In spirituellen oder in Frauen-Kreisen, in denen die acht Jahreskreisfeste gefeiert werden, wird für die Wintersonnenwende vielfach das Wort „Julfest” oder einfach nur „Jul” verwendet.
Es scheint mir daher wichtig, sich mit den Wurzeln dieser Bezeichnung näher und auch kritisch zu beschäftigen:
Wo und wann genau die Bezeichnung Julfest für jene Feiern rund um die Wintersonnenwende entstanden ist, das lässt sich nicht mehr eindeutig nachweisen. In den skandinavischen Sprachen heißt Weihnachten noch heute „jul” oder „jol”, im Finnischen „joulu”, im Estnischen „jõulud”, im Englischen besteht der Begriff „Yule”, im Niederländischen „Joel” und auf Sylter Friesisch heißt es „Jül” oder „Jööl”, auch das französische „Noël” hat möglicherweise die gleiche Sprachwurzel.
In einer weiteren Bedeutung umfasst „jól“ ganz allgemein das Festmahl.
Im altisländischen Kalender findet man „ýlir“, eine Ableitung für „jól“, für den zweiten Wintermonat, der die Zeit vom 14. November bis 12. Dezember bezeichnete.
Bierfeste, Feuerrituale und Tänze
Überlieferungen zufolge bildete das Julfest einst eine zwölftägige Friedenszeit, in der die Häuser mit immergrünen Zweigen geschmückt wurden, denen man schützende und heilende Kräfte zuschrieb.
Gastfreundschaft bildete ein zentrales Element der Julzeit.
Das Julfest war also nicht nur das Ereignis einer Nacht, sondern ein harmonisches Netzwerk ineinandergreifender Sonnen-, Toten- und Fruchtbarkeitsriten mit allerlei symbolischen Handlungen zur menschlichen und natürlichen Kraft.
Dazu gehörten Bierfeste, Feuerrituale und Tänze. Bei den NorwegerInnen, IsländerInnen und WikingerInnen, aber auch bei AlemannInnen, SachsInnen und in Franken sollen dies lange Gelage mit üppigem Essen und reichlich Alkohol gewesen sein.
Karl der Große beschloss im Jahr 800 diesem ausschweifenden Treiben ein Ende zu setzen und fortan das christliche Weihnachtsfest zu feiern.
Im Zuge dessen ließ er das Julfest bei Todesstrafe verbieten. Darauf folgend legten christliche Herrscher in ganz Europa das Fest auf den 24. oder 25. Dezember, um damit dem Volk eine christliche Alternative zu den „gottlosen“ Ritualen zu bieten.
Das christliche Weihnachtsfest setzte sich zwar durch, übernahm allerdings zahlreiche „heidnische” Bräuche aus dem Julfest.
So hat z.B. der Weihnachtsbaum ganz und gar nichts Christliches an sich.
Am stärksten haben sich die Julbräuche in Norddeutschland, Skandinavien und Großbritannien erhalten.
Bekannte skandinavische Sitten sind der Julklapp, ein aufwändig verpacktes Scherzgeschenk, das Julbrot, dem man übernatürliche Kräfte beimaß sowie der strohgeflochtene Julbock, der heute noch in Finnland den Kindern ihre Geschenke bringt.
Hilfreiche Geister
Das Julstroh, das in den Häusern und den Kirchen auf dem Boden ausgebreitet wird, soll „unsichtbaren Gästen” als Bett dienen. Dabei ging es allerdings auch um „Zauberei“, denn mit Strohhalmen sollen Orakel und geheime Zeichen beschrieben worden sein.
Es gibt auch den Brauch, dass während der ganzen Julzeit ein Tisch für „unsichtbaren Gäste” gedeckt wurde.
Vielleicht für die Julwichte, die besonders in Skandinavien noch eine lebhafte Tradition haben.
In Dänemark und Norwegen heißen sie Julenisse, in Schweden und Finnland Jultomte. Sie treten während der gesamten Julzeit als hilfreiche Wesen auf, als schützende Familien- und Hausgeister. Diese scheuen Wesen bewachen Haus und Hof, vor allem die Tiere und bringen Glück und Wohlstand. Als Dank stellt man ihnen regelmäßig eine Schüssel mit Milchreis hin.
Zum Jultrinken „jóladrekka” gehören traditionell Trinksprüche auf die AhnInnen und das „jólaöl” (Julbier) oder der Met.
Lichter, Bogen und Rad
Und immer geht es um Lichter und um Feuer, denn in den nordischen Regionen des alten Europas wurde „Jul“ als das Geburtsfest der Sonne gefeiert.
Also alle Kerzen am Adventkranz oder am Weihnachtsbaum oder die weihnachtlich geschmückten Einkaufsstraßen mit den vielen Lichtgirlanden beziehen sich auf diese alte Jul-Sonnen-Bräuche.
Ebenfalls zu dieser Licht-Tradition gehören die Lichterbögen (Julbogen oder Jöölboom) und Weihnachtspyramiden, wie man sie im Erzgebirge kennt.
Das Symbol der Sonne war für die Menschen einst das Rad („jol“ oder „giuo“ genannt). Die runde Form soll auch die Zyklen und den Wechsel des Lichtes darstellen, wie auch das Zusammenfallen von Anfang und Ende des Jahres, es ist Ausdruck für Niedergang und Erneuerung, für das Zyklische der Natur, den Übergang.
Traditionell wurde die Sonne durch brennende strohumwickelte Wagenräder dargestellt, die man den Berg in dem Glauben hinunterrollen ließ, dass damit die Felder dadurch fruchtbar werden.
Die Strohsterne, die wir heute noch auf unseren Weihnachtsbäumen finden, sind die verkleinerte Form dieser großen Strohräder.
