Freitag, der 13. und die blutige Luz

Wisst ihr eigentlich, dass die Monatsdreizehnten am häufigsten auf einen Freitag fallen, insgesamt 688 Mal in 400 Jahren. Außergewöhnlich ist aber, dass der 13. Dezember, der Lucientag auf einen Freitag fällt. Und das ist Frauenpower pur!
Warum haben die Menschen in patriarchalen Gesellschaften so Angst vor einem Freitag, den 13.?Der Freitag ist nach der germanischen Göttin Freya benannt.
Ihre nahe spirituelle Verwandtschaft zur römischen Göttin Venus ist daran ersichtlich, dass dieser Wochentag französisch „vendredi“ und italiensch „venerdì“ – also „Venustag“ heißt.
Ein Tag der Liebesgöttinnen also, die immer die auch die Schutzgöttinnen der „freien Frauen“ waren. Jener Frauen, die sich ausgesucht haben, wie sie leben und wen sie auf welche Art und Weise lieben wollen.
Also ist der Freitag als solcher schon suspekt. 

Mond- und Sonnenmonate

Wenn der ohnehin schon frauenkräftige Freitag auf einen 13. fällt, dann wird’s besonders „kritisch“: Denn die 13 ist das Symbol für das Mondjahr und die 13 Mondzyklen, also wiederum ein Ausdruck der Frauenkraft.
Ein Mondjahr hat 13 Monate (13 x 28 Tage = 364 Tage). Das Wort Menstruation hat übrigens seine Wurzel im lateinischen „mensis“, also „Monat“.
Dass da Frauen mit ihrer 
zyklischen Mondkraft einem natürlichen Rhythmus folgen, das konnten männliche Machthaber, allen voran auch die Kirchenväter nicht anstehen lassen.
Daher orientierten sich spätere – patriarchale – Kulturen in ihrer Zeitrechnung auch nicht mehr am Mond, sondern an der Sonne. Ein Sonnenjahr dauert exakt 365,2422 Tage.
Gekennzeichnet ist es durch vier herausragende astrologische Ereignisse:
Zwei Sonnenwenden und zwei Tag-und-Nacht-Gleichen. Damit sich die Zahl der Monate gleichmäßig auf die Jahreszeiten aufteilen ließ, musste sie also durch 4 teilbar sein.
Damit erfand man die
zwölf Sonnenmonate. Allerdings ging im patriarchalen System – das sich für seine Geradlinigkeit und Logik ja so rühmt – nun die Rechnung mit den Tagen nicht mehr auf. Deshalb sind die Monate im Sonnenkalender unterschiedlich lang –  28, 29, 30, bzw. 31 Tage.
Der Übergang von der 13 zur 12 bezeichnet also eine
 neue Zeitrechnung.
Das musste erst einmal begreifbar gemacht werden. Und am besten tat man das, indem man die 13 verteufelte.

Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass am Freitag, den 13. die uralte Frauenkraft durchschimmert – und kann ist ja ganz schön gefährlich sein. In der patriarchalen Welt.

Von der Mondgöttin in eine Heilige

Nun haben wir heute den Lucien-Tag. Den kennen wir vor allem von den schwedischen jungen engelsgleichen Frauen, die als Heilige Lucia mit ihrer Lichterkronen weit hinaus in die Winternacht strahlen.
Sie symbolisieren Sancta Lucia, die zarte, liebliche und weiß-strahlende christliche Heilige.

Diese hat ihren Ursprung in der alten römischen Mond- und Lichtgöttin Lucina. Sie bringt nicht nur das Licht, sondern auch Kinder ans Licht der Welt und wurde daher als Geburtsgöttin von Frauen lange noch nach ihrer Zeit im antiken Rom noch sehr geschätzt.

Durch den Einfluss der christlichen Kirchenväter, in deren Konzept alte Göttinnen so gar nicht passten, kam es zu einer folgenschweren Verwandlung. Eine durchaus übliche Vorgehensweise, die vielen christlichen Heiligen zugrunde liegt. Man konnte die Kraft und den Glauben, die Rituale und die Kraftorte der alten Göttinnen nicht einfach ausradieren. Durch den Kunstkniff der Verwandlung in Heilige wurden die alten mythologischen Figuren aber in den christlichen Einflussbereich transferiert und damit sollte die Erinnerung an diese nach und nach ausgelöscht werden.

