Fast hätte ich es übersehen: Gestern am 23. Mai war Welt-Schildkröten-Tag. Daher liefere ich heute noch schnell die Informationen nach. Diesen Aktionstag hat die amerikanische Stiftung zur Rettung der Schildkröten („American Tortoise Society“) im Jahr 2000 ins Leben gerufen. Er soll auf die Bedürfnisse der durch menschliche Einflüsse gefährdeten Reptilien aufmerksam gemacht werden. Und zwar sowohl auf die artgerechte Haltung der Schildkröten als Haustiere (bei der immer wieder viel falsch gemacht wird), als auch auf die starke Bedrohung freilebender Schildkröten.
Faszinierende Wesen – vom Aussterben bedroht
Kaum zu glauben: Schon bereits vor mehr als 220 Millionen Jahren bevölkerten Schildkröten zusammen mit den Dinosauriern die Erde. Ihrer Anpassungsfähigkeit haben die Tiere es zu verdanken, dass ihr Fortbestand bis in die heutige Zeit gesichert wurde. Schildkröten haben auch so gut wie keine natürlichen Fressfeinde. Nun sind sie jedoch durch menschliche Einflüsse akut gefährdet. Viele Arten dieser Tiere sind vom Aussterben bedroht.
Schildkröten sind faszinierende Wesen mit bemerkenswerten Eigenschaften: So können grüne Meeresschildkröten ihre Pulsfrequenz so weit herabsetzen, dass bis zu neun Minuten zwischen zwei Schlägen vergehen können. Durch ihre vier unterschiedlichen Farbrezeptoren kann die Schildkröte sowohl ultraviolettes Licht als auch Infrarotstrahlung wahrnehmen. Der Mensch hat dagegen nur drei Farbrezeptoren.
Eine der wohl bemerkenswertesten Eigenschaften von Schildkröten ist ihr mögliches Alter. Manche Arten erreichen eine Lebensspanne von weit über 100 Jahren und zählen damit zu den am ältesten werdenden Tieren der Erde. Im Jahr 2006 verstarb eine im Zoo von Kairo lebende Galapagos-Riesenschildkröte im Alter von 270 Jahren. Einige Arten erreichen erst mit etwa 50 Jahren ihre Geschlechtsreife.
Die kleinsten Schildkröten haben eine Rückenpanzerlänge von ca. 7,5 Zentimetern. Wogegen die Lederschildkröte Dermochelys coriacea eine Panzerlänge von bis zu 2,5 Metern hat und um die 900 Kilogramm schwer ist.
Bis auf die Polargebiete sind Schildkröten auf allen Kontinenten beheimatet. Doch ihre Lebensbedingungen sind durch die Zivilisation gefährdet. So haben Meeresschildkröten durch den Tourismus immer weniger Strände, um ihre Eier ablegen zu können. Durch die Lichtverschmutzung der Häuser laufen die frisch geschlüpften Schildkrötenbabys in die falsche Richtung, nicht hin zum Meer, wo sie sich normalerweise am Sonnenaufgang orientieren, sondern in die Gegenrichtung hin zu den künstlichen Lichtern, was für sie ein Todesurteil ist. Es gibt daher zahlreiche Schutzprogramme für diese faszinierenden Lebewesen, die schon so viel länger als wir Menschen diese Erde bewohnen.
Schildkröten als Tiere der Göttinnen
Und natürlich kommen Schildkröten auch in den Mythen vor. Und dies immer wieder auch in Zusammenhang mit Göttinnen. Viele indigene Völker Nordamerikas sehen die Erde selbst als große Schildkröte an. Sie sprechen auch von der Schildkröteninsel.
So ist die Göttin Awehai in den Legenden der IrokesInnen auf einem Schildkrötenpanzer gelandet, nachdem sie ihr Ehemann vom Himmel durch ein großes schwarzes Loch hinunter gestoßen hat. Sie hat beim Fall durch dieses Loch viele Pflanzensamen zu fassen bekommen und diese am Rücken der Riesenschildkröte angepflanzt. Auf Grund dieser Geschichte ist der Stamm der IrokesInnen auch matriarchal struktuiert. Die Geschichte im Detail findet ihr hier.
Die griechische Nymphe Chelone war die einzige, die mit der Eheschließung von Hera und Zeus nicht einverstanden war, weil sie erkannte, dass damit die Rechte und die Bedeutung der allumfassenden und alten Muttergöttin Hera empfindlich beschnitten werden sollte. Aus Protest blieb sie der Hochzeit fern und wurde als Strafe in eine Schildkröte verwandelt. Weil sie zu Hause blieb, musste sie fortan ihr Heim immer am Rücken tragen. Damit wurde sie zur Schildkrötengöttin.
Auch der Göttin Aphrodite war die Schildkröte heilig.
Gelegentlich steht die Göttin Iustitia auf einer Schildkröte, womit symbolisiert wird, dass jedes gründliche Verfahren seine Zeit braucht. Als Symbol dafür dient die sich langsam fortbewegende Schildkröte. Wobei das auch nicht ganz stimmt. So kann die Meeresschildkröte Dermochelys coriacea bis zu 35 km/h schnell sein.
Oft stehen, sitzen oder reiten Göttinnen auf dem Panzer einer Schildkröte, wie z.B. die aztekische Fruchtbarkeitsgöttin Mayahuel, die oft auf dem Rücken einer Schildkröte wie auf einem Thron sitzend dargestellt wird. Die babylonisch-phönizisch-sumerische Göttin Mylitta reitet auf Darstellungen oft auf einer Schildkröte. Und auch die hinduistische Flussgöttin Yamuna wird meist auf einer Schildkröte stehend dargestellt. All das symbolisiert die große Stabilität, die dieses Tier den Göttinnen und damit der Welt verleiht.
Die Geschichte der chinesischen Schöpfungsgöttin Nüwa erzählt, dass sie einst einen großen Riss im Himmel reparieren musste. Dabei ersetzte sie die Säulen des Himmels, die beim Himmelsriss eingestürzt waren, mit den Beinen der großen Schildkröte. Diese erweisen sich als wesentlich tragfähiger. Gleichzeitig erschuf sie damit die vier Himmelsrichtungen.
Mehr Informationen zu den erwähnten Göttinnen:
Aphrodite
Awehai
Chelone
Hera
Iustitia
Mayahuel
Mylitta
Nüwa
Yamuna
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Bildquellen:
Göttin Awehai / artedea.net
turtle-2250720_1920 / kormandallas / pixabay.com
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