Vom Laubhüttenfest und einer alten Muttergöttin


Heute, am 17. Oktober beginnt das diesjährige Laubhüttenfest – das ist eines der großen jüdischen Feste. Auf Hebräisch heißt es Sukkot (übersetzt: „Hütten”). Die Laubhütte steht als Symbol für die 40-jährige Wanderschaft in der Wüste, nachdem das Volk von Mose durch den Willen Gottes aus ägyptischer Gefangenschaft befreit wurde.
Das Bauen der Laubhütte soll den Gläubigen auch daran erinnern, dass sich der Mensch auf 
Materielles in der Welt nicht verlassen kann und es jederzeit verloren gehen kann.

Wenn wir jetzt glauben, dieses Thema sei aktueller denn je, dann irren wir.
Dieses Thema war und ist IMMER aktuell – irgendwo auf dieser Erde, wo Menschen von dort, wo sie leben, wegziehen (flüchten) müssen. Wo sie aufgrund von Katastrophen und Kriegen alles verlieren, was sie an Materiellem besitzen.

Im Untergrund dieses Festes schlummert natürlich – wie könnte es anders sein – eine Göttin. Doch zuerst einmal zur Bibel:
Im 3. Buch Mose finden sich genaue Anweisungen:
„Zum Laubhüttenfest, das nach dem Einbringen der Ernte am 15. Tag des 7. Monats mit einem Ruhetag beginnt und eine Woche später mit einem Ruhetag abschließt, müsst ihr noch beachten: Ihr nehmt am ersten Tag des Festes die schönsten Früchte eurer Bäume, dazu Palmzweige und Zweige von Laubbäumen und Bachweiden und feiert dann sieben Tage lang ein Freudenfest zu Ehren des Herrn, eures Gottes.“

Die alte Baumgöttin und der Brauch des Feststraußes

Lulav (hebr. לוּלָב), der Feststrauß zum Laubhüttenfest besteht traditionell aus vier Pflanzenarten: Einem Palmzweig, drei Myrtenzweigen, zwei Bachweidenzweigen und der Etrog (Zitronatzitrone).

Da das Laubhüttenfest nach dem Einbringen der Ernte gefeiert wird, kann es auch als so etwas wie ein Erntedankfest angesehen werden.
Und gerade dieser Hinweis auf  Zweige von Bäumen bringt uns schon auf die alte – dieser Tradition zugrunde liegenden – Urmutter und FruchtbarkeitsgöttinAscherah!
Vor deren Verehrung wird im Alten Testament vielfach gewarnt. Vor allem im Zusammenhang mit dem Laubhüttenfest.

Die Götter kamen und gingen – Ascherah war die Konstante

Ascherah – die Uralte, die große Muttergöttin der frühsemitischen Religionen im hebräisch-kaanaitischen Raum – hatte immer männliche göttliche Gefährten an ihrer Seite: Adad, Baal oder Assur bzw. der Gott El in den kanaanäischen Regionen Palästinas. Einer dieser Gefährten war auch Jahwe – der jüdisch-christliche Gott.
Die Götter kamen und gingen, bekämpften einander, lebten ihre Machtansprüche aus. Ascherah war die Konstante.

Wohlgemerkt: Sie war die große Göttin und hatte Gefährten. Nicht umgekehrt, dass sie das nette Beiwerk zu einem männlichen Gott gewesen wäre. Denn die Sprachwurzel von „Gott“ ist die gleiche wie von „Gatte“ — jener Mann, der einer Göttin zur Seite stand.

Verehrt wurde Ascherah u.a. als Kultpfahl, der einen stilisierten Baum darstellt.
Jetzt sind wir wieder bei den Bäumen und Ästen und Zweigen, die sich bis heute in der Tradition erhalten haben.
Erwähnt wird Kultpfahl z.B. im 5. Buch Mose im Zusammenhang mit dem Laubhüttenfest. Es gibt dort eine Ermahnung, die aufhorchen lässt: „Stellt niemals einen höl­zer­nen Ascherah-Pfahl neben den Altar des Herrn, eures Gottes, den ihr euch bauen werdet.“

Dies lässt unmissverständlich darauf schließen, dass die Wurzel des jüdischen Laubhüttenfest sehr viel älter sind – dass Ascherah schon lange in ihrem Baumsymbol gefeiert wurde – und der damals neue jüdische Gott mit der alten Muttergöttin in großer Konkurrenz stand.
Eine interessante Darstellung der uralten Mutter- und Fruchtbarkeits-Göttin aus dem 13. Jahrhundert v.u.Z. findet sich im Israel Museum in Jerusalem.
Sie zeigt den Körper der Göttin gleichzeitig von innen und außen, wie sie sich auf die Geburt von Zwillingen vorbereitet. Die fötalen Zwillinge in ihrem Mutterleib halten ihre Brüste.
Auf ihren Schenkeln sind ihre Symbole zu sehen:
Der heilige Baum und daneben eine Ziege.

Bei der Mutter- und Himmelskönigin ging es allen gut

Hebräische und kanaaitische Frauen formten Ascherah-Figuren aus Brotteig.
Die Göttin wurde auch das „Erste Brot des Lebens“ genannt.
Der Beitrag der Frauen mit ihren sogenannten „Opferkuchen“ schien beim Göttinnen-Dienst sehr wichtig, wenn nicht der wichtigste gewesen zu sein.
Im übrigen können wir davon ausgehen, dass in matriarchalen Zusammenhängen nicht „geopfert“ wurde, das kam erst im Patriarchat auf. Es handelte sich bei den Kultgebäcken der Frauen wahrscheinlich viel eher um „Weihegaben“ an die Große Mutter.

Ein besonderer Eiferer gegen die alte Muttergöttin war der Prophet Jeremia. Er stellte die Männer wegen der Verehrung der Himmelskönigin zur Rede und diese gaben sehr freimütig zu, dass ihre Frauen wieder zum alten Glauben übergegangen sind und von Männer dabei auch unterstützt werden, aus dem einfachen Grund, weil es ihnen allen in Zeiten der Göttin wesentlich besser gegangen ist:

„Den Worten, die du im Namen des HERRN uns sagst, wollen wir nicht gehorchen,
sondern wir wollen all die Worte halten, die aus unserm eigenen Munde gekommen sind, und wollen der Himmelskönigin opfern und ihr Trankopfer darbringen, wie wir und unsere Väter, unsere Könige und Oberen getan haben in den Städten Judas und auf den Gassen Jerusalems. Da hatten wir auch Brot genug und es ging uns gut, und wir sahen kein Unglück. 

Seit der Zeit aber, da wir es unterlassen haben, der Himmelskönigin zu opfern und Trankopfer darzubringen, haben wir an allem Mangel gelitten und sind durch Schwert und Hunger umgekommen. 
Und wenn wir Frauen der Himmelskönigin opfern und Trankopfer darbringen, das tun wir ja nicht ohne den Willen unserer Männer, wenn wir ihr Kuchen backen, um ein Bild von ihr zu machen, und ihr Trankopfer darbringen.»  (Jer 44, 16-19)

Tja, das hat man damals schon erkannt!
Leider hat diese Erkenntnis nicht wirklich genutzt und die patriarchale Religion des eifersüchtigen, rächenden Gottes hat sich durchgesetzt.

Gott und Göttin scheinen sogar noch einige Zeit gleichberechtigt neben- oder miteinander Gültigkeit gehabt zu haben. Davon zeugen Inschriften wie:
„Ich segne euch durch YHWH von Samaria und durch seine Ascherah.“

Die große Konkurrenz des eifersüchtigen Gottes

Wie konnte diese große Veränderung von der Göttin, bei der es offensichtlich allen gut ging, zum Gott geschehen?

In der Bibel steht übrigens nicht „es gibt keine anderen Götter“, sondern nur, dass man ihnen nicht dienen soll: „Du sollst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen.“ (Ex 20,5)
Also zwischen den Zeilen gelesen, gibt die Heilige Schrift echt zu, dass es andere Götter gibt.

„Gott“ war also in ständiger Konkurrenz und Gefahr, dass andere „Götter“ besser, interessanter, attraktiver sein könnten. Kein sehr entspanntes Dasein.
Was tut er? In seiner offenbaren Verzweiflung wütet und droht er: „Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott: Bei denen, die mir Feind sind, verfolge ich die Schuld der Väter an den Söhnen, an der dritten und vierten Generation“. (Ex 20,5)

Wenn wir heute ein „gutes Leben für alle“ fordern, dann greifen wir auf eine Erkenntnis zurück, die wir bereits in der Bibel lesen können: Vor 4.000 Jahren haben die Menschen, das „einfache Volk“ schon erkannt, dass es sich mit einer Muttergöttin – und damit ist das mütterliche Prinzip gemeint – besser leben lässt und zwar für alle.

Vielleicht sollten wir diesen Faden einfach wieder aufnehmen.

Hier mehr zur Geschichte der Ascherah – mit sehr vielen Bibelzitaten!

****************

Bildquellen:
Ascherah / artedea.net
Die „Vier Arten“, Etrog, Myrtenzweige, Lulav und Bachweidenzweige v. l. n. r. / commons.wikimedia.org
Asherah 13th century BC Israel Museum / Sigal Lea Raveh / commons.wikimedia.org

 

Dieser Beitrag wurde unter Göttinnen abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert