Am 11. Juni wird in den U.S.A. der Tag des Maiskolben (engl. National Corn on the Cob Day) gefeiert. Das klingt vielleicht lustig, hat aber einen ernsten Hintergrund.
Mais ist eines – wenn nicht das – Hauptnahrungsmittel Nordamerikas. Natürlich kam der Mais zuerst in wilder Form vor. Und es war eine Kulturleistung, ihn zu züchten und gezielt anzubauen. Es gibt viele Mythen rund um große Hungersnöte der amerikanischen Urbevölkerung und wie die Menschen erkannt haben, Mais zu kultivieren.
Immer wieder handeln diese Geschichten auch von Maisgöttinnen, die die Menschen lehrten, den“toten Körper“ der Maismutter in Form von vertrockneten, harten Maiskörnern in die Erde zu legen und damit sozusagen zu beerdigen. Wie durch ein Wunder erblühte die Maisgöttin im kommenden Jahr, war also wiedergeboren.
Die „toten“ Maisperlen begraben
Bei den Pawnee, die im heutigen Bundesstaat Kansas bzw. Nebraska leben, gilt H‘ Uraru als die Mutter von Leben und Tod. Sie ist die Erde selbst, die ständig Leben aus sich hervorbringt, vor allem den lebensnotwendigen Mais.
Die Legende sagt, die „unheimliche H’Uraru“ ist nicht nur die Erde, sie lebt auch in jedem Maiskolben und hat die Macht über Leben und Tod indem sie die Nahrung schenkt oder verweigert. Die Kraft des Maiskolbens kommt von der Erde. Jene, die für diese Macht zuständig sind, kommen von oben. Diese Synthese hat die göttliche Kraft von H’Uraru.
Wegen dieser göttlich-himmlischen Kraft werden Maiskolben auf Darstellungen oft auch blau gemalt. Der blaue Mais und das blaue Maismehl ist heilig.
Indem man die scheinbar toten Kinder der Göttin (vertrocknete Maisperlen) begräbt, schenkt man ihnen neues Leben. Dieses Gleichnis wird auch auf Menschen angewandt:
Die Erdgöttin speist die Lebenden, umarmt die Toten und schenkt ihnen neues Leben.
Ein tröstlicher Gedanke.
Der Brauch, die letzten Körner bzw. die letzte Garbe einer Ernte besonders zu behandeln, ja sogar als „heilig“ anzusehen, ist auch bei uns und in vielen anderen Kulturen bekannt. So werden zu Ehren vieler Korn-, Weizen- oder Roggengöttinnen besondere Rituale durchgeführt, um ihre Gunst für die nächste Ernteperiode zu sichern.
Aus dem Herzen der Göttin
Iyatiku wird von den Keres, einem Volksstamm der uto-aztekischen Sprachfamilie verehrt. Sie bauen als ihre Hauptnahrungsquelle Mais an. Iyatiku wird daher auch als große Maismutter verehrt.
Zum Beginn der Zeit schickte sie ihre Kinder durch vier unterirdische Zonen hinauf in die Menschenwelt. So entstanden die Menschen.
Um sie auch zu ernähren, pflanzte sie kleine Stückchen ihres Herzens im Norden, Westen, Süden und Osten aller Felder. Aus diesen Herzen der Göttin wächst seither Mais.
Zaramama ist die Getreidemutter bei den Inka bzw. in Peru. Sie ist die Nährende, die Mutter aller Ernten.
Sie wird oft als das Maisfeld selbst angesehen, die Maispflanzen sind ihre Ohren. Zaramama ist mit den zahlreichen Maissorten verbunden. Diese Pflanzen wurden gelegentlich als Töchter von Zaramama angesehen.
Um Fruchtbarkeit zu erbitten, streuen Frauen auf die Felder (Mais-)Mehl, um der Göttin etwas von ihrer Gabe zurückzugeben. Zu diesem Zweck werden nach der Ernte auch Figuren von ihr an den Feldrändern eingegraben.
Um die Göttin zu rufen, werden an Weidebäumen aus Maisblättern geformte Göttinnen-Gestalten aufgehängt.
Menschen aus Mais geformt
Xmucane und ihr Mann Xpiacoc sind als älteste aller Maya-Gottheiten die Großeltern dieser Kultur. Sie hat der Legende nach die Zeit erfunden.
Gemeinsam haben sie begonnen, die Erde zu bevölkern. Die ersten Menschen haben sie aus Lehm geformt, doch sie lösten sich auf, als es zu regnen begann. Dann probierten sie aus, Menschen aus Holz zu machen, aber diese hatten weder Geist noch Seele.
Enttäuscht über diese Fehlschläge ließen sie eine Überschwemmung über die Erde kommen, die diese Geschöpfe hinwegschwemmte. Schließlich erfanden sie den Mais, um aus dessen Mehl einen Teig zu kneten.
Aus diesem konnten sie nun endlich brauchbare Menschen herstellen. Mais war daher für die Kultur der Maya heilig, nicht nur weil er das Grundnahrungsmittel war sondern weil die Menschen auch glaubten, dass sie selbst aus Mais hergestellt wurden.
Gebet an die Maismutter
Die Menschen verschiedener indigener Stämme Nordamerikas rufen die „Maismutter“ immer noch mit der Bitte um Nahrung, Fruchtbarkeit und ihr Wohlwollen. Sie tun dies, indem sie etwas Maismehl zwischen die Finger nehmen, sich selbst damit segnen, indem sie es auf ihren Kopf streuen, auf die Zungenspitze geben, um es zu kosten, es in der Herzgegend verreiben und dann eine Prise in alle vier Himmelsrichtungen streuen und dabei ihre Bitte bzw. ihr Gebet an die Maismutter laut aussprechen.
Diesem Gebet vorangestellt ist immer die Bitte:
„Möge ich Schönheit hinter mir lassen,
möge Schönheit links und rechts von mir erblühen
und möge ich weiterhin in Schönheit schreiten.“
Ein Ritual, das die Maisgöttin sicher auch gerne von Menschen aller Erdteile wohlwollend aufnimmt.
Bis zum heutigen Tage tragen die Maiskolben am oberen Ende einen Haarschopf, damit die Menschen wissen, dass die Maismutter sie nicht vergessen hat.
Mehr Informationen zu den erwähnten Göttinnen:
H’Uraru
Iyatiku
Xmucane
Zaramama
Danke für das Zusammentragen und Veröffentlichen alter Überlieferungen aus verschiedenen Kulturen. Mein Dank bezieht sich nicht nur auf diesen Beitrag, sondern auf dein Wirken im Allgemeinen. Liebe Grüße von Heidrun