In der Geschichte des frühen Christentums brauchte es immer eine deftige Martyriumsgeschichte, damit eine Heiligsprechung gerechtfertigt war.
Im Fall der Lucia gab es eine jungen Frau aus Syrakus, die heimlich zum Christentum konvertiert, die die schauerlichsten Folterqualen zu erleiden hatte, aus denen sie aber unbeschadet hervorging. Das allein deutet schon darauf hin, dass es sich womöglich nicht um eine menschliche Frau sondern um eine 
unsterbliche Göttin handelt.
Die Lucia-Legende ist übrigens durch keinerlei historische Beweise belegt.

Und man wollte mit der Figur der Heiligen Lucia gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Da die römische Göttin Lucina im tiefsten, dunkelsten Winter das neue Licht brachte, schien Sancta Lucia geradezu ideal als winterliche Gestalt rund um die Wintersonnenwende. Denn da vertraute das „gemeine Volk“ stark auf den Schutz und die Segungen der alten Muttergöttin Percht und weniger auf irgendwelche Weihnachtswunder. Diesen Schutz sollte nun die Heilige Lucia übernehmen.

Doch dieses Vorhaben, mit der Heiligen Lucia nicht nur Lucina, sondern auch die Percht zu ersetzen, ist allerdings gründlich misslungen.
Denn die Menschen vertrauten in den
Rauhnächten nicht der zarten, blonden, lichtvollen, heiligen Lucia, der Lichtbringerin im weißen dünnen Kleidchen.
Sie wollten vielmehr – den äußeren Gegebenheiten im Dezember entsprechend – die 
wilde Percht, die mit ihrer Kraft durch die Lande braust und mit den Winterkräften ringt.
So wurde die heilige Lucia wiederum verwandelt, diesmal von den „einfachen“ Menschen: Und zwar in die 
Blutige Luz“.

Damit hatten die Kirchenväter allerdings nicht gerechnet. Denn ins Frauenbild des Patriarchats und damit auch ins katholische Christentum passen ja ganz gut die freundlichen, milden und gütigen Seiten der alten Göttinnen. Diese wurden daher bei ihrer Umwandlung in christliche Heiligen beibehalten bzw. hervor gestrichen.
Ganz anders verhält es sich mit deren 
selbstbewussten, wilden und eigenständigen Zügen, die für die christlichen Kirchenväter Bedrohung und Gefahr waren und damit tabuisiert bzw. dämonisiert wurden.

Die Zerstückelung der Göttinnen
und die Schwächung der Frauen

Damit sind wir bei einem entscheidenden Thema: Patriarchale Strömungen vieler Kulturen, wie der griechischen, der römischen oder der germanischen waren schon lange bestrebt, die unterschiedlichen Aspekte der allumfassenden Göttinnen zu trennen, sie sozusagen in verschiedene Bestandteile zu zerstückeln.
Was in den alten Kulturen begonnen wurde, vollendete die
 christliche Dämonologie.
Mit der Aufspaltung der Eigenschaften der Göttinnen verfolgten die patriarchalen geistlichen und weltlichen Machthaber letztendlich ein für sie wichtiges Ziel: Die 
Schwächung aller Frauen.
Denn werden wichtige weiblichen Identifikationsfiguren zerstückelt, konnte damit auch die 
umfassende und vielfältige Kraft aller Frauen aufgespalten werden – in die Brave, Liebliche, Gefällige, Harmlose einerseits und in die Wilde, Hässliche, Gefährliche, Dämonische andererseits.
Deutlich zeigt sich das in vielen unserer bekannten 
Märchen, die sich ja oft um das Thema „schöne junge Prinzessin – böse, alte Hexe“ ranken.
Ein 
dazwischen“ gibt es nicht und schon gar nicht ein sowohl – als auch“.
Und dennoch zeigen die alten Mythen, dass beides möglich ist: So zeigt sich die
Percht sowohl als „zwiedere“ alte Vettel, die grimmig mit ihrer Wilden Jagd durch die Rauhnächte zieht und die man auf gar keinen Fall erzürnen sollte, wie auch als gütige, mütterliche und Segen bringende Strahlende.
Und auch die 
Luz erscheint „schiach“, garstig und dämonisch, kommt aber am Morgen des 13. Dezembers als engelsgleichen Lichtgestalt daher.

