunkts: Denn am besten ist die Ernte dann, wenn die Früchte am höchsten Punkt ihrer Reife und noch nicht überreif sind. Oft muss es bei der Ernte auch schnell und effizient zugehen, bevor die Herbststürme über das Land ziehen, da gilt es, keine Zeit zu verlieren!
Ähnlich verhält es sich mit Tamfana, die als älteste belegte germanische Gottheit gilt.
Als Erd- bzw. Erntegöttin ist sie der Inbegriff der herbstlichen Erde. Bei ihren Tempeln bzw. Hainen wurden Herbst- bzw. Erntefeste abgehalten, die nach dem Bericht von Tacitus nächtliche ausgelassene Feste mit Bankett und Alkohol waren.
In den Nächten der Tamfana wurde aber auch der „Wechsel des Jahres“ begangen, also der Übergang vom Sommer zum Winter, die Einbringung der Ernte und die Aufnahme der Geister der Verstorbenen ins Reich der Toten.
Damit ist sie eine Gebieterin über die Zeit, bzw. auch die Gebieterin über das Abgemessene bzw. über das Zeitmaß.
Denn jetzt, wenn der September ins Land zieht, wenn der Herbst in der Luft liegt, beginnen wir die Endlichkeit zu spüren. Wie lange ist das Zeitmaß des Jahres, der Wärme und des Lichts und auch jenes des eigenen Lebens?
Wieviel Zeit bleibt uns noch. Wieviel Sommerzeit? Wieviel Lebenszeit?
Alles ist Teil des Ganzen
Die Feiern dieser Jahreszeit sind und waren also nicht nur von üppigen Erntedankfesten, sondern auch vom Thema Verlust und Trennung geprägt. Sehr gut kommt dies bei den sogenannten Eleusinischen Mysterien zum Ausdruck, die im antiken Griechenland alljährlich bis zum Jahr 381 im September abgehalten wurden. Bekannt sind diese Mysterienfestivitäten vor allem durch die Schilderungen Homers, der sie aber aus recht patriarchal-männlicher Sicht erzählt hat:
Nach der homerischen Fassung des Mythos blieb die mächtige Korngöttin Demeter im Herbst als trauernde Mutter zurück, die einem Übereinkommen nach jeweils für ein halbes Jahr ihre Tochter Persephone in die Unterwelt ziehen lassen musste.
Dieses Herbstritual wurde zum Klageritual über die Gewalt des Totengottes Hades. Allerdings gehörte die Macht, Leben zu nehmen, ursprünglich zum Bild einer Göttin, die auch das Leben hervorbrachte.
Die Herbstgöttinnen tragen immer die offensichtliche Dualität in sich: Nach der Zeit des Wachstums und der Reife folgt jene der Saatruhe. So gibt es kein „gut“ oder „schlecht“ in den Aspekten von „hell“ oder „dunkel“, von „heiß“ oder „kalt“, von Blühen und Gedeihen bzw. sich zurück zu ziehen. Alles ist Teil des Ganzen.
So auch die Natur, die sich der Persephone gleich für ein halbes Jahr in das Erdinnere zurückzieht. Kein Grund also für Demeter eine Wehklage anzustimmen, wie es uns die patriarchale Auslegung der Geschichte weismachen will.
Sehr bewusst können wir die Zeit, die jetzt mit dem Herbst beginnt, dafür nutzen, um wie Persephone den Gang in die Dunkelheit anzutreten – am besten in dem Bewusstsein, dass es ohne Dunkelheit kein Wachstum gibt.
Stell dich in den Herbstwind
All jene, denen die wegen der Vergänglichkeit der Natur ins Grüben kommen, können sich der japanischen Göttin Tatsuta Hime anvertrauen.
Denn sie ist die Göttin der Herbstwinde.
Sie verwandelt sich selbst in den Wind und vertreibt schwermütige Gedanken, wenn man sich der frischen Luft der Herbstwinde hingibt.
Sie webt auch gegen Ende des Sommers aus vielen von ihr eingefärbten Seidenfäden einen wunderschönen und kunterbunten Landschaftsteppich, mit dem sie uns Menschen erfreut und uns mit damit den Übergang in die dunkle Zeit verschönern will.
Es heißt, die satten geheimnisvoll glühenden Farbe des Herbstbrokates der Natur erinnert mit seinen Mustern an die Lebenslinien der Menschen. So kommt das wahre Muster erst im Herbst, am Lebensabend der Menschen zum Vorschein.
Kaum gewebt, verwandelt sich Tatsuta Hime aber auch schon in den Herbstwind und bläst ihr eigenes Werk in viele Stücke. Damit gemahnt sie wieder an die Zeit: Genieße das, was gerade ist, denn schon morgen kann alles schon vom Wind verweht sein.
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Dieser Blogbeitrag ist teilweise ein Auszug aus dem artedea-eBook
Herbstäquinox – Mabon:
Das Fest des Dankes und des Übergangs
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Mehr Informationen zu den erwähnten Göttinnen:
Auxo
Demeter
Karpo
Persephone
Tamfana
Tatsuta Hime
Thallo
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