Faltige Haut, großer Panzer und ein Gesicht wie ein Alien: Schildkröten sehen ein bisschen aus wie aus einer anderen Welt und einer anderen Zeit und das sind sie auch. Seit mehr als 220 Millionen Jahren bevölkern sie unseren Planeten und jetzt sind nahezu alle Schildkrötenarten bereits auf der Roten Liste der gefährdeten und vom Aussterben bedrohter Tierarten zu finden. Daher gibt es jeweils am 23. Mai den Welt-Schildkröten-Tag.
An diesem soll auf die Bedürfnisse der durch menschliche Einflüsse gefährdeten Reptilien aufmerksam gemacht sowie auf Schutzprojekte und eine artgerechte Haltung hingewiesen werden.
Uralt und jetzt von Aussterben bedroht
Diese bemerkenswerten Tiere bevölkerten bereits vor mehr als 220 Millionen Jahren Schildkröten zusammen mit den Dinosauriern die Erde. Sie sind eine der ältesten Gattungen unseres Planeten und konnten sich bisher allen Veränderungen und Umweltsituationen anpassen. Sie waren in der Lage die Eiszeit und die Dinosaurier zu überleben. Jetzt ist ihr Fortbestand jedoch durch menschliche Einflüsse akut gefährdet. Ein wesentlicher Beitrag zur Dezimierung vieler Schildkrötenarten durch den Menschen geschieht durch die drastische Einschränkung ihrer Habitate, wie z.B. durch Hotelanlagen, deren künstliche Lichtquellen auch zu einem Verlust der Orientierung der frisch geschlüpften Tiere führen. Ihre Lebensräume und Reviere werden auch durch Einfriedungen (Mauern, Zäune, Straßen und Autobahnen) geteilt. Insektizide und Herbizide vergiften die Tiere oder vernichten ihre Nahrungsgrundlage. Sumpf- und Feuchtgebiete werden für landwirtschaftliche Zwecke trockengelegt und die Industrie leitet Abwasser in die von Wasserschildkröten bewohnten Gewässer ein. Flussbegradigungen und Kanalisierungen resultieren in einem Verlust an Plätzen zum Nisten und Sonnen. Meeresschildkröten wird die Fortpflanzung durch die touristische Erschließung von zum Nisten geeigneten Stränden erschwert. Sie verfangen sich auch in Treibnetzen oder schlucken Kunststoffteile in der Annahme, es handele sich um Quallen. Und der Klimawandel trägt das seinige dazu bei, um diesen Tieren ihre Lebensgrundlage zu entziehen.
Schon lange und überall auf der Erde daheim
Von ihnen gibt es 327 Arten, mit über 200 Unterarten. Schildkröten können über 100 Jahre alt werden und leben fast überall auf der Erde. Einzig die Polarregion bietet keinen passenden Lebensraum für diese Tiere. Sie sind in Wüsten, Halbwüsten, Savannen, Tropen, Subtropen, Wäldern, Steppen, Küstenstreifen, Sumpflandschaften ebenso zu Hause, wie in Süß- und Salzwasser.
Allein dem Menschen ist es zu „verdanken“, dass auch diese Tiere vom Aussterben bedroht sind, denn sie haben so gut wie keine natürlichen Fressfeinde. Was sie jedoch seit dem Jahr 2000 haben, ist ein eigener Aktionstag, der die nahende Katastrophe abwenden soll.
Schildkröten sind höchst bemerkenswerte Tiere:
- Im Jahr 2006 verstarb eine im Zoo von Kairo lebende Galapagos-Riesenschildkröte im Alter von 270 Jahren.
- Der Geruchssinn dieser Tiere ist sehr stark ausgeprägt und durch ihre vier unterschiedlichen Farbrezeptoren kann die Schildkröte auch ultraviolettes Licht und Infrarotstrahlung wahrnehmen. Der Mensch hat dagegen nur drei Farbrezeptoren.
- Grüne Meeresschildkröten können ihre Pulsfrequenz so weit herabsetzen, dass bis zu neun Minuten zwischen zwei Schlägen vergehen können, weshalb sie bis zu fünf Stunden unter Wasser bleiben können.
- Während die Schildkröten der Gattung Gopherus sehr langsam vorankommt (nur 0,21 bis 0,48 Kilometer pro Stunde), gleitet hingegen die Lederschildkröte mit bis zu 2,5 Metern Panzergröße bis zu 35 Kilometer pro Stunde durch das Wasser.
- Die sogenannten Suppenschildkröten erreichen teilweise erst mit 50 Lebensjahren die Geschlechtsreife.
- Durch die außerordentliche Anpassungsfähigkeit ist dieses Tier in der Lage, härteste Situationen auszuhalten und kann die futterlose Zeit im Winterhalbjahr durch eine Starre problemlos überstehen.
Faszination Schildkröte in den Mythen der Göttinnen
All das und noch vieles mehr macht es aus, dass wir Menschen schon lange von diesen Tiere fasziniert sind, was sich auch in von Sagen, Mythen, Ritualen und in vielerlei Symbolik ausdrückt. Und natürlich kommen Schildkröten auch in den Mythen von Göttinnen vor.
