Wer eigentlich ist Krampus und ist er mit einer Göttin verwandt?

Er heißt Krampus, kommt gar furchteinflößend daher, wenn er kettenrasselnd den Heiligen Nikolaus begleitet und unartige Kinderlein bestraft.
So oder so ähnlich wird von der Schreckensgestalt erzählt, die da am 5. Dezember ihr Unwesen treiben soll.
Was mich schon als Kind irritierte: Wenn der Krampus am 5. und der Nikolaus am 6. Dezember kommt, dann kann er den heiligen Mann ja gar nicht begleiten. Ist er nur so etwas wie die Vorhut, damit Nikolaus am Tag darauf umso strahlender und milder auftreten kann?

Wenn wir es historisch betrachten, ist die Gestalt, die wir Krampus, auch Kramperl nennen, tatsächlich mehr als berechtigt dazu, vor dem Heiligen Nikolaus zu kommen.
Denn die Figur mit der hässlichen Fratze hat es schon gegeben, ehe Jesus aus Nazareth durch Galiläa wanderte und erst recht, bevor ein gewisser Nikolaus von Myra tätig gewesen ist.

Kämpft gegen die Winterdämonen

Die Figur, die wir heute als Krampus kennen, stammt aus einer Zeit, als die Menschen noch von und mit der Natur lebten. Einige Quellen gehen auf keltische Wurzeln zurück.
Wenn das Tageslicht im Dezember immer mehr schwindet, der Nebel (als Nebelgeister) mehr und mehr einfällt und es immer kälter und kälter wird, fürchteten die Menschen, dass die Wintergeister kommen würden um sich ihrer zu bemächtigen.
Da brauchte es eine Gestalt, die sich diesen Geistern entgegenstellt. Durch fürchterlichen Lärm, wildes Aussehen und entsprechendem Verhalten sollten diese Gestalten die Nebel- und Wintergeister in die Flucht schlagen. Diese Figur wurde später als Krampus bezeichnet.

Nicht von ungefähr gibt es in der Zeit von Anfang Dezember bis nach Silvester zahlreiche ganz alte Bräuche, die zum Schutz der Menschen und zur Abwehr des Bösen dienen sollen.
Man vertraute dabei auf viel Lärm, starke Rauchentwicklung und schreckliche zottelige Gestalten.
Mit den sogenannten Perchtenläufen zieht nicht nur einer, sondern oft eine Vielzahl an Krampussen mit. Und das ganz ohne Nikolaus.

Mit der Percht verwandt

Und tatsächlich hat der Krampus eine enge Verwandtschaft zur alten alpenländischen Muttergöttin Percht.
Der Percht traute man vor allem zweierlei zu:
Sie kämpft zum einen mit ihrer starken Kraft gegen die Bedrohung durch die winterlichen Naturgewalten. Zum anderen bringt sie die Hoffnung auf die bald wieder auferstehende Natur und auf neue Fruchtbarkeit.
Die traditionelle Frau Percht hat daher immer zwei Seiten: Wild und zottelig mit grimmiger Maske einerseits und weiß, glitzernd mit einem schönen Antlitz andererseits. In den Perchtenläufen dreht sie sich ununterbrochen, was den ständigen Wandel der natürlichen Zyklen der Natur symbolisieren soll.
Frau Percht war also gut und böse, sanft und wild in einer Person.
Die Menschen vertrauten ihr, und es war klar, dass sie nur durch die Kraft einer weiblichen Figur, einer Muttergöttin eben, beschützt werden konnten.
Durch die Christianisierung wurde die Percht gespalten und vermännlicht: Aus ihr wurde einerseits der belohnende Nikolaus und andererseits der bestrafende Krampus.

Das Rot von der blutigen Luz

Die Krampusse in den Perchtenläufen sind sehr animalische Wesen mit Hörnern und zotteligem Ziegenfell. Kein Wunder, gehören sie doch der Schar der sogenannten Wilden Jagd an. Auffällig ist, dass diese meist in Naturfarben erscheinen, also mit hellem oder braunen Fell.
Den klassischen Krampus hingegen kennen wir meisten in seiner roten Gestalt. Und auch das hat seinen Grund: Da gibt es die römische Lichtgöttin Lucina. Lange vertrauten die Menschen darauf, dass sie in den dunklen Winternächten das neue Licht bringen würde. Das konnten die christlichen Kirchenväter so nicht stehen lassen.
Daher wurde sie in die weiße, liebliche Gestalt der Heiligen Lucia umgewandelt, die vor allem in skandinavischen Ländern am 13. Dezember groß gefeiert wird. Sancta Lucia sollte aber nicht nur die alte Mondgöttin Lucina ersetzen, sie sollte auch von einer anderen wichtigen Muttergöttin ablenken, die in der Winterzeit vor allem in den Alpen sehr populär ist – nämlich der Percht.

