Frauen, mich schaudert’s!
Als ich vorgestern über eine Einkaufsstraße gegangen bin, sind mir aus fast jeder Auslage Angebote zum „Frauentag“ entgegengesprungen. Die Blumenläden, Restaurants, Sonnen-Studios, Dessousläden und Süßwarengeschäfte überschlagen sich geradezu mit Sonderangeboten, was „Mann“ Frauen am 8. März alles schenken könnte – alles natürlich möglichst preisgünstig.
Schaut euch einfach nur als Beispiel diese Seite an.
Von Handcreme über Autoduft und Lipgloss-Set bis zur Schmuckschatulle ist hier alles dabei, was das Frauenherz am 8. März sicher höher schlagen lässt.
Sind wir in einer Mischung aus Valentins- und Muttertag angekommen?
Und auch was ich in der letzten Woche per Mail und WhatsApp an Frauentags-Angeboten herein bekommen habe, ist unsäglich. Und das sogar meistens noch von Frauen.
Der Gipfel war eine verbilligte Laserbehandlung, denn – igitt – welche Frau will denn schon mit lästigen Haaren an den Beinen den Frauentag begehen?
Was hat das alles mit dem Kampf um Frauenrechte zu tun, wegen dem Clara Zetkin 1911 zum ersten Internationalen Frauentag aufgerufen hat?
Deshalb finde ich die Bezeichnung Weltfrauentag schon nicht mehr wirklich passend. Und nenne – wie viele andere bereits auch schon – den 8. März „Internationaler feministischer Kampftag“.
Die Idee einer emanzipierten, solidarischen, gerechten Welt steht in Flammen
Ich mach mir so meine Gedanken. Ist diese Verkitschung des Weltfrauentages nur die Spitze des Eisbergs?
Fakt ist: Wir leben in einer Kultur toxischer Männlichkeit, wie wir es uns vor einiger Zeit noch gar nicht vorstellen konnten.
Kriegstreiber, Oligarchen, Tech-Milliardäre: Die globale Bruderschaft der Männer attackiert den Westen, wie wir ihn kannten. Hierarchie statt Freiheit, Hass und Hetze statt Menschenrechte, Antifeminismus statt Geschlechtergerechtigkeit: Die Idee einer emanzipierten, solidarischen, gerechten Welt steht in Flammen.
Wir sind konfrontiert mit der Machtgeilheit von Trump, Putin & Co., die sich um gar nichts kümmern, sondern nur ausbeuten und rauben wollen. Wer ein ganzer Kerl ist, der nimmt sich halt schnell mal die Ukraine, Grönland oder irgendeine Frau – „Grab `em by the pussy“ …
Politiker nehmen überhand, die sich durch das Runtermachen des Weiblichen, anderer Ethnien, des Anders-Sein definieren.
Donald Trump, der wegen sexueller Nötigung verurteilt wurde, ist erneut zum amerikanischen Präsidenten gewählt worden.
Und, was mich besonders entsetzt: Diese Politiker, diese Parteien, die sie vertreten, werden in steigendem Maße von Frauen gewählt.
45 % der wählenden Frauen stimmten in den USA für Trump. In Österreich wählten bei der letzten Wahl 28% der Frauen die FPÖ – vor 5 Jahren waren das nur 11 % der Frauen.
Im nächsten deuschen Bundestag liegt der Frauenanteil bei gerade mal 32,4 Prozent und ist damit so niedrig wie seit 16 Jahren nicht. Queere Menschen, Menschen mit Migrationsgeschichte, NichtakademikerInnen sind noch deutlicher in der Minderheit als zuvor.
Das Patriarchat holt sich die Macht zurück.
Warum wählen Frauen frauenfeindliche Parteien?
Wie kann ich eine Partei wählen, die ganz offensichtlich so frauenfeindlich ist?
Nach der Wahl Trumps im November 2024 wurden Social-Media-Kanäle mit frauenfeindlichen Meldungen überschwemmt, wie z.B. „Its your body, my choice“
(Dein Körper, meine Entscheidung). Das alte Familienklischee feiert fröhliche Urständ‘, Stichwort Herdprämien.
Ganz besonders gefährdet sind die reproduktiven Rechte von Frauen:
In Polen, Ungarn, Russland und den USA sind in den vergangenen Jahren Abtreibungsgesetze verschärft worden.
Spannend, aber nicht verwunderlich:
Am Tag nach Trumps Wiederwahl verzeichnete die US-Firma Aid Access, die Abtreibungsmedikamente vertreibt, Sensationsbestellungen. Normalerweise bestellen dort rund 600 Frauen täglich Abtreibungspillen, plötzlich waren es 10.000!
Frauen bunkern offenbar Abtreibungspillen, solange sie noch erhältlich sind.
Und dennoch wählen Frauen zunehmend rechtspopuläre und -radikale Parteien und damit toxische Männlichkeit in Reinkultur.
Sie entscheiden sich für Parteien, die die Rolle der Frauen beim Putzen, Kochen und Kindererziehen sieht, jene, die traditionelle Rollenverteilung propagieren und gegen das Abtreibungsrecht und eine Frauenquote sind.
Warum tun sie das?
