20. Februar: Welttag der sozialen Gerechtigkeit

Tenga32009 wurde von den Vereinten Nationen der „Welttag der sozialen Gerechtigkeit“ eingeführt, der nun alljährlich am 20. Februar begangen wird. Er soll darauf aufmerksam machen, dass soziale Gerechtigkeit eine wichtige Voraussetzung für das friedliche Zusammenleben ist.
Dazu gehören die Rechte von indigenen Völkern und MigrantInnen, genauso wie die Rechte von Menschen, die aufgrund von Alter, Ethnie, Religion, Kultur, Behinderung oder Geschlecht benachteiligt werden.
2009 stellte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon fest: „Es gibt es immer noch viel zuviele Orte auf der Welt, an denen sich nur wenige Menschen über ein Mehr an Möglichkeiten freuen können, die meisten Menschen aber unter wachsender Ungleichheit zu leiden haben. Die Verwerfungen werden sichtbar, wenn wir auf sinkende Löhne für Frauen und junge Menschen oder auf den eingeschränkten Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung oder anständiger Arbeit blicken.“
Er forderte: „Wir müssen Institutionen stärken und aufbauen bzw. Programme entwickeln, die Entwicklung für alle vorantreiben. Wir müssen unsere Bemühungen forcieren, um diese Ziele bis zur gesetzten Frist 2015 zu erreichen.“

Die Situation der Frauen im Patriarchat

So, jetzt haben wir also 2016. Wie schaut es aus mit der sozialen Gerechtigkeit?
Ich greife jetzt nur einmal die Situation von Frauen heraus. Dass diese weltweit und auch in „hochkultivierten“ Gesellschaften Chancengleichheit haben, ist nach wie vor Utopie.
Patriarchale Gesellschaftsstrukturen – in ihrem Grund oft religiös geprägt – sind der Nährboden dafür, dass Frauen von sozialer Gerechtigkeit nach wie vor nur träumen können.
Kurze Auszüge zur Stellung und zum Wert der Frauen in patriarchal geprägten Religionen:

  • Buddha höchstpersönlich soll bei der Gründung eines Frauenordens gesagt haben, dass mit einem weiblichen Orden die buddhistische Lehre statt 1000 Jahre lediglich 500 Jahre währen würde.
  • Im Gesetzbuch des Manu, des Stammvaters der Menschen im Hinduismus steht folgendes über den Status der Frau: „Als junges Mädchen gehörte die Frau ihrem Vater, als Verheiratete ihrem Ehemann und als Witwe ihren Söhnen und Verwandten, denn die Frau darf niemals unabhängig sein.“
    Ähnliches gilt im Konfuzianismus.
  • In der jüdischen Synagoge müssen Frauen im hinteren Bereich hinter einer Trennwand stehen, ultraorthodoxe Juden legen dieses Gebot auch für öffentliche Verkehrsmittel aus (siehe dieser Link). Während alle männlichen Mitglieder (auch die Minderjährigen) der jüdischen Gemeinde dazu aufgefordert werden können, aus der Thora vorzulesen, sind davon die zerlumpten und nackten Männer sowie die Frauen ausgeschlossen. Frauen werden daher den Zerlumpten und Nackten gleichgestellt und den minderjährigen männlichen Gemeindemitgliedern untergeordnet.
  • Im Islam gilt die Zeugenaussage einer Frau vor Gericht nur halb so viel wie die eines Mannes.
  • Und in der christlichen Bibel finden wir so haarsträubende Sätze wie „Denn der Mann ist nicht von der Frau, sondern die Frau von dem Mann.“ (1.Kor 11, 7-9)
    Frauen sollen (lt. Bibel!!!) ein Kopftuch tragen, vor allem dann, wenn sie die Kirche betreten: „Darum soll die Frau eine Macht (= Schleier) auf dem Haupt haben um der Engel willen.“ (1. Kor 7,26 und 1. Kor 11,10). Das gilt natürlich nicht für die „Krone der Schöpfung“: „Der Mann aber soll das Haupt nicht bedecken, denn er ist Gottes Bild und Abglanz.“ (1.Kor 11,7)
    Sehr bezeichnend auch: „Wie in allen Gemeinden der Heiligen lasset eure Weiber schweigen in der Gemeinde; denn es soll ihnen nicht zugelassen werden, dass sie reden, sondern sie sollen untertan sein, wie auch das Gesetz sagt. Wollen sie etwas lernen, so lasset sie daheim ihre Männer fragen. Es steht den Weibern übel an, in der Gemeinde zu reden.“ (1.Kor. 14, 34-35)

Versächlichung mit Verniedlichungsform

Das alles ist uns seit Jahrhunderten, Jahrtausenden ins Hirn gebrannt. Wen wundert’s, dass das unser soziales Gefüge nachhaltig bestimmt. Und das spiegelt sich tagtäglich in unserem Zusammenleben, in der Lohnschere zwischen Frauen und Männern, in unserem Sprachgebrauch wider.
Warum heißt es eigentlich „das“ Mädchen? Diese Versächlichung mit Verniedlichungsform nimmt Frauen schon von Anfang an ihre Persönlichkeit. Und Mädchen ist man nicht nur als Kind sondern mindestens bis 18. Wem würde einfallen einen 18-Jährigen als Bub oder gar Bübchen zu bezeichnen?

