Sancta Dorothee bringt den meisten Schnee!
Der Februar ist ja der „Weibermonat“. Die frische helle Qualität, mit der die Göttinnen gefeiert wurden, die vom nahenden Frühling künden, ist an der katholischen Kirche ja auch nicht unbemerkt vorüber gegangen.
So ist der Februar jener Monat mit den meisten Festen im Kirchenjahr, die den heiligen Frauen geweiht sind.
Nach Agatha gestern ist heute, am 6. Februar die heilige Dorothea dran.
Und ich sag’s gleich, in ihrer Märtyrerinnen-Geschichte werden auch ihr, wie ihrer Leidensgenossin Agatha die Brüste mit Fackeln verbrannt. Darüber hinaus wurde sie in einen Kessel mit wallendem Öl geworfen, dem sie unversehrt entstieg, wie mit edlem Balsam gesalbt. Auch nach neun Tagen und Nächten ohne Nahrung in einem lichtlosen Kerker gesperrt, kam sie heraus schöner als je zuvor. Alle ihre Wunden heilten sofort.
Warum die ganze Pein: Immer das gleiche Schema. Die zum Christentum konvertierte Frau wollte einer Ehe entgehen, indem sie verkündete, nur Christus anzugehören.
Schön langsam habe ich den Verdacht, dass sich die Frauen damals mit allen Mitteln aus unerwünschten Verheiratungen retten wollten und da kam ihnen die Jesus-Story vermutlich ganz gelegen.
Auch bei Dorothea reagierte der verschmähte Mann, in dem Fall der Statthalter der Provinz, mit Verhängung zahlreicher Foltermethoden.
Geschenk der Göttin
In vielen dieser weiblichen Heiligenlegenden gingen die Frauen aus ihrem Martyrium unversehrt, heil und noch schöner und fröhlicher als zuvor heraus.
Das ist ein eindeutiger Hinweis auf eine unverwundbare und unsterbliche Göttin.
Die Menschen erzählten sich die Geschichte vielleicht so, als hätte es eine normale menschliche Frau betroffen. Dahinter steckt vermutlich der Kampf um die Ablösung der weiblichen Muttergöttin durch den männlichen Vatergott mitsamt seinem „eingeborenen“ Sohnemann.
Allein der Name „Dorothea“ sagt schon alles: „Geschenk der Göttin“ heißt er übersetzt.
Interessant ist auch die Symbolik: Der Kessel, in den sie geworfen wird, ist in vielen Mythen das Attribut der Göttin.
Er ist Ausdruck der Fülle, des Lebens und der Wiedergeburt, ein zentrales Symbol vom ewigen Kreislauf des Lebens, aus dem alles herauskommt und in den wieder alles zurückkehrt, wie dies z.B. gut im Mythos der Göttin Cerridwen zum Ausdruck kommt.
Bei vielen Göttinnen wird auch von ihrem Bauchkessel gesprochen, dem Ursprung des Lebens.
Welch ein Symbol also für Dorothea! Natürlich kann ein Aufenthalt im Kessel für sie nur wie reiner Balsam sein.
Dazu kommen die neun Tage im „dunklen Kerker“. Dieser scheint das Sinnbild vom Bauch von Mutter Erde, der Unterwelt, der Anderswelt. Wenn in Mythen von Tagen die Rede ist, dann sind damit oft Monate oder Jahre gemeint.
Also wenn wir in diesem Fall Tage durch Monate übersetzen, dann ist es offensichtlich, in welch „dunkler Höhle“ sich Dorothea neun Monate lang aufgehalten hat, ehe sie auch dieser jung und schön herausgekommen ist.
Neun ist auch 3 x 3 und die Drei ist die heilige Zahl der Großen Göttin in ihrer Dreifaltigkeit: Die weiße Junge, die rote Mütterliche und die schwarze Alte.
Gerne wird die Drei auch mit sich selbst multipliziert, um ihr noch einen kraftvolleren Ausdruck zu verleihen, der auf die Gültigkeit für die Ewigkeit oder zumindest für lange Zeiträume hinweist.
Das vierte Heilige Madl
Die Legende der Dorothea ist so vielseitig mit den Aspekten von Geburt, Tod und Wiedergeburt ausgestattet, mit den Symbolen zum ewigen Kreislauf des Lebens, dass sie sich als viertes Viertel im „Capitalis-Quartett“ mit den drei Bethen eignete. Diese alten alpenländischen Muttergöttinnen Borbeth, Ambeth und Wilbeth wurden ja auch anhand von ihnen angedichteten grausamen Foltergeschichten in christliche Märtyrerinnen und damit in Heilige umgewandelt.
Damit fanden sie als die drei weiblichen Figuren unter den 14 NothelferInnen Eingang – die sogenannten „Heiligen Drei Madln“.
Zusammen mit Margareta von Antiochia, Katharina von Alexandria und Barbara von Nikomedien gehört die heilige Dorothea zur Gruppe der sogenannten „Virgines Capitales“, der großen heiligen Jungfrauen.
Dorothea wird daher auch immer wieder als eine Nothelferin angesehen und ist in der mittelalterlichen Kunst eine der beliebtesten Heiligen. Sehr oft wird sie gemeinsam mit Barbara, Margareta und Katharina dargestellt. Dorothea ist dabei oft die mit dem Blumen- oder Apfelkörbchen.
Wie auch bei den „Heiligen Drei Madln“ ist die Legende der Dorothea natürlich historisch nicht haltbar, daher wurde sie beim 2. Vatikanischen Konzil aus dem Heiligen-Kalender gestrichen.
Das Rosen-Wunder im Winter
Hübsch ist ihre Geschichte mit den Rosen und den Äpfeln:
Dorothea mit dem Tode bedroht sagte, sie wolle sie gerne leiden aus Liebe zu ihrem Herrn, in dessen Garten sie sich ewiglich erfreuen und Rosen und Äpfel brechen werde.
Der Schreiber Theophilus rief ihr darauf höhnisch zu: „Wenn du zu deinem Gemahl in den Garten kommst, so schicke mir doch von den schönen Rosen und süßen Äpfeln welche zu!“
An ihrer Richtstätte erschien im tiefsten Februar ein goldlockiger Knabe in sternbesticktem Kleidchen (!) mit einem Korb, in dem drei Äpfel und drei frische Rosen lagen.
Gut, Äpfel kann man ja den Winter über gelagert haben, aber Rosen!?
Dorothea schickte ihn zu Theophilus, neigte sich und wurde enthauptet.
Theophilus wurde ob dieser Gabe und des Wunders frischer Blumen und Früchte mitten im Winter augenblicklich zum Christentum bekehrt, zudem er sich sofort sich mit lauter Stimme bekannte. Natürlich bekam auch der den Vorzug, heilig zu werden – nachdem er vielfältig gemartert, schließlich enthauptet und sein Leichnam zerstückelt den Tieren vorgeworfen wurde.
Symbole der puren Weiblichkeit
Wohin zog sich Dorothea wohl wirklich zurück? Vermutlich in ihren Apfelgarten, wie ihn viele der alten Göttinnen hatten (siehe auch das artedea-eBook: Der Apfel: Die magische Frucht der Göttin)
Erstaunlich, dass Dorothea als Wunder gerade Äpfel und Rosen wählte.
Äpfel sind ja im christlichen Sinn die verbotene Frucht, mit der die ganze Misere der Paradies-Vertreibung begonnen hatte. Warum sollten gerade diese das Symbol der Wahl für eine fromme Christin gewesen sein? Allerdings sind Äpfel das fruchtbare Attribut vieler Göttinnen.
Und Rosen sind immer auch ein Zeichen für die pure Weiblichkeit und damit für die Vulva und auch Attribute großer Göttinnen.
Äpfel sind übrigens Rosengewächse. Daher kann die Rose als die Blüte und als Symbol für die junge Frau und der Apfel als die reife Frucht und als Symbol für die fruchtbare Frau gesehen werden.
Dass die Anzahl der Rosen und Äpfel jeweils drei waren, lässt auch auf die dreifache Göttin schließen.
Dorothea ist die katholische Schutzheilige der GärtnerInnen und BlumenhändlerInnen – das ist klar.
Aber interessanter Weise beschützt sie, die unter keinen Umständen heiraten und ewig keusch bleiben wollte, auch die Bräute, die Frischvermählten und die Wöchnerinnen. Diese Logik der katholischen Heiligen wird mir wohl für immer ein Rätsel bleiben …
Bäuerinnenweisheiten:
- Santa Dorothee bringt den meisten Schnee!
- Bringt Dorothee recht viel Schnee, bringt der Sommer guten Klee.
- Nach dem Dorotheentag, kein Schnee mehr gerne kommen mag.
- Zu Dorothee Schnee auf den Tannenwipfeln, wird in reicher Ernte gipfeln.
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Mehr zu den erwähnten Göttinnen:
Ambeth
Borbeth
Cerridwen
Wilbeth
Drei Bethen
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Bildquellen:
Cranach, Lucas, d.Ä. – Die Heilige Dorothea / commons.wikimedia.org
Cerridwen / artedea.net
Drei Bethen / artedea.net
Wolframs-Eschenbach. Liebrauenmünster: Rosenkranzaltar ( 1510 ) – die heiligen Dorothea, Margareta, Barbara and Katherina von Alexandrien / Wolfgang Sauber / commons.wikimedia.org
Philips de Marlier – St Dorothea of Caesarea in a Flower Garland / commons.wikimedia.org
Apple-970449_1920 / Golda / pixabay.com
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