Heute werden die Schlangen gefeiert

Angitia1Heute ist Schlangentag! In Cocullo, einem Bergdorf in einem Tal der italienischen Abruzzen wird traditionell am ersten Donnerstag im Mai das große Schlangenfest („la fiesta di separi“) gefeiert. Es ist ein Relikt des 3.000 Jahre alten Kultes rund um die Göttin Angitia.
Gerade für alle, die es mit Schlangen nicht so haben: Es ist Wert, sich mit diesen Wesen ein wenig zu beschäftigen!

Zuerst einmal einige Infos zu Angitia: Sie ist eine der vielen Schlangengöttinnen, die es rund um den Globus gibt und stammt aus der pre-römischen Mytho­logie aus der Gegend des heutigen Umbrien. Dort lebten die MarserInnen, PaelignerInnen und an­dere oskisch-umb­rischer Volksgruppen – diese waren bekannt dafür, dass sie der Kräuter­kun­de und namentlich auch des Schlangen­zau­bers mächtig waren und dafür auch Schlan­gen züchteten und zähmten. Dafür hat­ten sie auch eine Göttin. Diese wurde auch „die Würgerin“ genannt, weil sie angeblich durch ihre Zaubergesänge Schlangen erwürg­te.
Ihr lateinischer Name Angitia ist entweder auf das Wort „anguis“ (= Schlange) zurückzu­füh­ren oder auf „angere“ (= sich ängstigen).
Man nimmt an, dass sie im Volksglauben für die Hei­lung von Schlangenbissen zu­ständig war und darum gebeten wurde. Aber das Schlangengift wurde auch medizinisch genutzt.
Ihre Priesterinnen haben vermutlich mit dem Schlan­gen- und Pflanzengiften auch Tinkturen und Arz­neien hergestellt, die bei allen mögli­chen Krankhei­ten eine heilende Wirkung hat­ten. Speziell bei Zahn­problemen wurde Angi­tia angerufen, was wiederum wieder etwas mit Schlan­gen zu tun hat, da man­chen Schlan­genarten ihr Leben lang Zähne nach­wach­sen können.
Die Reste ihres Tempels kann man noch be­sich­tigen. Er befand sich in einem heiligen Hain am Ufer des mittlerweile ausgetrock­ne­ten Fuciner See.

3.000 Jahre alter Schlangenkult

Sehr lebendig ist noch ihr Kult: Jedes Jahr im Mai wird noch heute in Cocullo, einem Berg­dorf in einem Tal der italienischen Abruzzen das Schlangenfest („la fiesta di separi“) abge­halten.
Dieses „heidnische“ Fest, das in der Tradition tief verwurzelt ist, wurde — wie so viele ande­re Feste — unter einem christlichen Vorwand weitergeführt, da die alten Bräuche nicht ein­fach weggewischt werden konnten. Daher wur­de die Göttin durch einen Benediktiner­mönch ersetzt, den Heiligen Abt San Domini­kus. Doch der 3.000 Jahre alten Kult rund um die Göttin Angitia scheint eindeutig durch.
Vor dem Fest sammeln die jungen Frauen und Männer des Dorfes heute noch in den umlie­gen­den felsigen Bergen hunderte von Schlan­gen. Zu Beginn der Prozession wird die Statue des Heiligen über und über mit diesen Schlan­gen behängt. Das erinnert sehr an alte Dar­stellungen der Göttin Angitia mit unzähli­gen Schlangen auf ih­rem Körper.
Auch die Menschen selbst schmücken sich mit den Schlangen, vor allem mit Äskulap­nattern und Vierstrei­fen­nattern.
Die Prozession durch den Ort endet in der Kir­che, wo die Schlan­gen schließlich sogar auf den Altar gelegt werden. Es gilt als günstiges Zeichen, wenn sie sich um den Kelch mit dem Mess­wein winden.
So wie sie es wahrscheinlich schon vor tausen­den Jahren im Tempel der Angitia und um de­ren Kelch (als Symbol der Weiblichkeit) getan haben.
Wer sich traut, berührt die Schlangen und er­hofft sich dadurch Gesund­heit und Glück.