So hat in den irokesischen Mythen die Göttin Awehai die Erde inmitten eines großen Gewässers auf dem Panzer einer Riesenschildkröte geschaffen. Die Schildkröte ist bei den UreinwohnerInnen Amerikas das Symbol für die Erde. Sie sprechen von der „Schildkröteninsel“. Diese trägt die Menschen und bietet genügend Platz, damit alles, was die Menschen an Nahrung benötigen, angebaut werden und auf ihr wachsen kann.
Im Mythos der chinesischen Schöpfungsgöttin Nüwa kam es zu einer großen Kollision zwischen dem Himmel und der Erde. Der Dämon Gong Gong war mit seinem Kopf gegen den nordwestlichen Pfeiler des Himmels gestoßen und das verursachte einen großen Riss quer über den Himmel. Nüwa, die die Menschheit geschaffen hatte, eilte schnell zur Rettung ihrer Geschöpfe herbei. Sie ersetzte die Säulen des Himmels, die bei dem Himmelsriss eingestürzt waren, mit den Beinen der großen Schildkröte. Diese erweisen sich als wesentlich tragfähiger. Gleichzeitig erschuf sie damit die vier Himmelsrichtungen. Diese Reparaturen ermöglichten dem Regen, bei Bedarf zu fallen und den Jahreszeiten in der richtigen Reihenfolge zu erscheinen. Auf den neuen Himmelssäulen aus den Schildkrötenbeinen postierte sie Drachen, die den Lauf von Sonne und Mond überwachen. Ihre Schildkrötenkonstruktion symbolisiert die große kosmische Ordnung, die sie auf der Erde wieder hergestellt hat.
Eine erstaunliche Geschichte hat die arkadisch-griechische Nymphe Chelone. Sie war, wie alle Gottheiten, Menschen und Tiere zur Hochzeit von Zeus und Hera eingeladen. Sie durchschaute allerdings, dass diese Eheschließung den patriarchalen Zwecke der Festlandgriechen dienen sollte, und dass damit die Rechte und die Bedeutung der allumfassenden und alten Muttergöttin Hera empfindlich beschnitten werden sollte. Aus Verachtung vor diesem Geschehen blieb Chelone der Hochzeit als einzige fern und zog es vor, demonstrativ zu Hause zu bleiben.
Als Hermes ihr Fehlen bemerkte, stieg er zur Erde hinunter, warf Chelone zur Strafe für ihr Verhalten mitsamt ihrem Haus in einen Fluss und verwandelte sie in eine Schildkröte. Als ewiges Zeichen, dass sie zu Hause blieb, musste sie fortan ihr Haus stets auf dem Rücken tragen.
Er verurteilte sie auch zur ewigen Stille – die Schildkröte symbolisierte die Stille im antiken Griechenland. Und so konnte sie fortan auch ihren Missmut über die Verehelichung von Hera und Zeus nicht zum Ausdruck bringen.
In die Geschichte ging sie als Schildkrötengöttin ein, die sowohl im Wasser wie auch am Land leben kann. Das griechische Wort Χελώνη heißt heute immer noch nach der Göttin „Schildkröte“.
Eine Reihe anderer Göttinnen werden dargestellt, indem sie auf Schildkröten stehen, sitzen oder reiten. Vermutlich, um deren Erdverbundenheit zu zeigen.
So war der griechischen Göttin Aphrodite die Schildkröte heilig. Es gibt von ihr Statuen, bei denen sie einen Fuß auf eine Schildkröte setzt. Möglicherweise auch, weil sich dieses Tier ganz in sein Innerstes zurückziehen kann, was bei einer Schönheit-, Sinnlichkeits- und Fruchtbarkeitsgöttin bisweilen auch notwendig sein kann.
Gelegentlich steht auch die römische Göttin der Gerechtigkeit Iustitia auf einer Schildkröte, womit symbolisiert wird, dass jedes gründliche Verfahren seine Zeit braucht.
Die aztekische Fruchtbarkeitsgöttin Mayahuel wird oft auf dem Rücken einer Schildkröte wie auf einem Thron sitzend dargestellt.
Mylitta, die babylonische Göttin des Mondes und der Fruchtbarkeit reitet auf manchen Darstellungen als nackte, bärtige Frau auf einer Schildkröte.
Auch die hinduistische Flussgöttin Yamuna wird meist auf einer Schildkröte stehend dargestellt.
Mehr zu den erwähnten Göttinnen:
Aphrodite
Awehai
Chelone
Hera
Iustitia
Mayahuel
Mylitta
Nüwa
Yamuna
Bildquellen:
turtle-g17658863c_1920 / RD Law / pixabay.com
sea-turtle-ga71d8ca1b_1920 / ubcmio / pixabay.com
Awehai / artedea.neet
Pingback: Welt-Schildkröten-Tag – schützen und ehren wir diese uralten Wunderwesen | Oh Göttin – Kon/Spira[l]