Interessanter Weise gibt es in der patriarchal-christlichen Kirche Feste, die sich nach den Mondphasen richten, allen voran Ostern, das wichtigste christliche Fest. Ein kleines Relikt aus alten Kulturen und matriarchalen Strukturen, in denen sich vieles im alltäglichen Leben der Menschen und auch bei festlichen Anlässen nach den Mondzyklen gerichtet hat.
Wie ist das also mit Ostern und dem Mond?
Es wird folgendermaßen berechnet:
Der Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond ist immer der Ostersonntag.
Immer?
Aber wieso fällt Ostern heuer dann nicht auf den 24. März, sondern auf den 21. April?
Wenn du dich auch schon gefragt hast, warum das christliche Osterfest heuer so spät ist, hier gibt es die Details.
Dazu braucht es vorerst ein kleines Rechenexempel:
Der astronomische Frühlingsanfang fällt dieses Jahr auf den 20. März und zwar genau um 22:58 Uhr mitteleuropäischer Zeit.
Vollmond ist am 21. März um 02:42 Uhr. Also exakt um 3 Stunden und 45 Minuten nach Frühlingsbeginn.
Damit ist dieser Vollmond der erste Frühlings-Vollmond und Ostern müsste demnach schon auf den darauffolgenden Sonntag, den 24. März fallen.
Müsste – wenn es da nicht das sogenannte „Osterparadoxon“ gäbe.
Astronomische Gegebenheiten außer Kraft gesetzt
Der astronomische Frühlingsanfang schwankt ja von Jahr zu Jahr und liegt irgendwann zwischen dem 19. und dem 21. März.
Die römisch-katholische Kirche hat aber auf dem Ersten Konzil in Nicäa im Jahr 325 festgelegt, dass der Frühling für sie immer am 21. März beginnt. Auch wenn der astronomische Frühlingsanfang auf einen anderen Tag fällt.
Ja darf das die Kirche, einfach die astronomischen Gegebenheiten außer Kraft setzen? Offenbar ja.
Vor dem Nicäa-Konzil gab es nämlich viele verschiedene Arten, das Osterdatum zu berechnen. Damit man nicht durcheinander kommt, musste eine einheitliche Regel her.
Auf dem Konzil einigten sich die Bischöfe auch darüber, dass Ostern auf keinen Fall vor dem jüdischen Pessach-Fest stattfinden darf. Diese Regel wird heute noch in der orthodoxen Kirche streng eingehalten. Sie berechnet das Osterdatum auch noch nach dem alten julianischen Kalender. Dadurch liegt Ostern in den Ländern mit orthodoxen Kirchen wie Griechenland oder Russland, meist – aber nicht immer – etwas nach dem römisch-katholischen und protestantischen Osterfest bei uns.
Also gemäß der einheitlichen Regel des Nicäa-Konzils müssen wir den 21. März als Frühlingsanfang nehmen, wenn wir herausfinden wollen, wann Ostern ist.
Gut, aber auch in diesem Fall könnte man annehmen – der 21. März beginnt um 0:00 Uhr, der Vollmond ist um 02:42 Uhr, der darauffolgende Sonntag wäre der 24. März.
Dennoch ist das nicht der Ostersonntag – weil „Osterparadoxon“!
Denn nicht nur der astronomische Frühlingsbeginn wird von der katholischen Kirche außer Kraft gesetzt und willkürlich auf den 21. März festgelegt.
Auch der astronomische Vollmond-Termin ist nicht relevant zur Berechnung des Osterdatums.
Vielmehr werden die Vollmonddaten aus einer zyklischen Reihe aufeinander folgender Vollmonde berechnet. Ungeachtet dessen, wann tatsächlich astronomisch Vollmond ist.
Da die exakte Berechnung astronomischer Daten in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten äußerst aufwändig war, bediente man sich zyklischer Daten.
Diese wurden aufgrund von Beobachtungen festgelegt und waren im Grunde Durchschnittswerte, die in einem vertretbaren Maß von den tatsächlichen Daten der Ereignisse abwichen.
Und auch 2019 hält man immer noch an den Erkenntnissen und Berechnungsmethoden aus dem 4. Jahrhundert fest.
Ein Symbol dafür, wie fortschrittlich die christlichen Kirchen sind.
Im übrigen: Ab 2012 beginnt im gesamten 21. Jahrhundert der Frühling nicht mehr am 21. März. Wenn der Frühling das nächste Mal astronomisch am 21. März beginnt, werden wir bereits das Jahr 2102 schreiben. Aber wir wissen ja: Die Kirche hat einen langen Atem.