Hochverehrt und verteufelt

hygieia_2Vielen sind ja Schlangen suspekt. Das hat vor allem seinen Grund im Christentum, das Schlangen im wahrsten Sinne des Wortes verteufelt. Während in alten Kulturen, wie z.B. im pre-römischen Umbrien, im antiken Kreta, bei den australischen Ureinwohnerinnen, in Südamerika oder den baltischen Ländern Schlangen hochverehrt waren und es dafür Göttinnen und sicher auch Schlangenpriesterinnen gab.
Schlangen gelten vielfach als willkommene Haus- und Schutztiere, man stellt ihnen Schälchen mit Milch hin, sie erscheinen in zahlreiche Mär­chen oft mit einem Krön­chen am Kopf und brin­gen Glück, Klug­heit und Reich­tum.
schlangenmutter1Im alten Kreta zeigen die Figuren der Schlangengöttinnen, wie wichtig sie waren – z.B. um drohende Erdbeben anzukünden. Schlangen sind We­sen voll der Weis­heit und Zauber­kraft. Die sich häutende Schlange ist Inbegriff für die sich ewig erneuern­de Kraft, sie steht für Hei­lung – was sich un­ter anderem auch in den Schlan­gen der Göttin Hygieia im Apotheken-Zeichen zeigt.

Ihren schlechten Ruf haben Schlangen erst im Juden- und Christentum bekommen. Da ist natürlich die von Gottvater verdammte Schlange, die große „Verführerin“ im Paradies: „Du sollst verflucht sein unter allem Vieh und unter allen Tieren des Feldes! Auf deinem Bauch sollst du kriechen, und Staub sollst du fressen alle Tage deines Lebens“ (1. Mose 3). Der Grund für diese Verdammnis: Die Schlange, das kluge Tier, hat Eva und damit den Menschen die Erkenntnis nahe gebracht, Gut von Böse unterscheiden zu können. Und das hat Gottvater so gar nicht in den Kram gepasst.

Schlangenkraft ist Erdkraft

Maria_SchlangeAus diesem Grund könnte man vermuten, dass Maria, die Muttergöttin sehr oft auf einer Schlange steht, bzw. auf einer Erdkugel, die von einer Schlange umwunden ist.
„Maria zertritt die Schlange“, ist da oft zu lesen. Doch die Bilder sprechen eine ganz andere Sprache. Hier zeigt sich Maria gut ge­erdet, denn die Schlangenkraft ist auch immer ein Symbol für die Erdkraft.
Ein Kupferstich aus dem 15. Jahrhun­dert, der für eine Spielkarte verwendet wur­de, ist eines von vielen schönen Beispielen, wie sich unter dem Rock von Maria eine lieb­li­che, ein­deutig weibliche Schlan­ge verbirgt, die voll Ver­trauen herausschaut. Ein Bild voll der Har­monie – wie von zwei sehr vertrau­ten Frauen.

Die Mär von der falschen Schlange

Und da gibt es auch noch die „falsche Schlange“ – eine Bezeichnung, die eigentlich nur für Frauen angewandt wird. Vordergründig gemeint ist damit eine unaufrichtige, hinterlistige Frau. Eigentlich ist dies aber ein Frau, die man unterschätzt hat. Diese „falschen Schlangen“ sind all jene Frauen, die auf eini­ge wenige Kompe­ten­zen reduziert wur­den.
Und die dann – bei Be­darf – in ih­rer ganzen Macht­fülle da­her­kom­men, ihre In­tel­ligenz ein­set­zen, gute Strategien haben und neben ge­scheit vielleicht auch noch sexy sind. Wer soll sich denn da noch aus­ken­nen?
So eine „fal­sche Schlan­ge“ aber auch!

Vielleicht ist heute, am Tag des großen Schlangenfestes eine gute Gelegenheit, sich mit der eigenen Schlangenkraft auseinander zu setzen. Und die eigenen Kräfte der Häutung, der Weisheit, der Erdung und der vielen anderen glücksbringenden Schlangeneigenschaften zu feiern.

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Informationen zu den erwähnten Göttinnen:
Angitia
Hygieia
Maria
kretische Schlangengöttin

Bilder: artedea.net / Wikimedia

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Eine Antwort zu Heute werden die Schlangen gefeiert

  1. Roswitha Haala sagt:

    Herzlichen Dank Andrea!
    „(…) unter dem Rock von Maria eine lieb­li­che, ein­deutig weibliche Schlan­ge verbirgt, die voll Ver­trauen herausschaut. Ein Bild voll der Har­monie – wie von zwei sehr vertrau­ten Frauen. (…)“
    Ganz genau. Schlange als Erdgöttinkraft. Maria – als eine der beiden ur_sprünglichen Marien (Erde und Luna) – mit Vollunascheibe und Aura 😉 .

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