Wenn wir die Be-HERR-schung verlieren, haben wir schon fast gewonnen

Es schaudert mich!
Jetzt hab ich in den letzten 3 Jahren auf diesem Blog geschrieben, dass mir nichts mehr zum Weltfrauentag einfällt.
Und gerade heuer hüpfen mir ständig irgendwelche seltsamen Angebote zum Frauentag über den Weg. In einer Zeit, in denen von Amerika bis Russland Frauenrechte wieder zusehends verkommen, wird – kein Wunder – auch der Frauentag verniedlicht.
Oh Göttin!
Dieser im Jahre 1911 eingeführte Tag mit den so wichtigen politischen Forderungen für Frauen verkommt zusehends zu einem kommerzialisierten Plüsch- und Blümchen-Romantik-Wahnwitz.
Die Wirtschaft hat neben Valentins- und Muttertag nun endlich auch den Frauentag entdeckt.

Eine kleine Auswahl:
Der Schokolade-High Heel in pink um 17,90, die Porzellan Blume mit einer Flasche Duftöl um 9,99, das romantische Buch „Die Schöne und das Biest“ (personalisiert, in dem „Ihre Liebste selbst die Hauptrolle in der Geschichte spielt“. Anmerkung: Es fragt sich, welche Hauptrolle sie bekommt). Zum Angebot stehen auch Gutscheine für Kochkurse (da hat dann auch der Mann was davon). Oder wie wär’s mit einem Reisekoffer – da gibt’s sogar 50 % Rabatt (würde ich persönlich ja eher nicht empfehlen, den könnte die Liebste dann gleich packen und ab durch die Mitte zischen). Dann kann sie vielleicht den BioLite Campingkocher um 128,92 gut brauchen. Auch ein Zumba Gutschein um 80,00 steht zur Auswahl, vielleicht damit man ihr zum nächsten Frauentag das hochwertige Handtuch mit dem Aufdruck „Für deinen Traumkörper“ ab 12,00 schenken kann. Die Handtuchfirma bietet auch T-Shirts an mit dem Aufdruck „Guck nicht so blöd“ darunter ein roter Schmollmund und wieder darunter das Wort „Frauentag“.

Wann fühlen wir uns wohl?

Alles nicht von mir erfunden, wenn ihr in die google-Suche das Stichwort „Geschenke zum Frauentag“ eingebt, kommen noch viel mehr solcher Unglaublichkeiten.
Also kaum eine Parfümerie, kaum ein Modeladen, ein Restaurant, ein Wellness-Tempel, der das Thema auslässt – Sonderangebote, Rabatte, kleine Geschenke, „Wohlfühl“-Angebote wohin das Auge reicht.

Ich persönlich fühle mich erst wohl, wenn für alle Frauen das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben ganz selbstverständlich ist, wenn es gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit gibt, wenn es völlig normal ist, dass Kindererziehung, Pflege- und Betreuungsleistungen auch Männersache ist, wenn mindestens 50 % Frauen in Führungs- und Entscheidungspositionen in Politik und Wirtschaft sind, wenn weltweit alle Frauen Recht auf Bildung sowie gleichen Zugang wie Männer zu Wohnraum, Infrastruktur und guten Jobs haben, wenn Frauen nicht aufgrund ihrer Bekleidung kategorisiert, be- oder verurteilt werden, wenn es keine sexistische und frauenverachtende Werbung und Darstellungen in den Medien mehr gibt.
Das wären jetzt nur einmal die wichtigsten Punkte, die mir gerade einfallen.
Dann – aber wirklich erst dann – lass ich mich einem Wellness-Tempel gerne mit einem 30 %-Angebot zum Frauentag massieren!

Aber wenn das alles erfüllt ist, dann ist hoffentlich der Frauentag auch schon abgeschafft. Wie es EU-Kommisarin Viviane Reding bereits 2008 gefordert hat mit der Begründung: „Solange wir einen Frauentag feiern müssen, bedeutet das, dass wir keine Gleichberechtigung haben.“

Wir lassen uns nicht mit ein paar Blümchen abfertigen

Letztes Jahr übrigens wollte mir am 8. März doch glatt ein Typ von einer Partei, die ich ganz sicher nie und nimmer wählen werde, und die sich auch wirklich nicht damit hervortut, sich für Frauen-Rechte einzusetzen, einen Märzenbecher in die Hand drücken. Mit breitem Grinsen: Alles Gute zum Frauentag.
Ich will jetzt gar nicht genau niederschreiben mit welcher Empörung ich dieses „Präsent“ zurückgewiesen und welche Fragen ich ihm um die Ohren gefetzt habe – was die frauenpolitische Haltung seiner Partei und sein persönliches Engagement betrifft (siehe einen Absatz weiter oben).
„Was tun Sie persönlich genau für diese Anliegen?“, habe ich ihm abschließend entgegen gebrüllt. „Wir lassen uns doch nicht mit ein paar Blümchen abfertigen. Genau das ist der Ausdruck Ihrer patriarchalen Macho-Ideologie! Unglaublich, gehen Sie heim und schämen Sie sich eine Runde. Und dann tun Sie was, damit die Frauen all jene Rechte bekommen, die diesen zustehen. Fangen Sie einmal gleich bei Ihrer Frau und Ihrer Sekretärin an!“
Pfuhhhh …