Durch die Aufspaltung der Göttinnen und mythologischen Frauenfiguren in ihre Wesensanteile wurden daher also auch Frauen gezwungen, sich für einen Wesensanteil zu entscheiden. Wie sollen sie das aber?
Wussten sie doch immer schon, dass beide Teile (und natürlich alle Nuancen dazwischen) in ihnen vorhanden sind, ganz selbstverständlich. Das hat allein schon mit ihren
Menstruationszyklen zu tun, die sie um die Zeit des Eisprungs empfänglich und damit auch liebreizend und sanft macht, um sie bald darauf zur (Ei-)abstoßenden, mürrischen, gereizten, blutigen Furie werden zu lassen.

Der abgespaltene Anteil und die Schauergeschichten

Die wilde Kraft der roten, der blutenden Frau, unerbittlich und kraftvoll sollte also bei der christlichen Lucia möglichst ausgeblendet werden. Einzig ihr roter Gürtel über dem engelsgleichen weißen Kleid erinnert noch an die ursprüngliche Macht der allumfassenden Göttin Lucina, die über Mond und damit über das Mondblut gebietet.
Doch ohne die kraftvolle, wilde und rote Seite ist Sancta Lucia 
unvollständig.
Das „gemeine Volk“ ließ sich aber nicht so leicht täuschen und sehr schnell kam diese Kraft in Form der „blutigen Luz“ ins Brauchtum zurück.

Diese war aber bereits abgespalten von der hellen, freundlichen Seite und wurde damit mehr und mehr zur grauenhaften Figur, die oftmals als Kinderschreck herhalten musste.

Damit wurden der „blutigen Luz“ auch die schauerlichsten Geschichten angedichtet:
Ungezogenen Kindern soll sie den Bauch aufschlitzen, dass die Gedärme nur so herausquellen, ihnen mit Glasscherben die Zunge oder die ganze Haut abschaben oder von der Ferse ein dreieckiges Stück Fleisch herausschneiden.
Bei den Luzienzügen innerhalb der Perchtenläufe präsentiert sie oft auch ein 
blutiges Menschenhaupt auf einem Teller.

Vor allem auf Kinder hat es die Luz abgesehen, denen sie Übles antun will. Das ist allerdings ein Auswuchs jener Erziehungsmethoden, die es für richtig hielten, Kinder mit solchen Schreckensfiguren einzuschüchtern.
Ziel war es, nicht nur Kinder mit den Erzählungen, dass die „bluadige Luz“ ums Haus geht und sie holen will, zu Gehorsam und Bravsein anzuhalten. Die Auswirkung sowohl auf Mädchen wie auch auf Buben sollten auch sehr nachhaltig bis ins Erwachsenenalter anhalten. 
Mädchen wird hier eine Frauenfigur präsentiert, die sie unter keinen Umständen selbst werden wollen und Buben wird schon früh eingeprägt, wozu die Weiber imstande sein können, und dass sie sich daher vor Frauen ganz grundsätzlich in Acht nehmen und diese gleich einmal frühzeitig unterdrücken und deren Kraft brechen sollten.

Dämonisiert infolge patriarchaler Ängste

Wichtig ist: Die blutige Luz ist keine Dämonin oder Schreckensgestalt an sich.
Sie symbolisiert einen wesentlichen weiblichen Wesensanteil – jenen der ungezügelten, 
wilden roten Kraft, die jeder Frau innewohnt. Dämonisiert wurde sie infolge patriarchaler Ängste bzw. Interessen durch die Abspaltung von ihren anderen Eigenschaften.

