Ich mag ja diese katholischen Feiertage, ganz besonders jene, bei denen es um Maria geht.
Denn sie geben zum einen gute Hinweise auf viel ältere Mythen und die damit verbundenen Rituale, auf die sich die Kirche drauf gesetzt hat. Zum anderen streichen sie die Bedeutung dieser Muttergöttin hervor und stellen so den „missing Link“ zu den alten Göttinnen her.
Heute, am 22. August – mitten in die Zeit zwischen dem Großen und dem Kleinen Frauentag – fällt der Feiertag „Maria Königin“.
Es ist das Fest der „Königswürde“ Mariens. Verbunden damit ist das uralte Motiv der Krönung Mariens, das in der abendländischen christlichen Ikonographie besonders auf Altarbildern häufig dargestellt ist.
Im Rosenkranzgebet wird als letztes der glorreichen Geheimnisse meditiert:
Jesus, der dich, o Jungfrau, im Himmel gekrönt hat.
Das ist ja schon seltsam, dass das Kind seine Mutter krönt. Logisch wäre eigentlich der umgekehrte Vorgang.
Der marianische Aspekt als matriarchaler Hinweis
Papst Pius XII. widmete in den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts dem wahren Königtum Mariens eine eigene Enzyklika und ergänzte somit die von Pius XI. stark geförderte Christkönigsverehrung um den marianischen Aspekt.
Man könnte das also durchaus eine späte Anerkennung matriarchaler Strukturen bezeichnen: Die eigentliche „Königin“ ist Maria, die Mutter. Wer sollte das auch sonst sein?
Sie gebietet als Königin fortan über alle Engel, MärtyrerInnen, Jungfrauen, Apostel, Heiligen und alle bekennenden ChristInnen.
Wie es die Matriarchin in matriarchalen Clans auch tut. Wohlgemerkt nicht als Herrscherin, sondern als wohlwollende, umsichtige, mütterliche Instanz.
Maria Königin heißt in der lateinischen Sprache: Maria Regina. Und das Verb „regere“ (also regieren) hat ja auch im Laufe der Zeit eine Bedeutungsumwandlung erfahren: Hatte es früher die Bedeutung von lenken bzw. leiten, auch verwalten oder walten, so wurde später daraus: beherrschen, befehligen, die Macht haben.
Das lässt schon auf den deutlichen Unterschied zwischen matriarchalem und patriachalem Verständnis schließen.
Acht Tage nach Himmelfahrt, dem großen Frauentag
Die Verehrung Mariens als Himmelskönigin entwickelte sich im ausgehenden Mittelalter. Papst Pius XII. legte zum Abschluss des marianischen Jahrs 1954 mit der Enzyklika Ad caeli reginam das Fest Maria Königin für die Gesamtkirche auf den 31. Mai, den letzten Tag des Marienmonats.
Im römischen Kalender von 1969 wurde es auf dem 22. August verlegt – acht Tage nach Mariä Himmelfahrt. Also eine Woche, nachdem Maria in den Himmel aufgefahren ist, konnte man sicher sein, dass sie dort auch angekommen ist. Offenbar gab es dann auch „obersten Familienrat“ und Gottvater sowie -sohn war klar, dass Maria die Krone zusteht.
Das marianische Jahr 1954 wurde übrigens zum Gedenken an die Verkündigung des Dogmas von der „unbefleckten Empfängnis“ 100 Jahre zuvor gefeiert.
Kurz zur Erinnerung: Die unbefleckte Empfängnis ist jenes Mysterium, mit dem Anna ihre Tochter Maria empfangen hat (Näheres dazu siehe HIER ).
Nicht mit der „Jungferngeburt“ zu verwechseln, mit der Maria später ihrem Sohn Jesus das Leben schenkte.
Maria ist die Nachfolgerin und der Ersatz für alle Himmelsköniginnen, für alle Göttinnen, die sich Menschen schon seit jeher im Himmel vorgestellt hatten sowie für allen Göttinnen, die einfach als das gesamte Universum begriffen werden. Das sind z.B. die ägyptische Nut, deren Körper sich als Himmelsgewölbe über die Erde spannt, die indische Mutter des Universums Aditi, die hethitische Königin des Himmels Arinna, die taoistische Bixia Yuanjin, die auch Prinzessin der azurblauen Wolken genannt wird, die syrische Sternen- und Himmelsgöttin Astarte oder auch die alpenländische Holla, die es ja bekanntlich vom Himmel aufs auf die Erde herunter schneien lässt.
Mehr Informationen zu den erwähnten Göttinnen:
Aditi
Anna
Arinna
Astarte
Bixia Yuanjin
Holla
Maria
Nut
Bildquellen:
artedea.net
Die Krönung der Jungfrau Maria, Ölbild von Diego Velásquez um 1645 – wikipedia.org