Mir ist diese Episode wieder eingefallen, als ich im Aufruf des Wiener Aktionsbündnisses zur 8. März-Demo 2017 u.a. folgenden Satz gelesen habe:
Wenn wir die Be-HERR-schung verlieren, haben wir schon fast gewonnen!
Großartig!

Wir haben viel erreicht – es gibt viel zu tun

Das, was ich in den letzten Jahren zum Thema Feminismus immer wieder gehört habe:
Wir haben ja schon sooooo viel erreicht, die Situation der Frauen habe sich bei uns und auch weltweit ja schon soooo verbessert. Fast nicht mehr nötig, sich zu engagieren.
Echt jetzt?

Gerade die Entwicklungen der letzten Monate fordern uns auf, wachsam zu sein. Denn die Signale sind erschreckend:
In Putins Russland wird neuerdings das Prügeln von Frauen nur mehr als Ordnungswidrigkeit und nicht mehr als Straftat gewertet.
In Amerika des „grab them by the pussy“-Trump werden sexuelle Übergriffe wieder zum Kavaliersdelikt und gleichzeitig gibt es klare Signale gegen Schwangerschaftsabbruch.
In Europa sind sich quer durch die Religions- und Parteienlandschaft Männer, die sonst wenig weltanschauliche Dinge gemeinsam haben, in ihrem misogynem Denken und Handeln so unglaublich einig.
Warum Frauen weniger als Männer verdienen müssen, begründete der polnische Politiker Janusz Korwin-Mikke neulich im EU-Parlament mit dem unglaublichen Sager: „Weil sie schwächer, kleiner und weniger intelligent sind.“

Es gab wohl auch durch wirtschaftliche Entwicklungen und den Einfluss von sogenannten Traditionsparteien in den letzten Jahren eine seltsame Tendenz: Geschlechterrollen, die wir bereits ab den 60-er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts ad acta gelegt haben, werden wieder beliebter und gerade junge Frauen ziehen sich in ein (oft vermeintliches) Familienidyll zurück.

Feminismus aus Dornröschenschlaf

Doch – Scherz der Geschichte: Gerade die frauenverachtende, sexistische Fratze, die sich da von Ost bis West so deutlich offenbart, hat das Zeug dazu, den Feminismus aus dem Dornröschenschlaf zu wecken.
Feministische Initiativen erleben seit der amerikanischen Präsidentschaftswahl im November regen Zulauf. 1 Million Frauen gingen beim „Women’s March on Washington“ auf die Straße.
Zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens lassen mit feministischen Statements aufhorchen und solidarisieren sich mit den Anliegen des Women’s March gegen Trumps Politik und seine sexistischen Äußerungen.
Einen sehr treffenden Kommentar zum Ende des Postfeminismus habe ich hier gefunden (echt lesenswert!)

So, Schwestern es ist hoch an der Zeit, die Be-Herr-schung zu verlieren.

Ansonsten verweise ich auf meine Blogbeiträge zum 8. März von 2014, 2015 und 2016

**********************************

Hier mehr Infos zum Aufruf des Wiener Aktionsbündnisses

 

Bildquelle Plakat für den Frauentag am 8. März 1914:
Von Karl Maria Stadler (1888 – nach 1943) – Scan from an old book, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6372383

Bildquellen für alle anderen Fotos: pixabay.com

Dieser Beitrag wurde unter Göttinnen abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

4 Antworten zu Wenn wir die Be-HERR-schung verlieren, haben wir schon fast gewonnen

  1. Pingback: Zum Weltfrauentag fällt mir jetzt echt nix mehr ein | Oh Göttin

  2. Pingback: Frauen haben die Wahl! Wirklich? | Oh Göttin

  3. gann uma sagt:

    Sehr wahr. Ich möchte hinzufügen, dass Frauen auch schwach sein dürfen ohne irgendwie verächtlich betrachtet zu werden. Feministische Damen, die Stärken laut bejubeln, um dann heimlich auf die Schwächeren herabzuschauen, sind nicht so feministisch, wie sie tun.

  4. Monica Weispfennig Buchfeld sagt:

    damen haft

    elegant
    reizend
    stilvoll
    charmant
    dezent
    vornehm

    wohlerzogen
    unauffällig

    & außer
    ordentlich

    be herrscht
    (C) monica buchfeld 3/1990

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert