Das traditionelle Jahreskreisfest Anfang August steht im Zeichen der „Schnitterin“.
Das kommt nicht von ungefähr, denn jetzt beginnt auch die Zeit der Getreide-Ernte.
Es ist von allem genug da – Getreide, Gemüse, Obst. Wir erleben die Natur in ihrer ganzen Fülle und gleichzeitig beginnt der Tod.
Die Pflanzen werden geschnitten und gepflückt, um uns das Weiterleben zu ermöglichen, der Sommer geht vorüber.
Hier mischt sich Freude über die Fülle mit Wehmut und Abschiednehmen.
Das sind die Aspekte, die beim Schnitterinfest, auch Lammas oder Lughnasad genannt, geehrt und gefeiert werden.
Wo braucht es einen „klaren Schnitt“?
Dieses Schnitterinnen-Fest erinnert uns an den Ausgleich von Geben und Nehmen, und auch daran, dass wir Menschen ein Bestandteil in diesem Gefüge sind.
Am besten erspüren und erfahren wir diese Qualität in der Natur, am Land im agrarischen Umfeld: Heute noch ist da ein wogendes goldgelbes Getreidefeld, wir haben noch den warmen, schweren Duft von reifem Weizen in der Nase. Und dann ist sie plötzlich da, die „Göttin mit der Sichel“ und wir finden uns auf einem niedergemähten, von der Sonne versengtem Feld wieder. Der Übergang erscheint uns hart und plötzlich. Mitten in der Fülle taucht die Zerstörung auf, die auch jede Ernte mit sich bringt, und die Göttin macht uns aufmerksam, dass die dunkle Jahreszeit näher kommt.
Sie schneidet auch im übertragenen Sinne alles: Nicht nur das Korn, auch Erwartungen, Gefühle, Beziehungen, Lebensumstände, in denen wir es uns gemütlich gemacht haben – Alles!
Was bedeutet das für uns?
Genauso wie die Ernte für die Bäuerinnen und Bauern nicht unerwartet kommt, brechen auch viele Zäsuren in unserem Leben nicht unerwartet und plötzlich über uns herein. Wir erkennen allerdings oft nicht die Zeichen, wollen uns nicht damit auseinandersetzen, was in unserem Leben schon längst überreif, ja sogar faulig ist, wo es einen klaren Schnitt braucht.
Die Schnitterin-Qualität dieser Zeit kann uns dabei unterstützen, sich dieser persönlichen „Ernte“ bzw. den notwendigen Maßnahmen des Be- und Abschneidens zu widmen.
Kleine Schnitte oder großflächiger Kahlschlag?
Jetzt ist energetisch eine gute Zeit, sich von all jenem zu trennen, was wir nicht mehr benötigen und uns damit in die Qualität der alten Göttin mit ihrer Sichel zu begeben:
Um alte Glaubenssätze, Gefühle oder nicht mehr aktuelle Ideen „abzuschneiden“, um uns von Lebensumständen zu lösen, die für uns nicht mehr förderlich sind oder von Lebensräumen, denen wir entwachsen sind, in denen wir uns nicht mehr wohl fühlen …
Es ist gut, hinzuspüren, wie das am besten zu geschehen hat: Radikal oder behutsam, mit kleinen Schnitten oder mit einem großflächigen Kahlschlag.
Bei diesem Fest werden auch alle „beschneidenden“ Göttinnen geehrt:
In vielen Kulturen gibt es dreifache Schicksalsgöttinnen.
Ein bekanntes Bild ist, dass eine den Lebensfaden spinnt, eine ihn webt und eine ihn – oft unter irrem Lachen – abschneidet wie z.B. Atropos, die schneidende Kraft der drei Moiren.
Interessant auch der Mythos der zwei aztekischen Göttinnen Xochiquetzal und Coatlicue, die mit ihren Energien die Bedeutung dieser Zeitqualität sehr gut veranschaulichen.
Xochiquetzal steht für Überfluss und Fülle. Sie verströmt sich und verschenkt sich. Alles, was mit ihr im Zusammenhang steht, ist üppig und voll prallen Lebens.
Also die pure August-Energie.
Damit fordert sie ihre Gegenspielerin heraus: Coatlicue – denn sie ist die große beschneidende Kraft. Mit dieser Kraft ist diese Göttin im ewigen Kreislauf des Lebens sehr bedeutend. Sie beschneidet die ausufernde Fülle der Xochiquetzal und sorgt damit, dass von einzelne Arten nicht zuviel da ist. Ihr Geschenk ist daher die Artenvielfalt. Damit bringt sie Fruchtbarkeit.
Der Preis für diese Fruchtbarkeit, die das Leben einer Art unterstützt und hervorbringt, ist allerdings der Tod oder das Zurückdrängen einer anderen Art.
