Warum gibt es eigentlich so viele Rentiere bei unseren Weihnachtsdekorationen?
Natürlich hat auch das was mit einer Göttin zu tun: Der 26. Dezember ist nämlich das Fest der Rozhanitza, die an diesem Tag Geburtstag hat. Denn zu diesem Termin wird auch der Winter „geboren“ – und damit das Licht wiedergeboren.
Zu Ehren dieser Göttin beschenken einander die Menschen an diesem Tag – und schmücken ihre Häuser feierlich.
Rozhanitza ist eine Wintergöttin im Osten Europas. Sie ist auch eine Göttin der Jagd, die wie viele andere Jadggöttinnen Tiere auch als ihre besondere Schützlinge hat. Eng verbunden mit dieser Göttin sind Rentiere.
In dieser Doppelfunktion als Jägerin und Behüterin der Tiere ist offenbar gewährleistet, dass die Göttin auf alle schaut, auf die Population der Tiere und die Bedürfnisse der Menschen nach Nahrung.
Beschützerin der Rentiere
Damit stellt sie eine gute Balance her — und mahnt die Menschen, auch auf diese Balance zu achten. Rentiere sind in den Tundrazonen Europas und Amerikas wichtige Tiere. Für die nordeuropäischen Stämme der TungusInnenen, TuwinerInnen und SamInnen bilden sie immer noch die Lebensgrundlage: sie liefern eine besonders fette und nahrhafte Milch, Fleisch und feines Wildleder — und sie können als Zugtiere vor Schlitten gespannt werden.
Zudem verfügen Rentiere über eine derart gut Kälteisolation, dass sich auf ihrem Rücken eine beachtliche Schneedecke ansammeln kann, die nicht taut und die Tiere auch nicht stört.
Das fruchtbare Rauhnachtsgeheimnis
Rentiere, Rehe und auch andere gehörnte Wildtiere finden wir oft in den alten Geschichten rund um diese Zeit im Jahr: Diese sind ein Fragment der „Wilden Jagd“, die in den Rauhnächten um die Häuser und über die Felder fegt.
Und das äußert sich z.B. heute noch darin, dass sich Santa Claus immer im Gefolge von Elchen und Rentieren befindet.
Ein besonders fruchtbares Rauhnachtsgeheimnis haben übrigens Rehe: Sie haben ihre Brunftzeit bereits im August. Das befruchtete Ei ruht aber 4 ½ Monate ohne die geringste Veränderung in der Gebärmutter des Muttertiers. Just in den Rauhnächten beginnt es sich zu entwickeln. Innerhalb von drei Wochen ist bereits die ganze Frucht ausgebildet, die dann bis zur Geburt nur mehr wächst. Mit diesem biologischen „Trick“ (oder Rauhnachts-Wunder) werden die Kitze im Mai / Juni in ein Schlaraffenland aus Blättern, Knospen und Trieben geboren.
Die göttliche Tochter
Rozhanitza wird oft mit dem Geweih eines Rentiers dargestellt. Rentiere sind die einzigen Hirsche, bei denen die weiblichen Tiere auch ein Geweih tragen.
Darstellungen zeigen Rozhanitza oft mit ihrer Tochter, die manchmal als Mensch, manchmal aber auch als Rentierkuh erscheint.
Als Geburtsgöttin wird Rozhanitza auch gezeigt, indem sie ein Rentier gebärt oder als Wintersonnwendsgöttin das Licht zur Welt bringt.
Im russischen Kunsthandwerk gibt es Bilder dieser Göttin, die sie in der Gebärposition zeigt, bei der ihr Körper ein X formt: Mit gespreizten Beinen macht sie sich für die Geburt bereit und ist fest mit der Erde verbunden. Auch ihre Arme sind weit auseinander gebreitet zum Himmel emporgehoben, wie wenn sie sich Kraft holen oder an einer unterstützenden Hebamme festhalten würde.
Damit gilt das X – z.B. in der Kreuzstickerei – immer als Symbol für Geburt, Leben oder für die Gebärhaltung. Dies im Gegensatz zum Kreuz als Zeichen des Todes „+“.
Womit wir bei X-Mas wären: Seit frühchristlicher Zeit diente der griechische Buchstabe Chi (X) als Abkürzung für das Wort Christos (ΧΡΙΣΤΟΣ).
Mit dem X der Rozhanitza bekommt auch die Bezeichnung X-Mas für Weihnachten eine ganz andere Bedeutung.
The red-nosed reindeer ist weiblich
Unsere beliebten Weihnachts-Rentier-Dekorationen sind also auf diese Göttin zurückzuführen. Zu weihnachtlichen Ehren kamen Rentiere in einem Gedicht „A visit from St. Nicolas“ des Amerikaners Clement Moore (1779-1863).
1949 kam das Rentier Rudolph im Song von Gene „The singing Cowboy“ von Autry und Jonny Marks vor Santa Claus‘ Schlitten.
Da die männlichen Rentiere jeweils im Herbst ihr Geweih abwerfen, die weiblichen Tiere das aber erst im Frühjahr tun, können wir also alle gehörnten Rentiere an der Kutsche des Weihnachtsmanns als Rentier-Damen betrachten.
Und so ist natürlich auch Rudolph in Wahrheit eine Rudolphine!
Die Magie des 26. Dezember in der Wiener Stephanskirche
Noch eine Info zum heutigen 26. Dezember, der ja im katholischen Glauben der Stephanitag ist: Wer in Wien wohnt oder hier gerade zu Besuch ist, sollte heute in den Stephansdom gehen. Dieser ist ja als „Wintersonnwends-Kirche“ angelegt.
Die Kirchenväter und ihre Baumeister waren ja – magisch gesehen – auch recht schlau. Die Achse des Langhauses ist auf den Sonnenaufgang 26. Dezember geostet.
Unter Ostung versteht man die Ausrichtung eines Kirchengebäudes nach Osten.
Durch diese Ostung der Stephanskirche kann man an zwei besonderen Tagen im Jahr mittags ein schönes Lichtspiel beobachten: Immer am 26. Dezember, dem Namenstag des Kirchenpatrones, ist seine Ikone am Hauptaltar durch die Sonne erleuchtet, die durch das kleine Fenster oberhalb des Hauptportals, des sogenannten Riesentors hereinstrahlt.
Und am 6. Januar, dem Ende der Epiphanie und Dreikönigstag, erstrahlen die Kronen der Heiligen Drei Könige im Sonnenglanz.
Die Menschen früher waren schwer beeindruckt und glaubten an ein besonderes Wunder, das natürlich durch eine recht einfache Berechnung des Sonnenstandes herbeigeführt wurde.
Hier mehr Infos zu Rozhanitza
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Mehr zu den verschiedenen Rauhnachts-Geheimnissen findet ihr im artedea-eBook „Rauhnächte – Von den rauen Nächten und der Wilden Jagd“
Die Mythen von 90 Geburtsgöttinnen wie jene von Rozhanitza sind im artedea-Ebook „Wie Göttinnen die Kinder bringen“ beschrieben
Bildquellen:
Rozhanitza – artedea.net
St. Claus mit Rentierschlitten – pixabay.com