Herbst-Tag-und-Nachtgleiche: Das heißt, dass heute auf der gesamten Erde Tag und Nacht jeweils genau 12 Stunden dauert.
Ab heute werden die Tage kürzer und die Nächte länger. Bis zur Wintersonnenwende am 21. Dezember, dem dunkelsten Punkt im Jahr, ab dem allmählich das Licht wieder zunimmt.
Die ersten Nebelschwaden ziehen über das Land und die Natur beginnt zu leuchten, das warme Herbstlicht scheint auf die Blätter, die sich nun so wunderschön bunt färben.
Es ist die Zeit der Fülle und des Erntedanks und die Erntegöttin geht als Todesgöttin umher und führt alle Wesen in die Anderswelt.
Doch wenn wir den Herbst auch als eine Zeit des Absterbens wahrnehmen, so ist er – botanisch gesehen – eigentlich auch schon wieder ein Vorbote des Frühlings: Denn während sich die einjährigen Pflanzen für immer verabschieden, werden jetzt bereits die Zwiebeln für die Frühlingsblüher gesteckt und die Natur beginnt durch Selbstaussaat schon in das Erwachen nach dem Winter zu investieren.
Und auch der Abwurf der Blätter hat einen wichtigen Zweck für das kommende Frühjahr. Das Laub wirkt sich auf den Baum und dessen Umgebung günstig aus. Schließlich zersetzt sich die Laubschicht und bildet eine fruchtbare Humusschicht, die die Lebensgrundlage zahlreicher Pflanzen, Pilze und Tiere darstellt und im Frühjahr Grundlage für neues Leben bietet.
Erntedankfeste – die ältesten rituellen Handlungen
Jetzt ist die Zeit der großen Herbstfeste, die zumeist im Zeichen des Erntedanks stehen. Erntedankfeste gelten als die ältesten Feste bzw. rituellen Handlungen überhaupt. Was logisch erscheint, wenn man bedenkt, dass von der Antike bis in die Frühe Neuzeit für ca. 80 Prozent der Menschen die harte Arbeit auf dem Feld Alltag war.
Die Wurzeln dieser Festivitäten vermutet man sogar schon in den frühen Tagen der Menschheit: Als die Menschen vom Jagen und Sammeln auf den Ackerbau umstiegen, waren sie mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Das jährliche Fest ist möglicherweise der Rest von vielen Institutionen und Anpassungen, mit diesen Veränderungen umzugehen.
Im Winter fand man in unseren Breitengraden ja nur selten etwas zu essen.
Und das Überleben der Menschen, der Stämme, Familien und Dorfgemeinschaften war vom Ernteertrag abhängig – nur mit gut gefüllten Speichern kamen alle durch den Winter. Wenn nicht genug Vorräte vorhanden waren mussten viele hungern, auch verhungern. Eine gute bzw. schlechte Ernte entschied damit über Leben und Tod.
Aus diesem Grund zogen sich Rituale durch den gesamten agrarischen Zyklus, wie jene zur Aussaat, zur ersten Ernte oder eben auch als Dankesfest an die jeweiligen Gottheiten oder „Höheren Mächte“, wobei sich die Menschen hier zumeist an die Erdmutter oder an die üppigen Fruchtbarkeitsgöttinnen, an Getreide- und Saatgöttinnen gewandt haben und man erst im Zuge der Christianisierung der Auffassung war, dass ein männlicher Gott, das „tägliche Brot“ gibt.
Die besondere letzte Garbe
Tradition ist es in vielen Kulturen, die letzte Garbe der Ernte ganz besonders zu behandeln, denn sie ist Grundlage für die Saat im nächsten Jahr. Vielfach glaubte man auch, dass in dieser letzten Garbe die Göttin höchstpersönlich wohnt. So beschützt die schottische Göttin Carlin die Menschen während der dunklen Zeit des Winters vor „bösen Geistern“, vor depressiven Verstimmungen, Ängsten und ähnlichen mit der Finsternis verbundenen Gefühlszuständen.
Die letzten Garben der Ernte werden ihr zu Ehren zu einer Puppe gebunden und als alte Frau bekleidet. Sie bekommen einen Ehrenplatz in den Wohnräumen. Diese Puppen, die dieser Göttin geweiht sind, werden auch Carlin genannt.
Auch die irische Muttergöttin Inghean Bhuidhe wird oft in einem einzigen Getreidekorn verehrt, in dem das ganze Potenzial der Pflanze innewohnt.
Aus diesem – oft heiligen, geheiligten – Korn entsteht neues Leben. Daher wurde ein solches Korn als Zeichen der Göttin rituell vom letzten geernteten Getreidehalm bei der Ernte entnommen und ebenso rituell als besonderes Korn bei der Saat als Stellvertreterin für die Göttin wieder in die Erde eingebracht.
In der litauischen Mythologie gibt es die Rugiu Boba, die Kornmutter bzw. den Korngeist. Diese Gestalt haust in Getreideäckern, vor allem in Roggenfeld.
Bei der Ernte ist sie in der letzten Getreidegarbe. Deshalb wird in der bäuerlichen Tradition Litauens der allerletzten Roggengarbe die Gestalt einer Frau gegeben. Diese heißt noch heute Roggenmuhme. Sie wird beim Erntedankfest umjubelt und dann bis zur nächsten Ernte im Haus aufbewahrt.
Auch die russische Baba Yaga haust in der letzten Garbe bzw. im letzten Getreidekorn des geernteten Getreides. Die Geschichte erzählt, dass jene Frau, die dieses und damit Baba Yaga isst, im Frühling ein Kind bekommen würde. Sie ist damit ein Sinnbild für die Lebenskraft, wie sie das geerntete Korn in sich trägt. Der herbstliche Tod auf dem Kornfeld führt zur Wiedergeburt im nächsten Frühjahr.
Große Familienzusammenkünfte vor dem Winter
Der Anlass von vielen Feste liegt auch immer in der Zusammenkunft von Familien und Sippen. Damit verbunden ist ein großen Aufwand an Speis und Trank, den man sich vor der Ernte kaum leisten kann. Daher ist für große Feste jetzt die beste Zeit. Auch weil bald die kalte Jahreszeit kommt, sich alle in die Behausungen zurückziehen und lange Reisen zu Familien- und Stammeszusammenkünften nicht mehr möglich sind.
So alt sie bereits sind, so lebendig ist das Brauchtum und die Zeremonien rund um Erntedankfeste daher im bäuerlichen Leben immer noch. Denn Rituale geben auch Halt und Sicherheit – und das ist gerade im Herbst wichtig, wenn die welkende Natur an den Tod erinnert.
Feste nach der Ernte zeigen uns auch, wie hart Lebensmittel erarbeitet werden müssen und dass die Fülle in unseren Kühlschränken und auf unseren Tischen nicht als selbstverständlich angesehen werden kann.
Jetzt, zu Herbstbeginn, ist die Ernte also größtenteils vollbracht, das Korn wurde eingefahren und die Speicher sind wieder gefüllt.
Als letztes werden die Herbstfrüchte wie Äpfel und Nüsse von den Bäumen geerntet, Pilze gesammelt, Trauben gelesen.
Auch wenn es in unserem Kulturkreis mitunter den Anschein hat, dass Feste rund um die Ernte christlich belegt sind, da z.B. Kirchen mit Feldfrüchten im September und Oktober reich geschmückt sind und es eigene Prozessionen und spezielle Gottesdienste in dieser Zeit gibt, ist es natürlich klar, dass es sich hier um kein ursprünglich christliches Fest handelt, da alle Kulturen, Völker oder Religionen die Ernte als wichtiges Ereignis betrachteten und dementsprechend würdigen.
Belegt sind Feste zum Erntedank unter anderem in der ägyptischen, jüdischen, indischen, chinesischen, japanischen, griechischen und römischen Kultur.
Und Erntedank ist übrigens nach wie vor kein offizieller oder liturgischer Bestandteil des Kirchenjahres, d. h. die kirchlichen Gemeinden sind nicht verpflichtet, das Fest zu feiern.
Da allerdings in vielen Ortschaften und Landstrichen zwischen Mitte September und Anfang Oktober traditionell aus Freude über die gelungene Ernte Festzüge mit Motivwagen und Spielmannszügen stattfinden bzw. die Erntefreuden mit anderen Bräuchen gefeiert werden, war es für die Kirchenväter naheliegend, nicht nur mitzufeiern sondern die Festivitäten in die Kirchen zu lenken.
Wobei es bei diesen Ritualen selbstverständlich immer einen starken Naturbezug gibt und die Ehrung des Ernteguts eigentlich in einem geschlossenen Raum wie einer Kirche eher deplatziert wirkt.
Weinfeste, Kartoffelfeuer und Biersilvester
Kaum eine Gemeinde, die nicht den Herbstbeginn mit zumindest einem opulenten Markttag feiert. Je nachdem, was geerntet wird, gibt es unterschiedliche Feste:
In Weingegenden gibt es ein Weinfest nach dem anderen, anderswo wird die Kartoffelernte mit den großen Kartoffelfeuern abgeschlossen oder es werden Kohlköpfe, Äpfel, Nüsse oder das Getreide gefeiert. Vielenorts gibt es Prozessionen, Wallfahrten und Wettspiele.
Und auch nicht ohne Grund findet auch das Oktoberfest ausgerechnet Ende September statt: Wenn beim Brauen Ende September das erste Malz und der erste Hopfen desselben Jahres eingesetzt werden konnten, dann wird vielenorts der „Biersilvester“ gefeiert.
Das Brauchtum stammt aus einer Zeit ohne Kühlsysteme, in der an eine ganzjährige Bierproduktion nicht zu denken war. Und damit galt früher den Sommer über ein Herstellungsverbot für Bier – heute unvorstellbar: Die Biersaison erstreckte sich damals zwischen den Feiertagen zweier Heiliger – von Michaeli (29. September) bis Georgi (23. April). In den Sommermonaten hätten die hohen Temperaturen dem wärmeempfindlichen Bier zu stark zugesetzt und Kühlgeräte gab es ja noch nicht.
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Dieser Text ist ein Auszug aus dem artedea-eBook
Herbstäquinox – Mabon: Das Fest des Dankes und des Übergangs
Dort findest du viele Hintergrund-Informationen zu dieser Zeit im Jahr sowie zahlreiche Anregungen, wie du den Herbstbeginn „zauber-haft“ gestalten und alleine, im Kreis von FreundInnen oder der Familie feiern kannst.