Eindrucksvoll erscheint der blutige Charakter der Luz.
Sie ist damit Ausdruck der „blutigen“, der menstruierenden Frau. Sie zerfetzt mit ihrer Sichel die Bäuche, dass die Eingeweide nur so heraushängen. Und viele Frauen kennen ja die stechenden Menstruationsschmerzen, die sich oft so anfühlen, als würde ihnen mit einem Messer im Bauch herum gewühlt werden. Blut fließt!
Die menstruierende Frau hat auch etwas Unerbittliches: Denn sie ist nicht schwanger! Sie muss sich daher nicht der Fürsorge und des Beistands eines Mannes bzw. ihrer Familie oder Gemeinschaft versichern, die notwendig wäre, würde sie ein Kind bekommen. Und damit muss sie auch nicht freundlich und gefügig sein.
Ein durch und durch archaisches Thema!
Die Menstruation ist jener Zeitpunkt im Monat, in dem eine Frau weiß, dass sie ihre Entscheidungen ganz für sich eigenständig, selbstbestimmt treffen kann und nicht Rücksicht auf ein eventuell zu erwartendes Kind nehmen muss.
Die Sense, die die Luz immer mit sich trägt, symbolisiert nicht nur den Mond der alten Mondgöttin, sondern vor allem auch den radikalen Schnitt der Trennung, der nun vollzogen werden kann.

Oft wird die Luz als alte Frau dargestellt, eine, die ihre fruchtbare Zeit hinter sich hat, sich also sozusagen permanent in diesem machtvollen, eigenverantwortlichen Zustand wie menstruierende Frauen befindet. Das sind jene „wilden Alten“, die ihr eigenes Ding zu machen, sich nicht mehr um Konventionen scheren, nicht mehr gefällig sein wollen und auch ungeschminkt sagen, was Sache ist.
Es ist zu vermuten, dass bei den Menschen die christliche Heilige mit den 
wilden, kraftvollen Göttinnen der Wintersonnenwende, die von Landstrich zu Landstrich andere Namen und Ausprägungen hatten, in direkter Konkurrenz stand.
Doch das Volk hat die alten Bräuche und die neu hinzugekommenen christlichen Lehren immer gut zu vermischen gewusst. Denn so leicht lassen sich 
kollektive spirituelle Inhalte nicht umkrempeln und austauschen, also kommt es zu dem, was Synkretísmus genannt wird – zur Vermengung von Symbolen und Bedeutungen und damit zu neuen Traditionen und Bräuchen.

Gebieterin über die weibliche Kraft

Und so wurde die zarte Heilige bald wieder zur wilden, blutigen, winterlichen Rauhnachtsgestalt. Kein Wunder eigentlich angesichts der grauenhaften, blutrünstigen Foltergeschichte, die der Heiligen Lucia in ihrer Legende angedichtet wurde.
So ist die Luz wieder das, was Lucina in ihrem 
Ursprung war – als Mondgöttin die Gebieterin über das weibliche Blut und damit über die weibliche Kraft.

Die Kraft der Blutigen Luz steht Frauen zur Seite, die radikal in ihrem Leben etwas verändern wollen oder mächtigen Schutz brauchen.
Ihr 
mächtiges Zepter ist die Mond-Sichel, sie tanzt ihren wilden Tanz an der Schwelle zwischen Licht und Dunkelheit und erinnert die Frauen an ihre zyklische Kraft, die das gesamte Spektrum ihres Seins beinhaltet.

Tanzen wir also heute, am Freitag, den 13., an dem noch dazu der gestrige Vollmond noch sehr wirkungsvoll ist, die weibliche Kraft, die alles umfasst– die weiße, sanfte, lichtvolle Seite und die wilde, ungebändigte Blutrote!

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Mehr Lesestoff und Informationen
zu dieser Zeit im Jahr:

eBooks:

„​Das Weizenorakel der Sancta Lucia” – gratis Download
„​Die Magie der Sperr- und Dunkelnächte
„​Julfest – Das Fest des wiederkehrenden Lichts“
„​Von den rauen Nächten und der Wilden Jagd“
„​Geschichten vom Weihnachtsmann,
Muttergöttinnen, Schamanen und Rentier-Damen”
 – gratis Download
„Magische Misteln”

artedea-Rauhnächte-eWorkshops:

Mit starken Frauensymbolen durch die Rauhnächte

„Mit Göttinnen-Kraft durch die Rauhnächte“

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Ausführlichere Informationen zu den erwähnten Göttinnen
und deren Mythen:

Blutige Luz
Freya
Lucina
Percht
Venus

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Bildquellen:

Blutige Luz / artedea.net

friday-820963_1280 / pixabay.com / geralt

Lucina / artedea.net

Sankta Lucia i Vaxholms Kyrka december 2011 www.flickr.com Bengt Nyman

Percht/ artedea.net

Sankta Lucia i Vaxholms Kyrka december 2011 / flickr.com / Bengt Nyman

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