Walburg – Sinnliche Maienkönigin oder fromme Äbtissin

Für viele steht die Nacht vom 30. April auf 1. Mai, also die sogenannte Walpurgisnacht, im Zeichen der Göttin Walburg.
Sie ist die germanisch-angelsächische Göttin des blühenden Monats Mai.
Und dann gab es angeblich auch eine Nonne namens Walpurga, die als Heilige in die Fußstapfen der alten Göttin getreten ist.
Was verbindet die beiden miteinander?


Die Herkunft des Namens könnte von Wald-Burga abzuleiten sein, was soviel wie „Schutz des Waldes“ heißen soll. Was auf eine Erd- bzw. Waldgöttin hinweisen könnte. Ob es eine Göttin namens Walburg im Volksglauben tatsächlich gegeben hat, ist allerdings nicht gesichert. Es kann durchaus sein, dass sie genauso eine dichterische Erfindung ist, wie die Walpurgisnacht (siehe weiter unten).
Ganz sicher aber gab es Frühlingsgöttinnen, die gefeiert wurden und die von Landstrich zu Landstrich vermutlich anders genannt wurden und deren großes Fest in der letzten Nacht der „dunklen Jahreszeit“ war, der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai.
Die Menschen früher teilten die Zeit nämlich nicht in vier Jahreszeiten ein, sondern nur in Sommer und Winter und mit dem Mai begann der Sommer, was Anlass zu großer Freude und überschwänglichen Festen war.

Seherin mit Zauberstab

Die Figur, aus der eine Göttin Walburg hervorgegangen ist, könnte auf eine germanische Seherin aus dem 2. Jahrhundert n.d.Z. hinweisen, die dem Volksstamm der SemnonInnen angehörte und Waluburg geheißen haben soll.
Auf griechischen Tonscherben ist eine „Waluburg Semnoni Sibylla“ erwähnt, übersetzt „Waluburg, die Seherin der Semnonen“.
Die Silbe „wal“ würde in diesem Fall auf das Wort „walus“ verweisen – den Stab oder Zauberstab, ein wichtiges Attribut dieser Seherinnen. (Spannender Weise wird auch die Heilige Walpurga immer mit einem Stab dargestellt.)
Es könnte auch an „Vala“ (= ahd. walawa, wala) angelehnt sein, der Bezeichnung für die germanischen Zauberinnen oder Seherinnen, auch Völva, die nordgermanische „Allwissende“.
Walaruna ist ein Eigenname und heißt „die Seherin, die die Geheimnisse kennt“.
Ein weiterer wichtiger Anknüpfungspunkt sind die Walküren, die ja auch das „Wala“ in ihrer ersten Silbe haben.

Walpurgisnacht: Eine Erfindung von Goethe

Es heißt, der „Walburg-Kult“ wäre in den Bräuchen tief verwurzelt gewesen.
Vor allem jener in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai („Walpurgisnacht“).
Nun ist ja schon der Begriff Walpurgisnacht sehr irreführend. Denn die Menschen, die fröhlich in den Mai hineintanzten und ihre Rituale an Kraftplätzen draußen in der Natur feierten, haben diese ganz sicher nicht so genannt. Walpurgisnacht ist nämlich keine traditionelle alte Bezeichnung, sondern sie wurde von Goethe erfunden.

Vermutet werden allerdings viele alte Kraft- und Feierplätze, an denen Frauen sich trafen. Diese wurden auf diskriminierende Weise „Hexentanzplätze“ genannt.
Der bekannteste, auch durch den Dichter Goethe in seinem Werk „Faust“ überlieferte sogenannte Hexentanzplatz ist der Brocken, der höchste Berg im Harz (1142 m).
Im Volksmund erlangte er als „Blocksberg“ bis in die heutige Zeit Berühmtheit.
Goethe war 1777 dort und er hat diesen Ort in seinen Faust mit aufgenommen, in dem er eine solche Walpurgisnacht beschreibt.
Die „Erste Walpurgisnacht“ ist eine im Mai 1799 verfasste Ballade von Johann Wolfgang von Goethe, die Felix Mendelssohn Bartholdy in Musik gesetzt hat.
(Siehe dazu auch den Blogbeitrag „Die Walpurgis-Nacht gibt’s nicht!“)

Ausgelassene Feste passten nicht in das Konzept der christlichen Kirchen

Die Freude über den blühenden Mai war sicher vielerorts Anlass für ausgelassene Feste draußen auf Flur und Feld und möglicherweise auch für Fruchtbarkeitsrituale für Menschen, Flora und Fauna. Sinnlich, lustvoll und durchaus auch erotisch und wenn dabei auch eine Frühlingsgöttin gefeiert wird, passte das natürlich so gar nicht in das Konzept der christlichen Kirchen. Nicht von ungefähr war es wichtig, gerade den Mai als Marienmonat zu deklarieren und damit das Keusche, Reine, Asexuelle in den Vordergrund zu schieben.

Um die traditionellen Mai- und Frühlingsfeste hingegen wurden jede Menge gar schauderhafte Geschichten in Umlauf gebracht.
Allen voran jene Mär, dass in der sogenannten Walpurgisnacht die Hexen auf ihren Besen zum Hexensabbat reiten, der auf dem Brocken stattfinden soll.

Schlimmer noch – die Maikönigin (ob sie nun Walburg oder anders genannt wurde), die aus dem frischen Grün der Haine in die Dörfer einzog und Fruchtbarkeit, Frohsinn, Lebenslust und Sonnenschein mitbrachte, wurde zur entsetzlichen Nachtkönigin, die von finsterer Berghöhe Hagel, Misswuchs und Seuche braut und unkeusche Satanstänze abhält – eine Feindin des Wachstums und der Zeugung.
Alles, was mit den traditionellen Frühlingsfeiern in Verbindung gebracht wurde, wurde also von den christlichen Kirchenvätern mit allen möglichen wilden Interpretationen und Geschichten versehen. Doch vielfach ließen sich die Menschen nicht täuschen und feierten (oft auch im Verborgenen) die Feste ihres alten Kultes weiter.
Speziell die Mainächte waren ja dazu angetan, um viele lebensbejahende Rituale und Bräuche entstehen zu lassen.
Die Festnacht, in der Frauen in ihren Frauenkreisen oder auch in Fruchtbarkeitsritualen gemeinsam mit Männern ihrer Lebensfreude Ausdruck verliehen, stieß auf Widerstand und Ablehnung und regte zu wilden Phantasien so mancher Moralaposteln an.

Und so wurde das Fest der Lebenslust speziell im christlichen Gedankengut in eine Nacht voll von abartigen Ritualen uminterpretiert.
Die Mutmaßungen und böswilligen Unterstellungen, welche wilden, ausschweifenden bis satanisch-perversen Dinge die sogenannten Hexen in der sogenannten Walpurgis-Nacht treiben, kostete in Zeiten der Inquisition vielen Frauen das Leben.
All diese bösartigen Behauptungen und Anschuldigungen waren dazu angetan, Frauen klein zu machen, sie zu ängstigen und sie daran zu hindern, ihre Kraft und Lust zu leben und zum Ausdruck zu bringen, sich in unterstützenden Frauenkreisen zu treffen und aus diesen gestärkt und machtvoll hervorzugehen.
Konnte man einer Frau mit „tadellosem Lebenswandel“ nichts anhaben, so konnte man ihr immer noch nachsagen, man hätte sie in der Walpurgis-Nacht auf ihrem Besen auf den Brocken fliegen sehen. Oft ein Todesurteil …

Das Schauermärchen von fliegende Hexen auf dem Besen

Und um es eindeutig klar zu stellen:
Auf einem Besen fliegende Hexen hat man weder damals noch heute gesehen. Es handelt sich dabei um patriarchal-inquisitorische Phantasien und Unterstellungen, die für viele Frauen höchst gefährlich waren.
So ein Stab zwischen den Beinen einer Frau, auf dem sie noch dazu reitet, ist ja schon alleine dazu angetan, die unterdrückte christliche Lüsternheit mit wilden Ideen zu beflügeln.
Daher sind übrigens auch jene Darstellungen von auf Besen reitenden Frauen abzulehnen, wie sie immer noch von vielen „modernen Hexen“ als Symbol verwendet werden oder auch in der Literatur vorkommen (z.B. Harry Potter oder Bibi Blocksberg).
Dieses Symbol unterstützt nach wie vor die gezielt lancierten Bösartigkeiten all jener, die die Frauenkraft – ausgedrückt auch durch die gemeinsamen Feste – unterdrücken und ausrotten wollten.

In schreckliches Weibsbild oder in Heilige uminterpretiert

Diese Verunglimpfung und Dämonisierung ist oft der erste Teil der Geschichte.
Eine durch und durch positiv besetzte Göttinnengestalt wird in ihr Gegenteil verwandelt und zu einem gefährlichen, schrecklichen Weibsbild degradiert, die sinnesfrohen und lebensbejahenden Rituale zu wilden, satanischen Orgien uminterpretiert.
Doch die Menschen, und hier vor allem die Frauen, fanden immer Mittel und Wege, ihre kraftvollen traditionellen Bräuche weiter auszuüben.
Nun kommt der zweite Streich: Die Umwandlung der Göttin in eine Heilige.
Das war ein sehr geschickter Schachzug. Denn nun konnten sich die Frauen bei ihren Festen auf die heilige Frau berufen und das bot ihnen auch einen gewissen Schutz.
Das Kalkül dabei ist aber klar: Irgendwann erinnert sich niemand mehr an die alte „heidnische“ Göttin und alles geschieht im Namen der katholischen Heiligen. Also wurde eine Walpurga quasi aus dem Hut gezaubert und heilig gesprochen. Wenigstens erlangte sie ihren Heiligenstatus icht durch so eine schauderhafte Martyriumsgeschichte, wie so manche andere Heilige.

Diese Walpurga soll im achten Jahrhundert als Äbtissin ein Doppelkloster des Benediktiner-Ordens geleitet haben. Interessanterweise soll dieses Kloster ausgerechnet in „Heidenheim“ gewesen sein. Allerdings gibt es keinerlei zeitgenössische Berichte über die Lebens- oder Amtszeit dieser heilig gesprochenen Äbtissin Walpurga.
Bekannt sind allerdings ganz spezielle Doppelklöster. Diese waren klösterliche Gemeinschaften von Nonnen und Mönchen am selben Ort. Unter einem dünnen christlichen Schleier wurden in diesen Klöstern unter weiblicher Führung die alten Traditionen, Kulte und Heilkünste fortgeführt.
Wahrscheinlich gehörten dazu auch Sexualriten, wie sie vermutlich auch bei den rauschenden Ritualen im Zeichen einer Maiengöttin üblich waren.
Göttin und Heilige mussten zwecks Wiedererkennungswert einander ähnlich sein.
Also der Namen und auch einige der Attribute sollten möglichst miteinander korrelieren.
Die Göttin Walburg bzw. auch die Heilige Walpurga wurde meist als weiße Frau mit feurigen Schuhen (Erwärmung der Erde im Mai) und einer goldenen Krone (Sonne) sowie einem Stab, das wichtige Attribut von Seherinnen dargestellt.
Oft halten Göttin wie Nonne einen Spiegel (als Symbol für die Seele „Seelenspiegel“) sowie eine Spindel (Spinnen des Schicksals) in ihren Händen.
Die Heilige ist auch mit einer Ölflasche bzw. mit drei Ähren zu sehen, was auf die dreigestaltige Göttin der Nahrung und der Heilkünste hinweist.
Aus dem sogenannten Sankt-Walpurgis-Öl schlug die Kirche auch gut Kapital.
So soll der Felsen, unter dem die Heilige Walpurga begraben sein soll, ein Wunder wirkendes Öl abgesondert haben, das gegen alle möglichen Krankheiten empfohlen und daher gut vermarktet werden konnte.

Warum wurde Walpurga heilig gesprochen?

Die Gründe für die Heiligsprechung der Walpurga sind ziemlich fadenscheinig.
Es wird eigentlich nur berichtet, dass sie mit Hilfe von drei Ähren ein Kind vor dem Verhungern gerettet haben soll und einmal gelang es ihr, erfolgreich einen tollwütigen Hund zu beruhigen. Damit hat sie aber nicht jemand anderen errettet, sondern sich selbst, weil der Hund sie anfallen wollte.
Darüber hinaus soll bei einer Überfahrt über den Ärmelkanal ihr Schiff in Seenot geraten sein. Der Legende nach soll Walburga die ganze Zeit im Gebet kniend an Deck verbracht haben, bis das Schiff heil in den Hafen von Antwerpen einlief. Daher gilt sie bis heute als Schutzpatronin der Seeleute und Schutzheilige gegen Sturm.
Darüber hinaus sollen sich noch einige nicht näher beschriebene Heilungswunder ereignet haben, als im Jahre 893 ihre Gebeine nach Monheim in Schwaben überführt worden sind. Dort sollen ihre Reliquien exakt am 1. Mai angekommen sein, weshalb dies auch als ihr Feiertag festgesetzt wurde, der praktischerweise gleich als Maifest gefeiert werden kann und damit im Zeichen der Heiligen und nicht irgendwelcher alter Maigöttinnen zelebriert werden sollte.
Unbelegter Überlieferung zufolge wurde Walpurga daher auch am 1. Mai 870 von Papst Hadrian II. heiliggesprochen.

Den Menschen war es offenbar recht gleichgültig, in welchem Namen sie ihre Maifeste begingen und hielten an ihren alten Bräuchen fest, die offenbar nicht sehr christlich waren.
Um die Würde der ehrwürdigen heiliggesprochenen Äbtissin zu wahren, wurde später ihr Feiertag vom 1. Mai auf den 25. Februar, ihrem Todestag, vorverlegt.
In dieser Zeit im Jahr stehen den Menschen die Sinne noch nicht nach rauschenden Festen und schon gar nicht draußen in der Natur, wo sie recht unkontrollierbar sind.
Auf diese Weise versuchte man, ausschweifende Walpurgisfeste zu verhindern.
Was die Menschen natürlich nicht daran hinderte, weiter die erste Maiennacht sinnesfroh zu feiern.

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Mehr Infos zu den erwähnten Göttinnen:
Völva
Walburg

Bildquellen:
Walburg / artedea.net
Völva / artedea.net
Granitstücke auf dem Brocken. Links Hexenaltar und rechts Teufelskanzel / Corradox / commons.wikimedia.org
Beautiful flower nymph smiles with lovely expression / Captblack76 / fotolia.com
Tanzende Frauen / Evgeniy Kalinovskiy / fotolia.com
Hl. Walburga / commons.wikimedia.org

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