Pago a la Pachamama

pachamama-3Anfang August feiern die Anden-Völker die Göttin Pachamama. Die Zeit zwischen der ersten Ernte (die in den Anden im frühen Sommer stattfindet) und der zweiten Aussaat für die Herbsternte ist ganz besonders der Pachamama geweiht, weil die Erde da sehr verletzlich ist.
Bevor im August ein neuer Anbauzyklus beginnt, wird daher die Zeremonie des „pago a la Pachamama“ (Bezahlen der Pachamama) durchgeführt. Dabei werden der Mutter Erde in Ritualen Weihegaben dargebracht. Nur dann ist sie bereit, die Menschen im neuen Erntezyklus zu unterstützen, da sie nach andiner Ansicht „gereizt“ und der Boden „hungrig“ und „offen“ ist. Jedes Fleckchen Erde muss Pachamama rituell „bezahlt“ werden, damit es fruchtbar bleibt und gute Ernten erwartet werden dürfen.
Häufig werden dazu in die Erde tiefe Löcher gegraben, in die die Gaben der Erde rituell hineingelegt und damit wieder zurück gegeben werden. Fast so, als wolle man die Erdgöttin für die nächste Wachstums- und Ernteperiode wieder daran erinnern, was sie zu geben bereit ist.

Was bringt Balance?

Das gesamte Leben der AndenbewohnerInnen ist darauf ausgerichtet, ein ständiges Gleichgewicht zwischen den Gegensätzen zu schaffen. So haben Arbeit, Gebete, Feste und Riten das Ziel, dieses Gleichgewicht der diametralen Kräfte zu erhalten bzw. es immer wiederherzustellen. Das Zurückzahlen an die große Erdmutter folgt auch diesem Prinzip: Sie verschenkt sich in einer so großen Üppigkeit, dass die Menschen das Bedürfnis haben, auch etwas zurückzugeben, um einen Ausgleich herzustellen.

Es heißt, Pachamama erwartet Achtung und Ehrerbietung gegenüber aller Speisen, Getränken und anderer Gaben, die von ihr kommen. Und schließlich ist uns alles, was wir für unser Leben brauchen, von Pachamama, der Erde geschenkt.
Ein Innehalten bevor man eine Speise zu sich nimmt, ein bewusstes Genießen, der sorgsame Umgang mit Rohstoffen und Ressourchen – das sind ganz alltägliche Ausdrucksformen dieser Achtung gegenüber der stetigen Schöpfungskraft von Mutter Erde.
Und es ist auch eine Form der Kommunikation, denn die Andenvölker sehen die Erde als lebendiges Wesen an, das wie der Mensch aus Körper, Seele und Geist besteht und mit dem die Menschen auch (rituell) kommunizieren können.

Worte, die bei Zeremonien an Pachamama gerichtet werden, können etwa so lauten:
„Die Erde ist diejenige, die die Früchte für meine ganze Familie gibt und so biete ich ihr Jahr für Jahr immer etwas davon an – was ich trinke, was ich kaue und rauche, als Zeichen der Dankbarkeit, denn du erhältst meine ganze Familie.“

Unterschied zwischen Opfer und Weihegabe

pachamamaBei Schilderungen von Pachamama-Ritualen wird immer wieder von „Opfern“ gesprochen. Es ist zu vermuten, dass es sich beim „Pago a la Pachamama“ eher um „Weihegaben“ handelt. Denn zwischen Opfer und Weihegabe besteht ein Unterschied.
Der Brauch, den Gottheiten Geschenke darzubringen, hat in vielen Religionen eine lange Tradition und scheint zu den ältesten Sakralakten zu zählen.
Neben Gebeten und Anrufungen war in den antiken Tempelkulten das rituelle Hinterlegen von geweihten Gaben bedeutend.
Mit solchen Gaben erbaten, ja beschworen die Menschen Hilfe und Schutz, Gesundheit und Erntesegen oder sie dankten den Gottheiten für erwiesene Wohltaten.
Das grundlegende Prinzip war das eines „do ut des“ („ich gebe, damit du gibst“).

Weihegaben folgen dabei mehr dem Prinzip des „Ausgleich Schaffens“ und aus Respekt vor dem ewigen Kreislauf, den die Menschen erkannt haben. Es handelt sich um ein freudvolles Zurückgeben heraus aus der erlebten Fülle, wie sie vor allem mütterliche Figuren, wie Schöpfungs-, Fruchtbarkeits- oder Erntegöttinnen verschenken.

Bei Opfern steht mehr das Leid und die Sühne im Vordergrund. Die Handlung erfolgt eher aus einem Gefühl des Mangels und hat meist auch eine ängstliche oder vorwurfsvolle Haltung. Mit Schmerz oder großer Entbehrung wird versucht, Gottheiten in eine positive Stimmung zu bringen, damit z.B. ein Projekt gelingt, die Ernte gut wird, jemand aus der Familie gesundet.
Irgendwie interessant, dass Menschen vermuten, dass Gottheiten auf solche masochistischen Handlungen stehen.
Nicht von ungefähr sind Opfergaben daher eher an männliche Götter gerichtet und oft sehr blutig, es werden Tiere geschlachtet, das geht bis hin zur Aufopferung des eigenes Lebens eines Todes am Kreuz.
Weihegaben verströmen Schönheit, sie richten sich vor allem an Göttinnen – im christlichen Zusammenhang an Maria, die Muttergöttin – und werden liebevoll dargebracht – z.B. in schönen Körben, mit Blüten geschmückt, begleitet von Gesängen, Segenssprüchen und ähnlichem.

Auf youtoube kann man zahlreiche „pago a la Pachamama“-Zeremonien sehen. Bunt, üppig, voll heiterer Ernsthaftigkeit, sie scheinen alle nichts mit „opfern“ zu tun zu haben.
Hier vier sehr unterschiedliche Beispiele:
1º de Agosto celebración de la Pachamama
Pago a la Pachamama en el Morro de Ccalamocco, Yaso Viraco, miércoles de carnaval
Ritual de la Pachamama en casa de Doña Presentación
OFRENDA A LA PACHA MAMA

Das Fest der Schnitterin

In unseren Breitengraden ist die Qualität des Monats August auch mit zahlreichen Bräuchen und Ritualen gefeiert worden. Rituale, die nun langsam wieder zurückkehren, wie das „Fest der Schnitterin“. Auch hier geht es um den Aus­gleich von Geben und Neh­men und darum, dass wir Men­schen ein Be­stand­teil in die­sem Ge­füge sind.
Dazu habe ich schon einiges vor zwei Jahren geschrieben. Ihr findet es HIER.

Hier mehr Informationen zu Pachamama

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5 Antworten zu Pago a la Pachamama

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