Dieses Vorhaben ist allerdings gründlich misslungen.
Die Menschen vertrauten in den Rauhnächten nicht der zarten, blonden, lichtvollen, heiligen Lucia, der Lichtbringerin im weißen dünnen Kleidchen.
Sie wollten vielmehr – den äußeren Gegebenheiten im Dezember entsprechend – die wilde Percht, die mit ihrer Kraft durch die Lande braust und mit den Winterkräften ringt.
So wurde die mythologische Figur angepasst, und heilige Lucia ihrerseits wurde von den Menschen wieder verwandelt:
In die „blutige Luz“.
Offenbar vertrauten die Menschen wohl eher darauf, dass sie gegen die Dämonen der dunklen Dezembernächte eher gewappnet sind, wenn sie die grausige Luzl an ihrer Seite haben –rot, stark und wild und nicht weiß, scheu und rein wie die Heilige.
Und dieses wilde starke Rote, das hat sich der Krampus von der Blutigen Luz abgeschaut.

Animalisch und erotisch

Woher hat der Krampus seinen Namen? Das griechische Wort „krampos“ heißt „ausgedörrt, verdorrt, vertrocknet, verblüht“ und damit leblos. Er ist daher das Sinnbild dafür, was wir jetzt in der Natur wahrnehmen, die uns wie tot erscheint. Ethymologisch verwandt ist auch der Krampen, bzw. die Kralle.

Wie erscheint uns der Krampus?
Animalisch! Mit seinem Fell und seinen Hörnern hat er eine enge Verwandtschaft zu Pan, dem griechischen Gott des Waldes und der Natur. Im christlichen Mittelalter wurde die Ikonographie des Pan für die Darstellung des Teufels übernommen. Und das kommt nicht von ungefähr, denn Pan schreibt man auch eine starke erotisch-sexuelle Komponente zu, was ja im christlichen Weltbild „des Teufels“ ist.
In den Perchtenläufen stellt sich der Krampus oft mit einem fast unstillbaren sexuellen Appetit dar und ist weniger hinter den schlimmen Kindern, sondern mehr hinter den jungen Frauen her.
Ein „geiler Bock“ eben. Der Hintergrund ist aber offensichtlich: In dieser finsteren, dürren Winterzeit soll genau damit die Fruchtbarkeit symbolisiert und beschworen werden.
Was aber keinesfalls die Übergriffe auf Frauen rechtfertigt, die bei volkstümlich-touristischen Perchtenläufen für testosterongeschwängerte Männer unter ihren Krampusmasken ein großes Gaudium ist.

Auffallend ist auch, dass der klassische Krampus immerzu die Zunge heraus streckt. Das würde einerseits auch auf geiferndem sexuellen Appetit schließen lassen, die Zunge auch als Allegorie für den Penis. Andererseits unterstreicht dies auch die wilde Natur Im besten Sinne steht die Zunge dafür, dass er bereit ist, sofort alles aufzufressen, was an bösen Winterdämonen den Menschen schaden könnte.
Sehr interessant ist, dass die Hindu-Göttin Kali, die als schwarze Mutter, große Zerstörerin und Alles-Verschlingende auf ihren Bildnissen auch immerzu mit heraushängender Zunge dargestellt wird. Sie ist eine dreifache Göttin mit den Aspekten des Todes bzw. der Zerstörung, der Bewahrung sowie der Erneuerung und der Schöpfung.
Ihre große Verehrung beruht auf dem Glauben, dass ohne Zerstörung nichts Neues entstehen kann.

Der Krampus der dunklen Winternächte wird ja auch als der Zerstörer wahrgenommen, aber ohne diese „zerstörte“ Natur kann das nächste Frühjahr auch keine Fruchtbarkeit bringen.

