Heute ist der Tag des Apfels, der jedes Jahr wird am zweiten Freitag im November gefeiert wird.
Das trifft sich gut, denn vor einigen Tagen hat mir eine Freundin einen interessanten Artikel der Tageszeitung „Die PRESSE“ geschickt mit dem Titel: Eva hatte keine Schuld
Also die ganze Story mit dem Apfel im Paradiesgarten ist offenbar ein Schmäh.
Da ist ein Text über Adam und Eva auf Tontafeln entschlüsselt worden, der rund 800 Jahre älter ist als jener im Alten Testament. Adam wird darin als Gott dargestellt.
Die sogenannten Ugaritischen Tontafeln sind 1929 in Syrien gefunden und in den 1970er-Jahren teilweise entziffert worden.
In dem in Keilschrift aufgeschriebenen Text auf den Tafeln wird Adam als Gott dargestellt, der mit einem „bösen Gott“ kämpft. Dieser Teufel vermummt sich als Schlange, vergiftet den „Baum des Lebens“ und macht Adam mit einem Biss zu einem sterblichen Wesen. Die Sonnengöttin tröstet Adam und die Menschheit jedoch mit Eva, einer „guten Frau“. Durch natürliche Fortpflanzung erhalte die Menschheit, so die Forschungsergebnisse, doch eine Art Unsterblichkeit.
Anders als in der biblischen Version wird in diesem Mythos Adam als Gott dargestellt – das erklärt die Autorin und Professorin für das Alte Testament in Amsterdam, Marjo Korpel: „In dieser Urversion trägt auch Eva keinerlei Schuld.“ BibelforscherInnen waren bereits seit längerem davon überzeugt, dass der biblischen Geschichte von Adam und Eva ein viel älterer Mythos zugrunde liegt. Ein schriftlicher Beweis war jedoch bisher noch nie gefunden worden.
Warum durften sie den Apfel nicht essen?
Die in der Bibel erzählte Version rund um den Apfel hat ja weit reichende Folgen – die Vertreibung der gesamten Menschheit aus dem Paradies.
Die Übersetzung des lateinischen Wortes „malus“ bedeutet sowohl „böse“ als auch „Apfelbaum“.
Wer vom biblischen Apfel isst – so war das Apfel-Ess-Verbot begründet worden – würde die Erkenntnis darüber besitzen, was Gut und was Böse ist.
Ist das beim tieferen Nachdenken nicht paradox? Muss es nicht gerade im Interesse Gottes liegen, dass die Menschen wissen, was Gut und Böse ist? Im Konzept eines Vater-Gottes war aber offenbar nicht vorgesehen, dass sich die Menschen in denkende, urteilende, wissende, schuldfähige, eigenverantwortliche wirkliche Gott-Ebenbildern entwickeln.
Einer Auslegung des Alten Testaments zufolge, handelt der sogenannte Sündenfall nicht vom Ursprung des Bösen, sondern von einer weit reichenden Entdeckung: Die Sexualität und das Geheimnis der Fortpflanzung sei den Menschen unbekannt gewesen. Aber es wird ihnen von einem Schlangengott verraten, woraufhin Gott diesen Schlangengott ebenso bestraft wie die Menschen, denen man aber das Geheimnis der Fortpflanzung nicht mehr entreißen kann , was – so die neuesten Erkenntnisse der Forschung – der gesamten Menschheit die Unsterblichkeit bringt.
Vergessen wird bei dieser Paradies-Vertreibung-Story ja auch immer die weitere positive Seite: Nämlich, dass wir Menschen seither Gut von Böse unterscheiden können und damit unsere Urteilsfähigkeit erlangt haben. Und die finde ich – zumindest für mich persönlich – schon sehr, sehr wichtig.
Der böse, böse Apfel ist an allem schuld
Der Tag des Apfels will ja die guten Auswirkungen auf unsere Gesundheit herausstreichen, so ganz unter dem Motto „An apple a day keeps the doctor away“.
Doch so ganz geheuer ist sie ja nicht – diese kugelrunde rotwangige Frucht, die eigentlich zu der Familie der Rosengewächse zählt. Eher schon frivol-verführerisch – wie uns die biblische Geschichte auch weismachen möchte.
Und sie ist – als Zankapfel – auch Anlass zu Streit, Krieg und Zwietracht.
Dieser Begriff geht auf die griechische Mythologie zurück. Und verweist auf die Göttin Eris, die vor allem als Mitbeteiligte am Trojanischen Krieg überliefert ist.
Dem Mythos nach war sie die einzige Göttin, die nicht zur Hochzeit von König Peleus und der Meeresnymphe Thetis eingeladen war.
Voller Groll soll sie einen goldenen Apfel mit der Inschrift „Kallisti“ (übersetzt: „Der Schönsten“) in die versammelte Hochzeitsgesellschaft gerollt und damit einen Streit zwischen Hera, Athena und Aphrodite ausgelöst haben, weil jede der Göttinnen den Apfel für sich beanspruchte.
Als Zeus sich weigerte, ein Urteil zwischen den Göttinnen zu fällen, wurde dem Hirtenjungen Paris diese Entscheidung übertragen. Jede der drei Göttinnen wollte ihn bestechen: Hera versprach politische Macht und Dominanz in Asien, Athena Weisheit und Kriegskunst. Aphrodite jedoch las Paris‘ Wünsche am klarsten, indem sie ihm die schönste Frau auf Erden versprach.
Dieser entschied sich für Aphrodite und wählte als Belohnung Helena von Troja, Gemahlin des griechischen Königs Menelaos. Seine Entführung der Helena entfachte den Trojanischen Krieg.
Soweit die Überlieferung, die natürlich klar in einem patriarchal geprägten Zusammenhang gesehen werden muss.
Schuld an Kriegen und Auseinandersetzungen sind bemerkenswerter Weise nicht entscheidungsschwache und bestechliche Männer, Clanchefs, Götterväter, Vorstandvorsitzende, Staatspräsidenten, die ihre eigenen Machtstrategien fahren, sondern kleine Mitläufer oder rachsüchtige, beleidigte, eitle und hintertriebene Frauen.
Eine seltsame Rolle spielt hier der eigentlich bedauernswerte Paris. Weil sich der Göttervater nicht entscheiden will (anstatt dass er ein Machtwort spricht und den Apfel schlicht der Braut gibt), wird ein einfacher Hirtenjunge gewählt. Der trägt jetzt die Verantwortung, der ist dann auch an allem Schuld.
Damit sind wir bei einem sehr aktuellen Thema: Wie oft kennen wir das aus unserer Zeit. Während die Köpfe kleiner Angestellter „rollen“, entziehen sich die großen Konzernbosse jeglicher Verantwortung …
Der Apfel war für die Braut bestimmt
In dieser Geschichte wird vor allem aber auch gut sichtbar, wie die Große Göttin am Übergang vom Matriarchat in das Patriarchat in verschiedene Aspekte zerstückelt wird und wie gezielt gesäte und genährte Zwietracht unter den Frauen funktioniert: Macht und Dominanz gegen Erotik und Sex gegen Intelligenz und Ruhm.
In der männlich eindimensionalen Welt ist es kaum vorstellbar, dass eine einzige Frau (oder sogar Göttin) all diese Prädikate in sich hat und auch verschenken kann. Dass man einer Göttin (und somit alle Frauen als Vertreterinnen der Göttin) diese Allmacht zugesteht, ist natürlich höchst gefährlich.
Aphrodite, Hera und Athena bekommen ihren Platz in diesem makaberen Spiel: Alle drei unterstützen auf entscheidende Weise die jeweiligen Parteien. Wie auch heute noch den Mädchen und Frauen beigebracht wird, in einander entzweiender Weise verschiedene männliche Positionen zu unterstützen.
Eine hervorragend funktionierende Methode, um das Patriarchat beständig aufrecht zu erhalten.
Betrachtet man die Geschichte der Eris genauer und schaltet man ein wenig das klare Denkvermögen ein, so ist es wohl klar, wen der Apfel der Eris wirklich gegolten hat — der Schönsten. Und das ist bei einer Hochzeit immer die Braut.
Der Apfel als uraltes Symbol der Fruchtbarkeit sowie der runden weiblichen Sexualität scheint auch ein passendes Brautgeschenk. Daher ist also davon auszugehen, dass Eris ursprünglich eine Fruchtbarkeitsgöttin war, bevor sie in die Mythen als Göttin der Zwietracht eingegangen ist.
Auch wenn sie bei einer Hochzeit offiziell nicht eingeladen ist, so kann man diese Kraft in Form ihres Brautgeschenks nicht aufhalten. (Eine sehr ähnliche Geschichte findet sich im Märchen vom Dornröschen.)
Offen bleibt die Frage, warum dies so missverstanden wurde und wer Interesse daran hatte, dass nicht die Braut das Symbol einer selbstbestimmten Fruchtbarkeit und Sexualität bekommt, sondern daraus der berühmt-berüchtigte Zankapfel wurde.
Gesund, fruchtbar, unsterblich – die Magie der Äpfel
Wenn von den gesunden Äpfeln die Rede ist, dann leitet das natürlich zu den vielen Mythen, in denen Äpfel nicht nur die Gesundheit erhalten sondern sogar unsterblich machen. Dieses Thema zieht sich durch viele Kulturkreise. Oft liegt im Westen das „Apfelland“, das durchaus mit dem biblischen Paradies verglichen werden kann.
Beispielsweise besitzt und hütet die nordische Göttin Idun so ein ganz im Westen gelegenes Apfelland, ein paradiesischer Garten mit einem Jungbrunnen. Damit ist sie auch die Hüterin der goldenen Äpfel, die den Gottheiten ewige frühlingsgleiche Jugend und Unsterblichkeit verleiht. Diese müssen von diesen magischen Äpfel regelmäßig essen, um bis zur „Götterdämmerung“ fit zu bleiben.
Auch die griechische Hera ist die Hüterin des Paradieses, des „Apfellandes“. Dort wächst der Baum des Lebens. Hera hat ihn zu ihrer Hochzeit von der großen Erdgöttin Gaia bekommen, er schenkt mit seinen goldenen Äpfeln ewige Jugend, Unsterblichkeit, Schönheit, Klugheit und KönigInnen die göttliche Würde. Bewacht wird dieser von den Hesperiden bzw. von Hebe als jungfräuliches Selbst der Hera.
Wenn wir uns die seltsame Geschichte rund um den Apfel der Eris anschauen, dann erscheint es geradezu absurd, dass Hera, die ein ganzes Apfelparadies mit einem Baum voll goldener Äpfel besitzt, sich kleinlich um diesen einen Apfel streitet.
Auch Eriu, die Erd- und Muttergöttin von Irland herrschte über den im Westen liegenden Apfelbaumgarten, in dem der Baum des Lebens mit den goldenen Äpfel der ewigen Jugend steht.
Die baltische Sonnen- und Himmelsgöttin Saule hat ganz im Westen einen Garten mit goldenen, silbenen und diamantenen Äpfel. Saule als Sonnengöttin wird oft selbst als goldener Apfel angesehen.
Die keltische Erdmutter Aeracura wird häufig mit Apfelkörben – Attribute der Fruchtbarkeit und Fülle – dargestellt.
Die nordisch-germanische Gna schenkte einem verzweifelten König ohne Nachkommen einen fruchtbringenden Zauberapfel. Er realisierte, dass dieser ein Geschenk der Göttin ist und brachte ihn der Königin, die bald, nachdem sie den Apfel aß, schwanger wurde.
Die slawische Göttin Ziva hält in ihrer Rechten einen Apfel. So ein „Reichsapfel“ ist das Symbol für Macht – eigentlich (im Vergleich zum Zepter) die weibliche Seite der Macht, die das ganze Erdenrund und die Fruchtbarkeit darauf darstellt.
Und dann haben wir noch die gute alte Holla, in deren Garten die Apfelbäume stehen, die von den Mädchen auf ihrem Initiationsweg geschüttelt werden müssen – vermutlich, damit Fruchtbarkeit auf sie wie die Äpfel herabregnen.
Auch das sagenhafte und mythenumrankte „Avalon“ wird als das im Nebel verborgene Apfelland bezeichnet. Im Kymrischen, der keltischen Sprache, die heute noch in Wales gesprochen wird, bedeutet „abal/aballo“ Apfel bzw. Apfelbaum. Für die KeltInnen war der Apfelbaum einer der 7 heiligen Bäume und der Baum der Unsterblichkeit.
Avalon wird oft als eine Art Paradies in einer Anderswelt beschrieben, eine Wunschlandschaft mit reicher Vegetation und mildem Klima. Ganz so, wie es die zahlreichen Apfelgärten der Göttinnen wohl auch sind.
Verführung, fruchtbare Kraft, Gesundheit, Unsterblichkeit, Ausdruck von Macht – all das können Äpfel – zumindest in den Mythen bewirken.
Vielleicht ein Anreiz – heute am Tag des Apfels – die Frucht der Göttin zu genießen.
Und weil heuer der Welt-Apfel-Tag spannender Weise genau auf einen Freitag, den 13. fällt, verweise ich auf meinen Blogbeitrag vom Juni 2014:
Freitag, der 13. ist der Frauenpowertag
Mehr zu den in diesem Artikel erwähnten Göttinnen:
Aeracura
Aphrodite
Athena
Eris
Eriu
Gaia
Gna
Hebe
Hera
Hesperiden
Holla
Saule
Thetis
Ziva
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Der Artikel in Tageszeitung „Die PRESSE“: Eva hatte keine Schuld
Fotos: artedea, fotolia, pixabay
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Herzlichen Dank!
„(…) dann erscheint es geradezu absurd, dass Hera, die ein ganzes Apfelparadies mit einem Baum voll goldener Äpfel besitzt, sich kleinlich um diesen einen Apfel streitet.“ Genau! 😉