„Lady Day“ — so wird im englischen Sprachraum das katholische Fest „Mariä Verkündigung“ genannt.
„Our Lady“ ist ja in der englischen Sprache eine Ehrenbezeichnung für Maria. Und ich mag das sehr, weil dies verdeutlicht, welch hochgestellte Figur diese Maria ist, weitab von der „Magd des Herrn“.
Warum wird das Fest „Mariä Verkündigung“ genau an diesem Tag gefeiert?
Natürlich geht das auf eine alte Göttinnen-Tradition zurück: In slawischen Ländern ist heute, am 25. März ein wichtiger Tag im agrarischen Jahr: Denn bis zu diesem Datum darf nach einer alten Tradition der Boden nicht mit dem Pflug bearbeitet werden.
Denn die Erde wird als heilig angesehen und wird in der Göttin Mati als Erdmutter verehrt.
Bis zum 25. März gilt die Erdmutter als schwanger und braucht Ruhe.
Als schwere Sünde galt, vor diesem Datum die Erde durch Pflügen zu „malträtierten“.
Auch bei uns gilt in vielen Regionen dieser 25. März, einige Tage nach Frühlingsbeginn als „Los-Tag“. Er wurde früher mit allerlei Ritualen begangen, um sich mit der erneuernden und belebenden Kraft des Vegetationsbeginns zu verbinden.
Die empfängnisbereite Erd- oder Muttergöttin
Wenn am 25. März das Fest der Wiedergeburt der Natur gefeiert wird, und die Feldarbeit wieder aufgenommen wird, dann war das für die christlichen Kirchenväter ein Signal! An allen Tagen, an denen Menschen ihren alten Rituale feierten, musste dieses „heidnische Brauchtum“ in irgendeiner Art und Weise in ein christliches Fest umgewandelt werden. Ganz ausradieren konnte man diese, vom Lauf der Natur geprägten, Bräuche ja nicht, besonders, wenn eine alte Göttin, wie die slawische Mati geehrt und gefeiert wird.
Nun ein kleines Rechenexempel: 12-9=3.
Wenn also (angeblich) in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember Jesus geboren wurde, was ist dann neun Monate vorher? Richtig!
Nur bei der „Jungfrau“ Maria gab es ja angeblich den normalen Zeugungsakt nicht, ihr wurde ihr Sohn ja „verkündet“. Das können wir im Lukasevangelium (1, 26-35) nachlesen. Der Engel Gabriel verkündet der „Jungfrau Maria“, dass sie ein Kind empfangen und einen Sohn gebären soll.
Wann das genau war, darüber gibt die Bibel keine Auskunft, wir wissen nur, dass eine andere Frau, nämlich Elisabet, deren Mann Zacharias auch von einem Engel die Schwangerschaft seiner Frau verkündet bekommen hat, zu diesem Zeitpunkt schon im 6. Monat war.
Vergiss Weihnachten – Joseph hat’s zugegeben
Wunderbar: Die Kirchenväter konnten rechnen, auch ein „Gottessohn“ braucht seine Zeit von neun Monaten im Leib seiner göttlichen Mutter. Und damit wurde versucht, das Fest der alten Erdmutter, die nun frühlingsbereit gepflügt werden und die Saat aufnehmen kann, in das Fest „Mariä Verkündigung“ umzuwandeln.
Der 25. März ist nicht nur in den slawischen Ländern der besondere Tag der Göttin Mati, er ist auch in anderen Kulturen der alte Festtermin der Empfängnis des Kindes der Großen Göttin, welches sie dann zur Wintersonnenwende gebiert. So wurde um diese Zeit im alten Rom das Fest der Kybele und des Attis gefeiert.
Im englischen Sprachraum wird „Mariä Verkündigung“ mit „Lady Day“ bezeichnet.
Da Kybele lateinisch „Domina“ = Herrin/Gebieterin, babylonisch „Beltis“, engl. Lady genannt wurde, ist die Herkunft des „Lady Day“ klar.
Ein Sohn mit 2 Vätern?
Spannend, was da in der Bibel genau zu dieser Verkündigung Mariens steht.
Das erinnert mich alles ein wenig an den alten Witz: „Vergiss Weihnachten, Joseph hat’s zugegeben.“
Wenn man also die Textstelle bei Lukas genau liest und sie auch noch mit den Hinweisen des Matthäus-Evangelium verknüpft, dann wird einiges klar.
Matthäus beschreibt sehr detailreich die Ahnenlinie von Joseph und damit auch jene von Jesus.
Das beginnt mit:
Dies ist das Buch von der Geschichte Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams.
Dann folgt eine laaaange Liste, die beschreibt, wer da wen gezeugt hat. Da steht am Anfang:
Abraham zeugte Isaak. Isaak zeugte Jakob. Jakob zeugte Juda und seine Brüder.
Nach vielen Generationen lesen wir am Ende dieser Liste:
Jakob zeugte Joseph, den Mann der Maria, von der geboren ist Jesus, der da heißt Christus.
Was ist wichtiger – die patriarchale Erbfolge oder die Story mit dem Gottes-Sohn?
Wenn also Jesus, wie das Matthäus-Evangelium nachdrücklich betont, ein Nachfolger Abrahams, Davids und aller anderen im Stammbaum genannten ist, dann kann er das nur durch einen sein – nämlich durch Joseph!
Was schließen wir daraus? Natürlich war Joseph der Vater von Jesus. Da in der damals schon üblichen patriarchal-männlichen Erbfolge sich ein Sohn in seiner Herkunft nicht auf seine Mutter beziehen konnte, musste es ja auch der Vater sein.
Dass Jesus aber eigentlich der Sohn Gottes ist, der da just am alten Saat-Feiertag, dem 25. März, vom Engel verkündigt wurde – damit kamen die Christen ganz schön in die Zwickmühle.
Was ist wichtiger – die patriarchale Erbfolge oder die Story mit dem Gottes-Sohn?
Also wie sollen wir das verstehen: Ein Sohn, 2 Väter?
Da es biologische Vaterschaftstests damals noch nicht gegeben hat, lohnt es sich, den Hinweisen im Lukas-Evangelium nachzugehen, denn da wird es noch deutlicher:
Der Engel spricht mit Maria (Lk 1,31 – 1,35)
Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden.
Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben.
Maria sagte zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?
Der Engel antwortete ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden.
Die Degradierung der Göttin zur willenlosen Magd
Deutlicher geht es ja wohl nicht: Hier steht nur, dass Maria ein Kind empfangen wird – nicht von wem.
Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben.
Auch klar: Einer der Ur-Väter von Joseph ist David, Jesus wird diesen – gemäß der patriarchalen Erbfolge ihm rechtmäßig zustehenden – David-Thron bekommen.
Maria wundert sich über ihre bevorstehende Schwangerschaft, da sie ja (noch) keinen Mann „erkannt“ hat.
Gut – das lässt sich ja schnell ändern.
Dann führt der Engel noch weiter aus, was Maria zu erwarten hat: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten.“
Was können wir unter dieser Aussage verstehen?
Das klingt schon recht eindeutig nach einer euphemistischen Verklärung einer Vergewaltigung. (Eine Begriffsklärung der Worte „überkommen“ und „überschatten“ findet sich am Ende dieser Seite.)
Maria ist ja in keinster Weise gefragt worden:
Junge Frau, täten’S gerne den Heiland zur Welt bringen?
Hätten Sie Lust, diesen auch zu empfangen?
Sie ist vor vollendete Tatsachen gestellt worden.
Ein Schicksal, das sie wohl mit vielen Frauen ihrer Zeit und allen Zeiten danach teilt.
Im Fall von Maria geht es noch dazu um die Vergewaltigung der Göttin und damit einhergehend ihre Degradierung zur (willenlosen) Magd.
Abschließend sagt Lukas eindeutig nicht: „Er IST der SOHN GOTTES“,
sondern: „Er wird als solcher GENANNT WERDEN“.
Soweit der kleine Ausflug in die Evangelien rund um das Thema „Verkündigung“.
Die alte slawische Erdmutter-Göttin ist ab heute empfängnisbereit, wie es die Erd- und Muttergöttinnen schon in allen Zeiten waren, inklusive der christlichen Muttergöttin Maria.
Jetzt darf die Muttererde auch wieder mit dem Pflug bearbeitet werden.
Wie heißt es doch so trefflich in dem alten Kinderlied: Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt …
Viele Wetterorakel am 25. März
Um den Lostag 25. März gibt es auch jede Menge sogenannter „Bauernregeln“, die wahrscheinlich eher die Weisheit und den Erfahrungsschatz der Bäuerinnen widerspiegeln:
- An Mariä Verkündigung kommen die Schwalben wiederum.