Zahlreiche Studien belegen, dass Mädchen immer noch weniger häufig im öffentlichen Raum anzutreffen sind als Buben. Es herrscht offenbar gesellschaftlicher Konsens darüber, dass Freiräume und der Aktionsradius, der Buben selbstverständlich zugestanden wird bzw. den sie sich einfach nehmen, für Mädchen nicht gelten. Rollenvorbilder innerhalb der Familien wirken: Immer noch bewegen bewegen sich Söhne nach dem Vorbild des Vaters viel selbstverständlicher hinaus in die „große weite Welt“ und alleine in unbekanntes Gebiet. Mütter übertragen oft ihre eigenen „Straßenängste“ auf die Töchter, die sich daher vermehrt in vermeintlich sicheren Innenräumen aufhalten. Der Großteil der sexuellen Übergriffe passiert jedoch in vertrauten Innenräumen.

Die Sache mit Raumgefühl und Orientierung

Und dann kommen noch hämische Zuschreibungen hinzu, wie z.B. der Herrenwitz von Frauen, die schlecht einparken können. Warum? Weil sie einfach keine räumliche Vorstellungskraft besitzen. Aha!
Abgesehen von meinen persönlichen sehr guten Einpark-Kompetenzen, mit denen ich im Laufe meines Lebens sicher Dutzende Männer überrascht habe, gibt es hierzu ein spannendes Experiment:
Es führt uns nach Indien:
Im einem Hügelland in Nordindien gibt es zwei Volksstämme: die Karbi und die Khasi, die genetisch nahe miteinander verwandt sind. Auch ihre Ernährung ähnelt sich stark. Reis ist das wichtigste Lebensmittel.
Aber gesellschaftlich gesehen sind die beiden Gruppen sehr verschieden. Bei den Karbi herrschen klassische patriarchalische Verhältnisse. Die Männer haben das Sagen, meistens den Besitz, und der älteste Sohn erbt alles. Die Khasi haben eine matriarchale Gesellschaftsstruktur.
Angehörige beider Stämme wurden zu einem wissenschaftlichen Test zu räumlichem Denken eingeladen. Es galt, ein vierteiliges Puzzle zusammenzusetzen. Eine Aufgabe, die ihnen allen gänzlich neu war. Insgesamt machten fast 1300 Männer und Frauen mit. Das Ergebnis: In der patriarchalen Gesellschaft lösten die Männer das Puzzle im Schnitt deutlich schneller als die Frauen, in der matriarchalen Gesellschaft hingegen waren die Frauen nicht schneller sondern beide beide Geschlechter benötigten die gleiche Zeit. Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit!

Es wurde auch festgestellt, dass bei Ehrgeiz und Wettbewerbsmentalität die Kinder beider Stämme im Alter von 7 – 12 etwa gleich sind. Bei den patriarchalen Karbi fallen die Töchter ab 13 Jahren allerdings signifikant zurück. Bei den matriarchalen Khasi gibt es auch in der Altersstufe ab 13 keine geschlechtsspezifischen Unterschiede.

Frauen können nicht einparken und haben sowieso Probleme bei der Orientierung? Frauen sind nicht so ehrgeizig im Berufsleben?
Das Karbi-Khasi-Experiment zeigt, dass das allein an der Erziehung und dem Einfluss der Gesellschaft liegt.

Matriarchat als Lösung für soziale Ungerechtigkeit? Ich glaube, das könnte funktionieren. Einen Versuch wäre es jedenfalls Wert!

Selbstverständliches weibliches Prinzip

Pfuhhh, mein Beitrag zum „Tag der sozialen Gerechtigkeit“ ist viel länger geworden, als ich ursprünglich vorhatte. Aber das musste jetzt einmal auch alles gesagt werden. Und so viel mehr gäbe es noch zu all den anderen sozialen Ungerechtigkeiten zu sagen. Oder sich beispielsweise einfach Gedanken darüber zu machen, dass die 62 reichsten Menschen der Welt (53 davon Männer) genau so viel wie die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung besitzen.

Zu allerletzt wollte ich noch einige Göttinnen vorstellen, die für dieses Prinzip stehen. Und das ist gar nicht so einfach. Warum? Vielleicht weil in Kulturen, denen die weibliche Kraft in Form von Göttinnen wichtig war, dieses Prinzip ohnehin so selbstverständlich war, dass es nicht extra erwähnenswert ist.

Aber da dieser Blog „OH GÖTTIN: Ansichten, Anrufungen, Anregungen, Angebote an sämtliche Göttinnen dieser Welt“ heißt, widme ich diesen Beitrag der westafrikanischen Erdgöttin Tenga.
Sie ist für die Mossi-Menschen, die bevölkerungsreichste Ethnie innerhalb des westafrikanischen Staates Burkina Faso, nicht nur verantwortlich für die Fruchtbarkeit des Landes, sondern auch für die soziale Ordnung, für Moral und Gerechtigkeit. Sie wird als das große Gleichgewicht verstanden. Und es ist ein großer Verstoß gegen die Erdgöttin, wenn Bereiche des Lebens und Zusammenlebens aus den Fugen geraten.
Den Auftrag und die Berechtigung zur sozialen Gerechtigkeit erhält sie übrigens von den Toten, die in ihrem Leib begraben sind.

Hier mehr zur Tenga

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