Die vermuteten Ursachen liegen in den vielen Krisen, mit denen wir konfrontiert sind.
Da ist zum einen die ökonomische Unsicherheit, die vor allem Frauen betrifft und über die sie sich große Sorgen machen.
Da ist zum anderen das Bedürfnis nach Sicherheit und damit verknüpft die Angst vor Männern.
Rechte Parteien wissen dies geschickt mit Migrationskritik zu verknüpfen.
Die „Ausländer“ nehmen uns unsere Jobs weg und vergewaltigen „unsere“ Frauen.
Das sind nur zwei von vielen Bereichen, die von den Rechtsparteien gekonnt geschürt werden und die Frauen offenbar in hohem Maße ansprechen.
Es sind nicht die Ausländer, es sind die Männer
Bei näherer Betrachtung: Es sind in beiden Fällen nicht die Ausländer, sondern die Männer. Immer noch werden Männer in Bewerbungsverfahren um einen neuen Job vorgezogen, immer noch müssen Frauen beweisen, dass sie um so vieles besser sind als der konkurierende Mann – um dann um einiges weniger als er entlohnt zu werden.
Und wenn wir uns z.B. die Frauenmorde in Österreich von 2016- 2020 anschauen, dann haben die Mörder zu 42 % Migrationshintergrund und 58 % der Frauenmörder waren autochthon.
Es sind also die Männer! Und das wird nicht besser, wenn zunehmend Parteien an die Macht kommen, die mit Stärke und Dominanz das traditionelle Männerbild wieder aufleben lassen.
Gewalt gegen Frauen ist ein Ausdruck patriarchal geprägter gesellschaftlicher Strukturen und misogyner Wertvorstellungen, die – zum Teil latent, zum Teil ganz offensichtlich – von den Parteien am rechten Rand befördert werden.
Starker Mann – schwache Frauen
Wir leben aufgrund der Kriege und multiplen Krisen in einem Gefühl der Unsicherheit, wir befürchten, dass es uns wirtschaftlich immer schlechter gehen wird. Und wer dieses Gefühl hat, nimmt eher autoritäre Positionen ein.
Das hatten wir ja schon mal: Ein „starker Mann“ muss her! Und dieser starke Mann impliziert leider auch, dass Frauen zunehmend klein und schwach werden. Sie haben ja dann ohnehin die starke Schulter, an die sie sich anlehnen können. Und bei jeder wirtschaftlichen und sonstiger Krise rücken Gleichstellungsfragen und Frauenrechte in den Hintergrund. Das haben wir ganz deutlich in der Corona-Krise wahrnehmen können.
Ein unsägliches Trugbild: Denn der starke Mann schaut nur auf sich selbst und seine Macht, die er vermehren will. Das nutzt ihm und den wenigen starken Männern, die er um sich schart. Der vielzitierte „kleine Mann auf der Straße“ hat davon gar nichts, außer, dass er sich vielleicht durch die erstarkte toxische Männlichkeitsrolle daheim besser fühlt.
Und die „kleine Frau“, allen voran die alleinerziehenden Mütter, die Pensionistinnen und Mindestrentnerinnen, die Frauen in schwer unterbezahlten Pflege- und Versorgungsberufen werden zur Kasse gebeten. Man schaue sich einfach nur die Parteiprogramme an.
Du musst es erdulden …
„Ob es dir gefällt oder nicht, meine Schöne, du musst es erdulden.“
Das sagte Wladimir Putin kurz bevor er in der Ukraine gewaltsam einfiel. Das ist ein bekannter russischer Vergewaltigungswitz, den er da zitierte und „die Schöne“ ist in dem Fall die Ukraine.
Derselbe Putin, der Angela Merkel zum Weltfrauentag Blumen schenkte.
Womit wir wieder am Anfang dieses Blogbeitrags angekommen sind – Blumen statt Rechte, statt Gleichstellung, statt Anerkennung. Offenbar macht Merkel gute Miene zum bösen Spiel.
Warum hat sie ihm die Blumen nicht ins Gesicht geschlagen?
Wacht auf, Frauen!
Durchschauen und trotzen und wir der toxischen Männlichkeit
„Wir feiern den Weltfrauentag“ ist vielfach das Motto. Was gibt es hier zu feiern?
Deshalb finde ich die Bezeichnung „Internationaler feministischer Kampftag“ wirklich angebracht und gut. Da wird vielleicht viel deutlicher, dass Frauen nicht mit Blumen abzuspeisen sind, sondern es wirklich um etwas ganz anderes geht.
Der 8. März ist ein lebhafter Aufruf zum Handeln gegen die fortwährenden Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten, gegen die Diskriminirung und die unterschiedlichsten Bedrohungen, die Frauen weltweit erleben.
Bleiben wir mutig und stark und durchschauen und trotzen wir der toxischen Männlichkeit, wo immer sie uns begegnet, in den eigenen vier Wänden, in unserem Arbeitsumfeld, auf dem Stimmzettel bei der nächsten Wahl!
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Bildquellen:
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RIAN archive 186607 German Chancellor Angela Merkel pays a working visit to Russia.jpg / Vladimir Rodionov / commons.wikimedia.org