Und prähistorische Steinkreise (z.B. jener in Stonehenge) und Tempelanlagen (wie jene in Malta) haben lange vor dem Christentum bereits die sogenannten Äquinoktien (Frühlings- und Herbst-Tag-und-Nachtgleiche) sehr präzise markiert.
Frühlingsvollmond ist noch im Winter
Aber die Kirche hält an der „zyklische Berechnung“ des Vollmond fest und daher fällt dieser für sie im Jahr 2019 auf den 20. März (genau um 22:58 Uhr) und gilt damit noch als Wintervollmond.
Der astronomische Vollmond am 21. März 2019 um 02:42 Uhr spielt daher keine Rolle für die Osterberechnung, sondern erst der nächste Vollmond im April.
Diese zyklische Methode blendet nämlich alles vor dem 21. März aus und damit wird erst der nächste Vollmond berücksichtigt. Und dieser fällt auf den 19. April und damit der Ostersonntag auf den 21. April.
Ähnliche Diskrepanzen zwischen „astronomischem“ und „zyklischem“ Ostertermin gab es bereits 1590, 1666, 1685, 1924, 1943 und 1962.
Heuer ist dies wieder der Fall und in den Jahren 2038, 2045, 2049, 2057, 2069, 2076, 2089, 2095, 2096, 2106, 2114, 2119, 2133, 2147, 2150, 2152, 2171, 2172, 2174, 2190 tritt das Phänomen des Osterparadoxon abermals auf und verschiebt das Datum von Ostern.
Wenn bis dahin die Kirche nicht zur Erkenntnis gekommen ist, dass mittlerweile das exakte astronomische Vollmond-Datum ganz einfach zu berechnen ist.
Die Angst vor bösen Omen
Auch interessant: Warum eigentlich ist das christliche Osterfest am Sonntag nach dem ersten Frühlings-Vollmond (wie auch immer dieser berechnet wird).
Das hatte zwei wichtige Gründe: Zum einen wollte man damit unter allen Umständen vermeiden, dass am Karfreitag Schwarzmond ist und – noch viel schlimmer – eine Sonnenfinsternis stattfinden könnte, denn dies wurde ja in der Vergangenheit mit Angst und Weltuntergang assoziiert.
Jetzt noch einmal ein kleines Rechenexempel:
Eine Sonnenfinsternis kann nur zu Schwarzmond stattfinden. (Anmerkung: Schwarzmond ist das richtige Wort für jene Mondphase, an der am Himmel gar nichts vom Mond zu sehen ist, dies wird meist fälschlicher Weise als „Neumond“ bezeichnet wird. Dieser ist aber die erste schmale sichtbare Mondsichel, der „neue Mond“ eben.)
Wenn der Ostersonntag also nur wenige Tage nach dem Frühlingsvollmond ist, dann kann am Karfreitag auch nicht Schwarzmond sein, damit ist eine Sonnenfinsternis ausgeschlossen.
Das Datum des christliche Osterfestes hat natürlich auch noch eine ganz anderen Grund:
Es sollte die alten traditionellen Frühlingsfeste überlagern, an denen verschiedeneFruchtbarkeitsgöttinnen gefeiert wurden, wie z.B. Ostara.
Mehr davon morgen!
Mehr Infos zu Ostara
Bildquellen:
Frühlingsmond: spirit111 – pixabay.com
Vollmond: justintaannix – pixabay.com
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Die variable Regelung des Osterfestes, wie sie die Römisch-katholische Kirche praktiziert, war ursprünglich gegen die Iroschottische Kirche gerichtet, deren Mönche, die Culdees, in den ersten Jahrhunderten in Westeuropa missionierten. Diese, z. B. Columban, legten Wert darauf, dass das Fest erst nach der ersten Sonnenwende gefeiert wurde – dann, wenn der Mond das volle Sonnenlicht widerspiegelte. Das hat zu tun mit der Verehrung der Sonne bei den Kelten und ihrer Identifizierung als göttlich-weibliches Wesen! Vermutlich rührt Danu, die Muttergöttin, her von der skythischen Sonnengöttin Diana (die Skythen waren bekanntlich in Schottland eingewandert). Danus Tochter ist Brigid – Göttin von Licht und Feuer = die Sonne. Dass man dies später vermännlichte und zur Christussonne umdefinierte, steht wieder auf einem anderen Blatt.
Einzelheiten siehe Cornelis Los: Die altirische Kirche, (bes. S. 50ff.), sowie Klaus Mailahn: Maria Magdalena und Avalon!