- An Mariä Verkündung hell und klar ist ein Segen für das ganze Jahr.
- Die Maria bindet die Reben auf und nimmt auch noch leichten Frost in Kauf.
- Hat’s nach der Mariennacht gefroren, werden noch 40 Fröste geboren.
- Ist Mariä schön und hell, kommt viel Obst auf alle Fäll’.
- Kommen noch Nebel nach diesem Tag – den Reben kein Frost mehr schaden mag.
- Schöner Verkündungsmorgen befreit von vielen Sorgen.
- Sternenmengen am Verkündungsmorgen befreit den Landmann von vielen Sorgen.
- War vor Mariä Verkündung der Nachthimmel hell und klar, bedeutet es ein gutes Wetterjahr.
- Wenn Maria sich verkündet, Storch und Schwalbe heimwärts findet.
- Ist Marien schön und klar, naht die ganze Schwalbenschar.
Interessant ist der Hinweis mit den Schwalben, die ja vom Frühling künden. Als heiliger Vogel wird die Schwalbe seit jeher in Verbindung mit der Göttin gebracht, z.B. mit Idun, der nordischen Göttin der ewigen Jugend, Unsterblichkeit und Fruchtbarkeit, wo sie als Segensbringerinnen der Göttin gelten.
Auch die afrikanische Schöpfungs- und Erdgöttin Dziva hat zwei goldene „Licht-Schwalben“.
In vielen Gegenden heißen Schwalben auch Muttergottesvögelein. Sie sollen zu Maria Verkündigung kommen – zu Maria Geburt (8. 9.) fliegen die Schwalben wieder „furt“.
Wir finden die Schwalbe als einen wichtigen Vogel in den Mythen, wo sie gutes Omen bedeuteten, im bäuerlichen Leben das Wetter anzeigten (niederer Flug = bald Regen) sowie die Erfahrung, dass kein Blitz einschlägt, wo Schwalben nisten.
Die Göttin nährt den Boden mit ihren „Tränen“
Mati, die alte Erdmutter-Göttin können wir auch in einer der ältesten Göttinnen-Figurinen erkennen – der Urmutter aus Dolní Véstonice.*
Diese 25.000 — 29.000 Jahre weibliche Figur hat eine Besonderheit: Aus ihren Augen führen Linien hinab bis zu ihren Brüsten.
Das, was wie ein Tränenfluss aussieht, nennt Marija Gimbutas die „Wasser des Lebens“.
Es scheint, als würden sich Flüsse aus den Augen der Göttin ergießen, die wie aus einer nährende Quelle über ihren Körper fließen.
Die Erde sorgt mit ausreichend Flüssigkeit für alles, was nun im Boden reifen und wachsen soll …
* Es lohnt sich ein Ausflug zur Urmutter nach Dolní Věstonice / Pavlov (Tschechische Republik) ca. 100 km nördlich von Wien.
Es gibt in Pavlov ein sehr modern und gut gestaltetes Museum und am Fundort der Urmutter in Dolní Věstonice eine große Figur von ihr.
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Weitere Infos zu den erwähnten Göttinnen:
Dziva
Idun
Maria
Mati
Urmutter aus Dolní Véstonice
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Begriffsklärung der Worte „überkommen“ und „überschatten“
über jmd. kommen = überwältigen, herfallen, hermachen, übermannen, heimsuchen, sich bemächtigen, überfallen, laut Duden: jemanden erfassen, zu beherrschen beginnen, plötzlich und mit großer Intensität ergreifen
überschatten = verdunkeln, eindämmen, laut Duden: abschwächen, abträglich sein, beeinträchtigen, dämpfen, reduzieren, schmälern, stören, trüben, (gehoben) mindern, mit Unbehagen erfüllen, die Freude an etwas dämpfen
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Bildquellen:
Mati, Maria und Idun: artedea.net
Leonardo da Vinci: Die Verkündigung, um 1472–1475 / commons.wikimedia.org
Vestonicka venuse / che / commons.wikimedia.org
Mehr zu alten Göttinnen, die von christlichen Heiligen überlagert wurden
gibt es im neuen artedea-eBook: