Eigentlich fängt der Frühling jedes Jahr mehrmals an.
Neben dem astronomischen Frühlingsbeginn – der Tag-und-Nacht-Gleiche – gibt es auch die meteorologische Definition, nach der der Frühling schon am 1. März beginnt.
Und dann gibt es noch den „phänologischen Frühlingsbeginn“. Dieser orientiert sich am jeweiligen Entwicklungsstadium der Pflanzen.
Bedingt durch den Klimawandel liegt der phänologische Frühlingsbeginn oft noch weiter vorne als das meteorologische und astronomische Datum.
Es ist anzunehmen, dass in alten Kulturen der erste Frühlingsvollmond der beste Zeitpunkt für ein Ritual oder Frühlingsfest war.
Vollmond zu Frühlingsbeginn
Und diese beiden Daten – astronomischer Frühlingbeginn und Vollmond – liegen im Jahr 2019 nur 3 Stunden und 45 Minuten auseinander. Das ist sehr selten, dass das so eng beieinand liegt:
Der astronomische Frühlingsbeginn fällt dieses Jahr auf den 20. März und zwar genau um 22:58 Uhr mitteleuropäischer Zeit.
Vollmond ist am 21. März um 02:42 Uhr.
Also heute um 22:58 MEZ beginnt hochoffiziell der Frühling – astronomisch betrachtet.
Dieses wird an der Rotationsachse der Erde und am Stand der Sonne berechnet:
Der Frühling beginnt, wenn die Sonne, vom Erdmittelpunkt aus gedacht, von der Südhälfte des Himmels kommend den Himmelsäquator überschreitet und auf die Nordhälfte des Himmels wandert.
Die Sonne schneidet auf ihrer scheinbaren Bahn den Himmelsäquator und tritt in das Sternzeichen des Widders ein.
Diese Konstellation der Himmelskörper gibt es aber nicht jedes Jahr um dieselbe Zeit.
Der Zeitpunkt dieses Ereignisses war früher üblicherweise der 21. März, in einigen Ausnahmefällen bereits der 20. März.
Jetzt mussten aber unsere Schulbücher umgeschrieben werden, denn seit 2012 wird im gesamten 21. Jahrhundert der Frühling nicht mehr am 21. März beginnen. Auch wenn das die katholische Kirche behauptet (siehe mein gestriger Blogbeitrag).
Ab 2048 kommt es auch öfter vor, dass der Kalender-Frühling sogar schon am 19. März beginnt.
Wenn der Frühling das nächste Mal astronomisch am 21. März beginnt, werden wir bereits das Jahr 2102 schreiben.
Zeitpunkt des Gleichgewichts – Wasser und Feuer
Astrologisch beginnt das Frühjahr, wenn die Sonne vom Sternzeichen der Fische in das Sternzeichen des Widders eintritt.
Auch wenn man sich mit Astrologie nicht beschäftigt, ist dieser Übertritt von der oft feuchten, kühlen Fische-Zeit im Jahr zu der aktiven, feurigen, starken Energie des Widders deutlich zu spüren.
Nicht von ungefähr haben alte Rituale zu Frühlingsbeginn und damit auch Osterbräuche sehr oft mit den beiden Elementen Feuer und Wasser zu tun.
Von alten Frühlingsbräuchen ist überliefert, dass Frauen frühmorgens schweigend zu einer Quelle gehen und vor dem Aufgang der Sonne das frische Wasser schöpfen, das besonders heilsam sein soll.
Ein Brauch, der sich bis heute erhalten hat, ist das Entzünden von Feuern auf den Hügeln.
Dies ist wahrscheinlich auf germanisch-keltische Riten zurückzuführen.
Diese Frühlings- oder auch Ostara-Feuer gelten als Symbol für die Sonne.
Der weithin sichtbare Schein des Feuers sollte den Äckern und Feldern Segen und Schutz geben.
Daher wird dies oft auch als „Landschaftsräucherung“ wahrgenommen. Der Rauch soll die keimende Saat vor „bösen Geistern“ schützen.
Zum Zeitpunkt der Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche geht die Sonne genau im Osten auf, steht mittags im Süden und geht exakt im Westen unter – Tag und Nacht sind also gleich lang. Ab nun werden die Tage länger und die Nächte kürzer.
Der Tag des Frühlingsbeginns ist daher die Zeit des Gleichgewichts. Licht und Dunkelheit, Tag und Nacht – an diesem Tag ist alles ausgewogen.
Die „erfundene“ Göttin
Ein guter Anlass, um ein kraftvolles und sinnesfreudiges magisches Fest zu feiern und sich damit in die Tradition vieler alter Kulturen einzuklinken.
Als ein Sinnbild dieses Festes wird immer wieder Ostara genannt, die als keltisch-germanische Frühlingsgöttin gilt. Ihre „Existenz“ ist allerdings nicht nachgewiesen.
Und der Name „Ostara“ wurde auch missbraucht (mehr davon im Anhang).
Sie soll eher eine romantische Erfindung der Neuzeit sein, die u.a. von Jacob Grimm durch philologische Vergleiche eigentlich als Kunstfigur geschaffen wurde.