In skandinavischen Ländern gibt es auch die alte vorchristliche Tradition des Verbrennens eines Julklotzes. Dabei wird ein, meist mit Stechpalmen dekorierter, großer Holzklotz in den Kamin gelegt und verbrannt, bis nichts mehr außer Asche übrig ist.
Durch seine Verbrennung sollte das Gewesene verschwinden und Platz für das Neue geschaffen werden, um so das Ewige zu bewahren. Die Überreste wurden gesammelt und entweder auf den Feldern als Dünger verteilt oder als Zaubermittel oder Medizin behalten.
Die christlichen Kirchenväter verboten zunächst diese Bräuche. So untersagte Bischof Martin von Bracara († um 580) das Opfern von Feldfrüchten und das Weihen über einem Holzblock im Herd, und noch Bischof Pirmin († um 753) erneuerte das Verbot.
Zuerst verboten, dann christlich umgedeutet
Doch wie die meisten anderen Bräuche rund um das christliche Weihnachtsfest, die so gar nichts mit den Geschehnissen vor rund 2.000 Jahren in Bethlehem zu tun haben, wurde auch der „heidnische” Julklotz im 12. Jahrhundert als Christklotz, Weihnachtsscheit, Christbrand oder Christblock in das christliche Brauchtum transferiert.
Denn die Menschen haben trotz Verboten von den alten Sitten nicht Abstand genommen und daher war es schlau, diese vielfach mit einer christlichen Bedeutung zu versehen.
So wurde daher ein speziell geweihter Holzklotz am Heiligen Abend in den Kamin gelegt, wo er bis zum Dreikönigstag blieb. Es heißt, er gehöre zum Weihnachtsfrieden.
Die Asche wurde auf den Feldern verteilt, Reste des Klotzes sollten das Jahr über gegen Unglück schützen und dienten zum Anzünden des Christklotzes im nächsten Jahr.
Wer den Baum für den Festklotz fällen durfte, war vor Unheil sicher.
Auch brachte es Segen, den Baumstamm beim Heimtransport zu grüßen.
Das ist natürlich im christlichen Sinn wildester Aberglaube, denn wenn wer in diesem Kontext Glück bringen kann, dann ist es wohl Gottvater oder -sohn und nicht ein angebrannter Holzklotz.
In Frankreich ist aus dem Julklotz aus Holz inzwischen übrigens ein Kuchen geworden, der „bûche de noël” – meist eine Biskuitrolle mit Schokolade.
Interpretation als germanisches Erbe
und „arteigenes Brauchtum“
Was hier nicht unerwähnt bleiben soll:
Große Feste an bedeutsamen Punkten im Jahr waren immer schon von besonderem Interesse für jene, die an der Macht sind. Daher wurde das auf das christliche Weihnachten umgeformte Julfest in den 30-er und 40-er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts vom Nationalsozialismus wieder entdeckt, denn dies entsprach den Vorstellungen eines scheinbar „germanischen Erbes“.
Somit sollte das Weihnachtsfest durch eine nationalsozialistische Interpretation eines „altgermanischen“ Julfestes ersetzt und damit ein „arteigenes Brauchtum“ entwickelt werden.
Da gab es ab 1935 ganz konkrete Dienstanweisung der Parteistellen, Veröffentlichungen und Schulungsunterlagen der Vorfeldorganisationen.
So sollte der Christbaum in „Jultanne“ umbenannt werden und Frau Holle sollte den Nikolaus und das Christkind als Gabenüberbringerin ablösen. Hakenkreuz bzw. Sonnenrad aus Goldpapier sollten christliche Symbole wie Kreuz und Weihnachtsstern auf der Baumspitze ersetzen.
In den propagandistischen Weihnachtsringsendungen von 1940 bis 1943 im Großdeutschen Rundfunk wurde das als Julfest uminterpretierte Weihnachtsfest dann bereits vollkommen von den christlichen Wurzeln entkoppelt.
Nach dem Krieg und dem Ende des NS-Regimes sind die Menschen ganz schnell wieder zu den gewohnten Benennungen und Bräuchen zurückgekehrt, die sie wie davor für christlich hielten.
Interessant ist die Symbolik, die sich durch die sich wandelnde Geschichte rund um die Wintersonnenwende nahezu unverändert zieht, gleichgültig, wer an der Macht ist und wer das Deutungsrecht hat.
Feste zur Wintersonnenwende, die nicht dezidiert christlich ausgerichtet sind, leiden daher oft unter diesem miefigen Beigeschmack der 3.-Reich-Ideologie immer noch.
Wer jetzt in esoterischen, paganistischen oder sogenannten neuheidnischen Gesellschaften von Julfest spricht, sollte sich daher bewusst sein, dass man mit dieser Benennung mitunter in einer politischen Ecke vermutet wird, die vielleicht so gar nicht beabsichtigt ist.
Es ist allerdings hoch an der Zeit, das Jul-Fest (oder wie immer wir es nennen wollen) wieder mit neuen lebensbejahenden Themen zu besetzen und die Freude an der hoffnungsvollen Geburt des Lichts nicht rechtsextremen ideologischen Zwecken zu überlassen.
Dieser Text ist ein Auszug
aus dem artedea-eBook
Julfest: Das Fest des wiederkehrenden Lichts
Bildquellen:
julbock – flickr.com/Anne-Lise Heinrichs
Julwicht – pixabay/Couleur
Feuerrad aus Stroh als Symbol für die Wintersonnenwende – de.wikipedia.org
Brennender Holzscheit, Flamme – pixabay.com/terimakasih0
Bûche de Noël traditionnelle – commons.wikimedia.org
Wie immer: super informativ! Danke und ein frohes Julfest 😀