Heute, am 4. August haben wir in Österreich den Equal Pension Day, also jenen Tag, an dem Männer im Durchschnitt bereits so viel Pension bekommen haben, wie Frauen bis zum Jahresende erhalten werden.
Die durchschnittliche Pensionshöhe von Männern beträgt im Schnitt 2.162 € pro Monat brutto, bei Frauen 1.285 € pro Monat brutto *. Der Gender Pension Gap beträgt somit unfassbare 40,55% – das sind 148 Tage, die Frauen weniger Pension bekommen als Männer.
Anders gerechnet: Für Frauen müsste das Kalenderjahr 513 Tage haben, um auf die gleiche Pensionshöhe zu kommen wie Männer.
Im Vergleich zum Vorjahr hat sich der Pensionsunterschied nur minimal verringert, da fiel dieser Tag auf den 3. August. Geht es in diesem Tempo weiter, braucht es noch etwa 100 Jahre, bis sich die Pensionslücke schließt. Fünf Generationen von Frauen (das sind etwa 100 Jahre) müssen darauf also noch warten.
Joblücken, Teilzeitjobs, Einkommensschere
Warum bekommen Frauen um so viel weniger Pension?
Ich ziehe hier das österreichische Pensionssystem heran: Dieses orientiert sich an Vollbeschäftigung ohne Erwerbsunterbrechungen.
Beides ist für die allermeisten Frauen eine reine Illusion. Frauen haben in ihrem Berufsleben Unterbrechungen, durch Kindererziehung und später oft auch, weil sie zu pflegende Angehörige betreuen.
Und: Frauen akzeptieren oft Teilzeitjobs, weil sie sonst ihre vielen anderen Verpflichtungen (Kinder, Haushalt etc.) nicht bewältigen könnten.
Da stellt sich in vielen Familien gar nicht die Frage, warum die Doppelt-, Drei- und Mehrfachbelastung bei der Frau und nicht beim Mann liegt.
Die Antwort: Männer verdienen einfach im Durchschnitt mehr (auch bei gleicher Ausbildung, Qualifikation, Berufserfahrung …). Frauen können daher meist mit ihrem Lohn für eine Vollzeitbeschäftigung nicht für das Familieneinkommen sorgen. Selbst wenn sich ihr Mann eine Familienzeit nehmen wollte.
Wenn Frauen nach ihrer Familienzeit ins Erwerbsleben zurückkehren, bekommen sie nach dieser „Lücke“ auch nicht wirklich lukrative Angebote. Währenddessen Männer schon hurtig die Karriereleiter hinaufgeklettert sind. Und welcher Mann ist im Bewerbungsgespräch schon mit der Killerfrage konfrontiert: „Was machen Sie, wenn Ihre Kinder krank werden?“
Ein weiteres Problem ist, dass Frauen häufig in Branchen mit niedrigeren Einkommen arbeiten.
All das führt dazu, dass Frauen armutsgefährdet sind. Die Einkommensschere, die sie in ihrer Berufslaufbahn haben, setzt sich im Alter dramatisch fort. In unserer so kritischen Zeit, in der alles rapide teurer wird, ist das speziell für alleinstehende Frauen dramatisch: Nicht nur für junge alleinerziehende Mütter, auch viele die im „wohlverdienten“ Ruhestand sind, können sich ihr ganz normales Leben nicht mehr leisten. Jede fünfte Frau über 60 lebt unterhalb der Armutsgrenze, Tendenz dank Teuerungskrise steigend.
Die Inflationsrate für Juni 2023 lag laut Statistik Austria bei 8,0 %. Etwaige Pensionserhöhungen kommen da nicht mit.
Einige Forderungen:
- Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Das ist übrigens eine Forderung der ersten Stunde, als 1909 der erste nationale Frauentag in den USA begangen wurde.
- Durchsetzung des Verbots von ungleicher Bezahlung für dieselbe Tätigkeit.
- Volle Lohntransparenz, damit Frauen wissen, was ihre männlichen Kollegen verdienen und ihnen womöglich vorenhalten wird.
- Starke finanzielle Anreize für Paare, die sich die Karenzzeit fair teilen bzw. verpflichtende Väterkarenz.
- Höhere Bewertung von Kindererziehungs- und Pflegezeiten für die Pensionsanrechnung.
- Flächendeckende Kinderbetreuung, vor allem auch in ländlichen Gebieten, wo die Lohnschere noch größer ist als in Städten. Und zwar auch am Nachmittag.
- Bessere Bewertung und Neubewertung von systemrelevanten Berufen (Reinigung, Handel, Gesundheitsberufe etc.)
- Mädchen und Frauen fördern, wo immer es geht.
- Keine einschränkenden Glaubenssätze in der Erziehung (z.B. zum Thema Familienarbeit)
- Töchter für MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, d.h. Biologie, Chemie, Physik, sowie Technik) begeistern und sie ermutigen, sich für Berufsfelder, die für Frauen untypisch sind, zu entscheiden.
- Gendergerechte Sprache pflegen – hören Mädchen immer nur „Arzt“, „Apotheker“, „Rechtsanwalt“, „Pilot“ etc. – wie sollen sie dann von klein auf checken, dass es auch Ärztinnen, Apothekerinnen, Rechtsanwältinnen, Pilotinnen gibt.
- Mädchen und junge Frauen bei der Entwicklung eigener Lebensentwürfe unterstützen, damit sie ihre Verhaltensweisen, Wünsche, Interessen nicht als unerfüllbare Utopien wahrnehmen.
- Wertschätzende Haltung gegenüber allen Frauen (Frauen machen einfach andere Frauen nicht schlecht!)
- Sich immer wieder bewusst machen, dass Frauen auf Strukturen, Prozesse und Situationen verändernd einwirken können und gemeinsam stark sind (am besten mit Vorbildwirkung für die Töchter).
- Grenzen im Kopf abbauen – bei sich selbst und anderen.
- Alle, die es in der Hand haben: Frauen (vor allem auch jungen) berufliche Chancen geben – bei der Einstellung und bei Karrieresprüngen.
- Unterstützende Frauennetzwerke bilden – für private, vor allem auch für berufliche Belange.
- Last but not least: Frauen und Mädchen mit weiblichen Vorbildern vertraut machen, auch was das „Gottesbild“ betrifft. Denn ist Gott ein Mann, dann sind auch alle Männer Götter.
Die vielen, vielen Göttinnen, die es schon lange vor dem patriarchalen monotheistischen Gott gibt, findet ihr auf artedea.net
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* Daten: Pensionsversicherungs-Jahresstatistik Dez. 2022, Berechnung: MA 23 – Wirtschaft, Arbeit und Statistik der Stadt Wien