Grimm bezog sich dabei auf eine Quelle des angelsächsischen Benediktinermönchs und Kirchenhistoriker Beda (672 – 735). Dieser erklärte die Herkunft des Wortes „Easter“ (Ostern) mit einer früheren germanischen Göttin namens „Eostrae“.
Allerdings finden sich weder in der isländischen Dichtung der Edda noch in der skandinavischen Skaldendichtung Hinweise auf eine Göttin, die einer angelsächsischen Eastre entsprechen könnten. In der nordischen Literatur gibt es auch keine Göttin des Frühlings, des Ostens oder der Morgenröte oder des aufsteigenden Lichts mit diesem oder einem ähnlich klingenden Namen.
Die verheißungsvollen Göttinnen der Morgenröte
Etymologisch könnten allerdings die litauische Göttin Ausrine, die römische Aurora, die griechische Eos, die hinduistische Ushas und nicht zuletzt die syrische Astarte auf eine indogermanische Frühlingsgöttin mit ähnlichem Namen hinweisen.
Diese „Ahninnen“ der Ostara sind allesamt Göttinnen der Morgenröte bzw. der Morgendämmerung, sie steigen also verheißungsvoll jeden Morgen im Osten auf, um den neuen Tag zu bringen.
Und mit der Frühlings-Tag-und Nachtgleiche können wir ihr Licht im Osten mit jeden Tag früher spüren, sehen und begrüßen.
Göttin der Erd-Zeugung
Es gibt auch Überlieferungen, denen zufolge „Os-tara” aus zwei alten Sprach- und Lautsilben besteht: „Os” ist „Mund-Schoß-Erde-Geburt-Entstehung“ und „tar” bedeutet „zeugen“. Ostara könnte also mit Erd-Zeugung übersetzt werden.
Auch die Himmelsrichtung Osten soll von dieser ersten Silbe hergeleitet sein.
Das Erscheinen des Lichtes wurde immer im Osten erlebt. Im Osten wird die Sonne „geboren“. Und dies von Frühlingsbeginn an jeden Tag ein wenig früher. Bis wir im Jahresverlauf zu Sommerbeginn schließlich den längste Tag haben. Von diesem Zeitpunkt an werden die Tage dann wieder kürzer.
Unabhängig davon, ob nun historisch eine Göttin namens Ostara nachgewiesen werden kann oder nicht, können wir davon ausgehen, dass Menschen in allen Zeiten an die Kraft von „Göttinnen des Ostens“ glaubten – brachten diese jeden Morgen das Licht und im Laufe des Jahres den Frühling.
In diesem Sinne wünsche ich euch allen einen wunderbaren Frühlingsbeginn und einen magischen Frühlingsvollmond.
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Anhang – einige kritische Bemerkungen zu Ostara
Wenn wir von einer Göttin namens Ostara sprechen, ist auch der Hinweis auf eine Schriftenreihe wichtig, die nach dieser angeblichen germanischen Frühlingsgöttin benannt und die von 1905 bis 1917 publizierte wurde.
Diese Schriften waren von hochgradigem Rassismus geprägt. Der Herausgeber und Autor dieser Hefte teilte darin nicht nur seine rassistischen und antiparlamentarischen Ansichten mit, die sich später in der sogenannten nationalsozialistischen Ideologie wiederfanden. Die Schriften waren auch durch deutlichen Antifeminismus geprägt, was erstaunlich anmutet, da die Publikation ja einen weiblichen Namen trug.
Eine blonde germanische Frühlings- und daher reine Göttin als Namensgeberin zu erwählen, kann als Umdeutung und Missbrauch gewertet werden, der in der Geschichte immer wieder vorkommt. Die Verachtung von realen Frauen drückte sich immer wieder dadurch aus, dass sie von Männern – wenn nicht gedemütigt, verniedlicht oder missbraucht – als überhöhte Gestalt dargestellt, vergöttlicht und verherrlicht wurden: Als eine, die in ihrer großartigen Tugendhaftigkeit Vorbild für alle Frauen sein soll, an das diese jedoch nie heranreichen können und von daher schon allein deshalb zu verachten wären.
Der Herausgeber der Schriftenreihe Ostara betrachtete „reale“ Frauen wegen ihrer vermeintlichen Promiskuität als eine Bedrohung der Reinerhaltung der „arischen Rasse“.
Da all das Assoziationen wecken kann, die befremden und von Frauen, die ein vergnügtes Ritual zu Frühlingsbeginn feiern möchten, sicher nicht erwünscht sind, ist dieses Hintergrundwissen und die Auseinandersetzung damit wichtig, wenn wir von einer Göttin und ihrem Fest namens Ostara sprechen.
Dieser Text ist ein Auszug aus dem artedea-eBook
Ostara – Frühlings-Tag-und-Nachtgleiche
Das artedea-Frühlingsangebot:
Mehr Infos zu den erwähnten Göttinnen:
Astarte
Aurora
Ausrine
Eos
Ostara
Ushas
Bildquellen:
Ostara – artedea.net
Die Ekliptik im geozentrischen äquatorialen Koordinatensystem – Globus von Globe Atlantic.svg – de.wikipedia.org
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Ausrine – artedea.net