Coatlicue zeigt sich nie als lieblich oder freundlich, sondern immer als streng und prüfend. Sie schaut genau, was überflüssig ist, wo irgend etwas „zuviel des Guten“ ist, welche Wesen oder Wesensanteile deswegen vernachlässigt werden, nicht zum Blühen und Wachsen gelangen können.
Führt Coatlicue ihr Messer einmal zu scharf, dann macht das in einem gesunden, funktionierenden Ökosystem nicht aus.
Denn die Kraft von Xochiquetzal liefert sozusagen immer wieder in Hülle und Fülle alles nach – Blütenpracht, Früchte, Gaumenfreuden, Augenweiden, Düfte, sinnliche Genüsse.
Ihr kann es nicht genug von allem sein.
Jede Frau, die Pflanzenteile oder eine Pflanze von der Mutterpflanze oder der Erde trennt, kann die Qualität der Schnitterinnenkraft nachvollziehen. Es liegt in ihrer Macht und Verantwortung, einen Standort kahl zu schneiden oder nur auszudünnen.
Sie bestimmt, ob ihr Schnitt eine Pflanze zu weiterem Wachstum anregt oder ihr Absterben bewirkt.
Daher ist es die wichtige Aufgabe der Schnitterin, ihre Sichel oder ihr Messer nicht zufällig, sondern bewusst und gezielt anzusetzen. All das gilt natürlich auch im übertragenen Sinn.
Was nährt mich?
Wie bei keinem anderen Fest im Jahreskreis haben wir es hier vor allem auch mit genährt und getragen werden zu tun.
Eine gute Gelegenheit, um zu ergründen, wer und was uns nährt, was uns Kraft gibt, wo wir in den großen Kreislauf der Natur eingebunden sind.
Es gibt zahlreiche Rituale, die gut in diese Zeit Anfang August passen. Einige davon habe ich im artedea-eBook „Lammas – Lughnasad – Schnitterin: Das Fest der Fülle und der Ernte“ beschrieben.
Hilfreich sind vor einem Schnitterinnen-Ritual folgende Überlegungen:
- Was will ich leben, was soll gedeihen, indem ich etwas anderes „opfere“, beschneide?
- Was kann/muss ich abschneiden – damit ich Luft zum Atmen bekomme?
- Wie ist dann dieser „losgelöste Zustand“ nach dem Schnitt? Fühle ich mich bei dem Gedanken an diesen unbeschwert und frei oder unsicher und bedroht? Was braucht es, um weiterhin geschützt und sicher zu sein?
- Wie muss ich den richtigen Schnitt ansetzen, damit die Pflanze, bzw. im übertragenen Sinne mein Projekt, mein Vorhaben wieder Früchte tragen kann?
- Wann ist der richtige Zeitpunkt, um meine Ernte einzubringen?
- Ist das, was ich „schneide“, dafür schon reif genug? Oder hab ich den richtigen Schnitt sogar schon verabsäumt und es ist bereits überreif oder verdorrt?
Aus den Antworten dieser Fragen ergeben sich oft wunderbare und kräftige Rituale.
Im eigenen Leben einen Schnitt zu führen ist nicht immer einfach. Oft erfordert es Überwindung und manchmal wirklich Mut.
Die Kraft der Schnitterin unterstützt in dieser Zeit Anfang August, einen solch schwierigen Schnitt zu tun.
Freudige, nährende, Fruchtbarkeit bringende
Ernte- und Schnitterinnen-Feste wünsch ich euch allen!
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Viel, viel mehr zur Qualität dieses Monats August gibt es im artedea-eBook „Lammas – Lughnasad – Schnitterin: Das Fest der Fülle und der Ernte“: Dieses 80-seitige eBook erzählt von Bräuchen, Mythen und der Magie der August-Göttinnen, es gibt Anregungen für ein lust- und kraftvolles Hochsommer-Ritual und beantwortet u.a. folgende Fragen:
- Wie kannst du den Sommer einfangen?
- Warum solltest du dich gerade jetzt mit deiner Katze beratschlagen und feiern?
- Wie kannst du die Fülle locken?
- Was geschieht in den 30 Tagen zwischen dem Großen und dem Kleinen Frauentag?
- Warum ist die christliche Muttergöttin Maria so stark mit Kräutern verbunden?
- Warum mit Kräuterbuschen heimlich auch tote Kröten mitgeweiht wurden?
- Woran du erkennst welche Energie für dich heuer im Vordergrund steht – Trennen oder Ernten?
Und es gibt zahlreiche Anregungen für ein lust- und kraftvolles Hochsommer-Ritual, wie das Feiern auf Feenhügeln, das Einfangen des Sommers, ein Übergangsritual in die Weise Frau, das Feiern mit deiner Katze oder das Locken der Fülle.
Weitere Infos und Bestellungen: HIER
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Mehr Informationen zu den erwähnten Göttinnen:
Atropos
Buana
Coatlicue
Moiren
Xochiquetzal
Bildquellen:
Göttinnen Buana, Coatlicue, Xochiquetzal: artedea.net
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