Rutenschläge für Gesundheit und Fruchtbarkeit

Untrennbar zum Krampus gehört seine Rute. Auch diese könnte sexuell gedeutet werden.
Die eigentliche Funktion ist jedoch eine andere: Um Krank­hei­ten und un­er­wünsch­te Ener­gien aus den Häu­sern und Ställen zu ver­trei­ben, schlagen nor­dische Scha­ma­nInnen seit jeher sanft mit einer Birkenrute ge­gen die Türen oder über die Rücken der Tie­re und Men­schen. Wir kennen diese Rutenschläge heute noch von nordi­schen Sau­nen. Damit soll die Zirkulation des Blutkreislaufes angeregt werden, was Gesundheit und damit auch gute Fruchtbarkeit bringen soll.
Spannend dabei ist, dass der Krampus traditionell eine mit einem rotem Schnürband gebundene Birkenrute mit sich trägt. Die Birke ist der einzige Baum der auch im Winter Knospen treibt. Das rote Band steht natürlich für die rote Fruchtbarkeit. Die Rute ist damit das Sinnbild für wieder beginnendes Leben nach dem Winter. Die wild mit ihren Ruten herumschlagenden Figuren in den Perchtenläufen sind natürlich die pervertierte Form der ursprünglichen Bedeutung.

Korb als Kessel

Und natürlich trägt er oft eine Buckelkraxe bzw. einen Buckelkorb. Doch nur in der sogenannten „schwarzen Päda­go­gik“ steckt er in diesen die schlimmen Kinder hinein.
Dieses Gefäß soll an den großen Kelch der alten Mutter­göt­tin erinnern, aus dem alles Leben kommt und in den alles Leben wieder zurückkehrt.
Es heißt, dass die Percht in den Rauhnächten herumgeht und alle Seelen der im vergangenen Jahr Verstorbenen einsammelt und mit sich heim in ihr Reich führt. Und alle Menschen sind die „Kinder“ der Großen Göttin. So ist der Krampuskorb auch ein Fragment aus dem alten Mutter­göt­tinnen-Glauben.

Schlussendlich domestiziert

Dieses Bild hat ein leeres alt-Attribut; sein Dateiname ist nikolo.jpg.

Mit der Christianisierung wurde die Muttergöttin zum Krampus in Tiergestalt und somit zum Teufel verwandelt. Mit der Inquisition (von Anfang 13. Jahrhundert bis zum endgültigen Verschwinden Ende des 18. Jahrhunderts) wurde dann jegli­cher Krampusbrauch verboten.
Es war bei Todesstrafe niemandem erlaubt, sich als teuflische Gestalt zu verkleiden.
In manchen schwer zugänglichen Alpentälern wurde dieser Winterbrauch jedoch weitergeführt.
Schließlich fand der domestizierte Krampus seine Funktion als recht harmloser Begleiter des Heiligen Nikolaus. Augenscheinlich sollte dargestellt werden, dass der heilige Mann hier der Chef ist und sich der böse Kramperl ihm unterzuordnen hat und allerhöchstens ein wenig Schabernack treiben darf.
Die Vorlage zum Heiligen Nikolaus war angeblich ein Bischof von Myra, in der Überlieferung vermischte sich dieser mit einem Bischof Nikolaus aus dem nahen Pinara bei Minare nahe Fethiye. Gesicherte historische Fakten über das Leben und Wirken von Nikolaus gibt es nicht.
Was aber auffallend ist: Er erscheint uns bei unseren Nikolofesten in den Farben der dreifältigen Göttin:
Weiß, rot und schwarz

Mehr Informationen über die erwähnten Göttinnen:
Blutige Luz
Kali
Lucina
Percht

************************

Mehr Lesestoff für diese Zeit im Jahr:

Alle Infos zu den artedea-Rauhnächte eWorkshops

************************

Bildquellen:
Krampus: Paul Narvaez / flickr.com
Percht / artedea.net
Blutige Luz / artedea.net
Kali / artedea.net
Nikolaus: Santa Claus with his hands open / Milles Studio / fotolia.com

Dieser Beitrag wurde unter Göttinnen abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort zu Wer eigentlich ist Krampus und ist er mit einer Göttin verwandt?

  1. Pingback: Wer eigentlich ist Krampus und ist er mit einer Göttin verwandt? | Oh Göttin – Kon/Spira[l]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert