Frauen haben die Wahl! Wirklich?

Der Weltfrauentag 2018 steht ganz im Zeichen von 100 Jahren Frauenwahlrecht. Denn dieses wurde sowohl in Deutschland sowie in Österreich 1918 beschlossen und eingeführt.
Die politische Beteiligung von Frauen war nicht immer eine Selbstverständlichkeit.
Frauen mussten einen langen Weg gehen, bis sie ihr Recht auf politische Mitbestimmung im Jahr 1918 erlangten.
Bereits am 19. Januar 1919 gingen 82 Prozent der Frauen in Deutschland zur Wahl.
Österreich und Deutschland zählten zu den ersten europäischen Ländern, die Frauen das Wahlrecht zugestanden.
Im Vergleich: Schweden 1921, Großbritannien 1928, Frankreich 1944, Italien 1945, Griechenland 1952, Portugal 1974 und in einzelnen Kantonen der Schweiz erst 1990.

Brüderlichkeit schloss Frauenrechte aus

Historische Wurzeln des Wahlrechts für Frauen liegen bereits in der Französischen Revolution von 1789 mit ihren Forderungen nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.
Die „Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte“ von 1789 ermöglichte das Wahlrecht für alle männlichen Bürger. Dass die „Brüderlichkeit“ Frauenrechte ausschloss und dies Frauen durchaus deutlich wurde, zeigt die „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“, die Olympe de Gouges (1748-1793) bereits 1791 verfasste. Da sie eine Regierung ablehnte, die Frauenrechte nicht anerkannte, führte ihr Weg sie zwei Jahre später unter die Guillotine – ihr Engagement für Gleichberechtigung von Männern und Frauen bezahlte sie mit dem Leben.

Warum hielt man Frauen für eine Stimmabgabe als ungeeignet?

Frauen wurde verminderte Intelligenz und durch ihre Gebärfähigkeit eine „natürliche“ Bestimmung für den privaten, scheinbar politikfernen Bereich zugeschrieben. Abgesehen davon war man der Auffassung, dass Frauen bei den Wahlen ohnehin durch die Stimmabgabe ihrer Männer mitvertreten sind.
Dass eine Frau – so sie überhaupt eine politische Meinung hatte – sich in dieser von ihrem Mann unterscheidet, war gänzlich unvorstellbar.
Und natürlich wurde dabei auch gar nicht an unverheiratete oder verwitwete Frauen gedacht, die hatten schon gar nichts zu melden!

Frauenwahlrecht, Männergelächter

Bereits 1891 nahm die SPD als einzige Partei im Deutschen Reich das Wahlrecht für alle in ihrem Programm auf. 1895 wurde der entsprechenden Gesetzentwurf in den deutschen Reichstag eingebracht. Die Männer aller Parteien, außer der SPD, lehnen unter schallendem Gelächter den Antrag ab. Das war zu absurd.
Am 19. Februar 1919 beginnt Marie Juchacz (SPD) als erste Frau in der Weimarer Nationalversammlung ihre Rede mit „Meine Herren und Damen!“. Auch das löste große Heiterkeit aus.
Aber sie stellt fest: „Was die Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: Sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist.“

Göttin der Demokratie

Das Wahlrecht ist natürlich eng mit der Demokratie verbunden.
Als frühestes Beispiel einer Demokratie wird die antike Attische Demokratie angesehen, die sich im 5. Jahrhundert v.u.Z. nach heftigem Ringen des Adels und der Reichen mit dem einfachen Volk entwickelt hatte.
Sie gewährte allen männlichen Vollbürgern der Stadt Athen ab Vollendung des 30. Lebensjahres Mitbestimmung in der Regierung.
Ausgeschlossen blieben, Zugezogene, unter Dreißigjährige, Sklaven und Frauen.
Letzteres ist insofern bemerkenswert, weil es – wie für so vieles andere auch – eine Göttin der Demokratie gibt: Athena.
Diese gilt als die beschützende Gebieterin des von den Bürgern selbst regierten Stadtstaats Athen.

