Mit bloßen Brüsten und wehenden Haaren liefen sie einst über die Felder – die antiken Sportlerinnen der „Heraia“, das Fest, das als Vorläufer der Olympischen Spiele gilt. Heute – am 6. April – vor genau 120 Jahren fanden in Athen zum ersten Mal die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit statt.
Durch Sport sollte Frieden und Verständigung auf der Welt zu gefördert werden – das war der Leitgedanke der modernen Neuauflage der Olympischen Spiele 1896.
Es ging aber auch um das Streben nach „Citius, altius, fortius“ („Schneller, höher, stärker“). Zutiefst patriarchale Werte, die nach dem Prinzip „Kampf der Spermien“ funktioniert: „ERSTER!!!“
Da gibt es kein kooperatives Miteinander und schon gar keine friedensfördernde Atmosphäre. Wie weit wir mit diesem „Schneller, höher, stärker“ gekommen sind, das erkennen wir, wenn wir uns die Situation unserer Erde anschauen.
„Dabei sein ist alles“ – dass ich nicht lach‘.
Symbol für universale Wandlungs-Zyklen
Kaum zu glauben, dass diese Olympischen Spiele ursprünglich das große Sportfest zu Ehren der großen Muttergöttin Hera abgehalten wurden.
Alle vier Jahre kamen Frauen auf einem Feld bei Heras Stadt Argos zu diesen „Heraia“ zusammen, um sich in 150-Meter-Läufen zu messen. Sie liefen mit bloßen Brüsten und wehenden Haaren. Der Lauf führte über abgeerntete Felder und spiegelte somit die universalen Wandlungs-Zyklen des Jahreskreises wider. Dies kannte man in manchen Gegenden Westeuropas noch im vergangenen Jahrhundert als „Stoppelläufe“ oder „Schäferinnenläufe“.
Diese Heraia waren Teil eines größeren Göttinnendienstes und wurden von 16 Frauen ausgerichtet. Es gab bei der Heraia drei Altersklassen und drei Gewinnerinnen.
Damit sollten die drei Lebensphasen der Göttin geehrt werden, die sie wie sterbliche Frauen auch durchschreitet: Jugend, Reife und Alter. Hera als Erd-, Natur- und Vegetationsgöttin zeigt uns das deutlich in den Zyklen der Jahreszeiten.
Die drei Gewinnerinnen, ein junges Mädchen, eine reife und eine alte Frau, durften eine Statuette von sich in Heras Schrein aufstellen lassen. Und jede erhielt eine Krone aus Olivenzweigen und einen Anteil von der Kuh, das bei diesem Sportfest das Schlachtopfer war.
Jeweils in den Jahren zwischen diesen Heraia wurden später die großen Olympischen Spielen etabliert, bei denen nur Männer teilnahmen.
Die Heraia fanden am Neumond zu Beginn des Monats Parthenios statt, also in einer matriarchalen Konstellation der Festzeit von Nacht und Neumond, im Gegensatz zu den späteren patriarchalen Spielen, für die Tag und Vollmond maßgebend waren.
Die „Heraia“ wurden vom 6. Jahrhundert v.u.Z. bis in die römische Kaiserzeit in mehreren griechischen Städten abgehalten.
Jeweils im Jahr vor bzw. nach den Olympischen Spielen wurden im antiken Griechenland Wettkämpfe im Heiligtum der Göttin Nemea ausgetragen. Das Programm umfasste folgende Disziplinen: Stadionlauf (Stadionlänge 180 m), Boxen, Bogenschießen, Ringen, Diskuswerfen, Speerwerfen und Wagenrennen.
Das olymische Feuer der Hestia
Die olympische Fackel, die immer noch weitergegeben wird und feierlich am Beginn der Spiele entzündet wird, ist die ewige Flamme der Göttin Hestia. Sie ist die Göttin des gehüteten, nährenden Feuers, das in der Mitte jedes Heims die wärmende und nährende Quelle ist und damit auch das Zentrum aller Gemeinschaften verkörpert.
Hestia symbolisiert das ruhige und friedvolle Element des Olymps und daran soll das olympischen Feuer erinnern.
Die Spiele zu Ehren der Hera mit Hestias Flamme sollten alle vier Jahre den heillos zerstrittenen griechischen Volksstämmen das Gefühl der Gemeinsamkeit in Erinnerung rufen. Den während der Spiele herrschte Waffenstillstand.
Wenn am 5. August 2016 das Feuer der Hestia bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro feierlich entzündet wird, könnte man sich daran erinnern. Wie wäre es, wenn weltweit für die Dauer dieser Spiele bis 21. August absoluter Waffenstillstand herrschen würde?
Mehr Infos zu den erwähnten Göttinnen:
Hera
Hestia
Nemea
Bild:
Umai