Frauen und ihre Rechte

Seit 100 Jahren dürfen Frauen also in Österreich und Deutschland wählen.
Dieses Wahlrecht ist enorm wichtig, allerdings war und ist es noch ein langer Weg zu anderen Rechten, die unter dem Gesichtspunkt der Gleichheit ganz selbstverständlich sein sollten.
In Österreich brauchte erst die Familienrechtsreform 1975 und 1978 entscheidende Änderungen. Immer wenn ich mit jungen Frauen spreche, die meine feministischen Bestrebungen so gar nicht verstehen wollen, frage ich sie:

Willst du:

  • Dass du per Gesetz dem Ehemann Untertan bist?
  • Dass nur mit Zustimmung deines Ehemannes berufstätig sein darfst?
  • Dass dein Ehemann deinen Job kündigen kann?
  • Dass dein Mann dem Gesetz nach dein Vermögen verwalten und die Zinsen deines Vermögens für die Mühen der Verwaltung behalten darf?
  • Dass du gesetzlich dazu verpflichtet bist, dorthin zu ziehen, wo dein Ehemann wohnt?
  • Dass Väter Kraft der „väterlichen Gewalt“ allein über die Rechte von minderjährigen Kinder entscheiden und diese nach außen vertreten dürfen und die Mütter da gar nichts mitzureden haben?
  • Dass es einer Mutter nicht gestattet ist, einen Passantrag oder Lehrvertrag für ihre Kinder zu unterschreiben?
  • Dass unverheiratete Mütter nicht die Vormundschaft für ihr Kind haben dürfen?
  • Dass dein Ehemann damit einverstanden sein muss, wenn du ein Bankkonto eröffnen willst?

Das sind nur einige Beispiele von vielen und keineswegs Geschichten aus dem Altertum, das war bis 1975 bzw. 1978 in Österreich noch alles gesetzlich verankert.

Wo sind die Frauen in politischen Funktionen?

Trotz dieser formalen Gleichberechtigung stoßen Frauen selbst 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts und 40 Jahre nach der Familienrechtsreform immer noch an eine „gläserne Decke“: Sie sind in gesellschaftlichen Führungspositionen in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft nach wie vor unterrepräsentiert:

  • Im Österreichischen Parlament sind von 183 Abgeordneten des Nationalrats derzeit 65 Frauen (35,52 %)
  • 160 österreichische Gemeinden von werden Bürgermeisterinnen geführt – dies entspricht nur 7,6%
  • Und unter den 9 Landeshauptleuten finden wir nur eine Frau.

Auch in Deutschland sind bei politischen Funktionen Frauen deutlich unterrepräsentiert:

  • Der Frauenanteil im Deutschen Bundestags beträgt aktuell 31 % (218 von 709 Abgeordneten)
  • Nur 8,2 Prozent der BürgermeisterInnen sind weiblich
  • Es gibt nur 2 Frauen von 16 MinisterpräsidentInnen

Im übrigen beziehe ich mich auf meine Blog-Beiträge aus den Vorjahren: 2014, 2015, 2016, 2017
Ich hoffe, dass die Zeit nahe ist, in der keine Weltfrauentage mehr notwendig sind, weil es 365 Frauentage im Jahr gibt und Frauen ganz selbstverständlich alle Rechte haben, die Männer auch haben. Nicht nur de jure, sondern auch de facto!

„Man wird erst wissen, was die Frauen sind,
wenn ihnen nicht mehr vorgeschrieben wird,
was sie sein sollen.“

(Rosa Mayreder, 1858–1938, österr. Künstlerin, Frauenrechtlerin)

 

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Mehr zur Göttin Athena

Bildquellen:
Plakat der Frauenbewegung zum Frauentag 8. März 1914: „Heraus mit dem Frauenwahlrecht“ / de.wikipedia.org / Karl Maria Stadler
Olympe de Gouges, Pastell von Alexander Kucharski (1741–1819) / de.wikipedia.org / Alexander Kucharski
Athena: artedea.net

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