Nicht biblisch erwähnt ist Existenz von Anna, der Mutter von Maria. Dennoch wird vielerorts am 26. Juli der Annatag gefeiert. Auch als Annenkirtag, bei dem es so manche Belustigungen gibt.
Das ist ja so erstaunlich an der katholischen Kirche: Jede Menge Feiertage, an denen Personen geehrt werden, von denen kein einziges Wort in der Bibel steht.
Na gut, könnten wir sagen, die meisten Heiligen traten ja erst Jahrhunderte nach den Geschehnissen, die die Grundlage für das Neue Testament bildeten, auf den Plan.
Aber Anna? Immerhin war sie die Großmutter von Jesus.
Allerdings: Im Gegensatz zu den in das Neue Testament aufgenommenen Evangelien des Matthäus und Lukas, die bei der Geburt Jesu beginnen, bzw. dessen männliche Linie beleuchten, greift das sogenannte Protevangelium des Jakobus darüber hinaus und erzählt ausführlich von der Herkunft Marias, der Mutter Jesu.
Der Name Protevangelium leitet sich vom griechischen protos „das erste“ oder „Anfangs-“ her, es ist vermutlich Mitte des 2. Jahrhunderts entstanden. Und das ist eine der Quellen für die vielen Mythen und Legenden rund um Anna.
Andere Quellen entspringen einer Sehnsucht nach einer Großmutterfigur, nach einer Urmutter, einer „Weisen Alten“, wie sie in vielen spirituellen Richtungen als Schöpfungsgöttin vorkommt.
Wurzeln in den Urgöttinnen
Allein der Name Anna verweist auf viel ältere Wurzeln und Göttinnen: auf die persisch-semitische Anahita, die indische Ananta, die altägyptische und altsyrische Anath, die sumerische Inanna, die hethitische Hannahanna, die keltischen Göttinnen Anu und Dana – allesamt Urmütter, Großmütter der Menschheit, Schöpfungsgöttinnen.
Dazu kommt die römische Muttergöttin „Iana” (Juno), die es den ChristInnen im Römischen Reich leicht machte, die christliche Urmutter Anna zu akzeptieren und zu verehren.
„An“ ist eine der sechs Ursilben der Menschheit und bezeichnet etwas verehrungswürdiges, uranfängliches Weibliches, deutsch: „Ahne“ = Altmutter, Vorfahrin.
Der Name der Großmutter Jesu wurde also nicht von ungefähr gewählt, war er doch den Menschen schon lange als göttliche Urahnin vertraut. In syrischen Versionen des Jakobus-Evangeliums wird Anna übrigens Dinah genannt, was eine interessante Ähnlichkeit zu Diana (=Di-Ana) aufweist – der Göttin Ana.
Parallelen gibt es auch zur römischen Anna Perenna, und zur afrikanischen Nana Buruku –beide „Großmütter der Zeit“. Wenn man von großen Zeiträumen bzw. der Ewigkeit spricht, so nennt man das Aeonen — der Zeitraum der Urgöttin Anna.
Annentag: Viele Elemente zur Ehrung alter Flur- und Erntegöttinnen
In der keltischen Mythologie, die an vielen Orten die Dreifaltigkeit der Bethen verehrte, kannte man die Erdmutter Ambeth als eine dieser drei Göttinnen.
Sie wurde im Zuge der Christianisierung in Anna umgewandelt, wobei die Art ihrer Huldigung und der Rituale ihr zu Ehren wie auch die Kultplätze gleich blieben.
Ambeth als die Göttin der Fruchtbarkeit und der Fülle passt natürlich sehr gut in den Juli, als Monat der Fülle, in der sich die Erdmutter so reich verschenkt.
Und damit erklärt sich auch, warum dieser Annentag im Juli gefeiert wird. Denn es gibt eigentlich keine Erklärung für dieses Datum, wie es der 8. Dezember wäre (Mariä Empfängnis, an dem Anna mit ihrer Tochter Maria schwanger wird) oder Mariä Geburt am 8. September an dem sie ihre Tochter zur Welt bringt. Der 26. Juli wurde einfach im Jahre 1584 von Papst Gregor XIII. bestimmt.
An den Feierlichkeiten des Annentages im Juli finden wir viele Elemente, die an seine ursprünglichen Form erinnern und die der Ehrung der alter Flur- und Erntegöttinnen dienten, die es in dieser Jahreszeit zu beschwören gilt, wobei eine gute und sichere Ernte im Mittelpunkt stand.
So ist Anna unter anderem die Schutzheilige gegen Gewitter. Um den Annatag herum beginnen die sommerlichen Hundstage, mit denen oft mit heftigen Unwettern einhergehen. Blitzabwehrende Rituale sind oft Bestandteil des Annatages und diese weisen auf altes Brauchtum in dieser Jahreszeit hin, mit der die Wettergöttinnen beschworen werden sollten.
All das drückt sich auch in den vielen sogenannten Bauernregeln aus:
„Sankt Anna klar und rein, wird bald das Korn geborgen sein.“
„Ist Sankt Anna erst vorbei, kommt der Morgen kühl herbei.“
„Wenn am Annatag die Ameisen aufwerfen, so soll ein strenger Winter folgen.“
Anna warm und trocken, macht die Bauersleut frohlocken.
Um St. Ann fangen die kühlen Morgen an.
Und auch die vielen Plätze und Ortschaften, die den Namen Anna in ihrem Namen tragen (Annaberg, Annenthal, Annabründl, … ) lassen auf Kultstätten alter regionaler Göttinnen schließen, die unter dem Schutz- und Deckmantel der Anna weiter existieren und gewürdigt werden
Liebesrituale am 26. Juli zu Ehren der Göttin Prende
Und noch eine weitere Göttin wird an diesem 26. Juli gefeiert:
Die altillyrische und albanische Liebes- und Schönheitsgöttin Prende.
Im katholischen Nordalbanien hat Prende ihren Festtag am 26. Juli. An diesem Tag schminken und schmücken sich die Frauen ihr zu Ehren ganz besonders schön und tragen ihre besten Kleider.
Und es werden in ihrem Namen auch Liebesrituale gefeiert. Dazu holen die Frauen auch ihre Mörser heraus und stellen diese mit einem Stössel darin auf – eine Darstellung der sexuellen Vereinigung, was auf die erotische Seite der Göttin hinweist.
Albanien wurde bereits sehr früh christianisiert. Ab dem ersten und dem zweiten Jahrhundert n.u.Z. war das Christentum in der Region die vorherrschende Religion. Man verachtete die „heidnische Vielgötterei“, an die die Menschen glaubten und versuchte diese zu verdrängen und mit christlichen Glaubensinhalten zu füllen.
Besonders die schöne Prende mit ihrer erotischen Komponente war den christlichen Missionaren ein Dorn im Auge.
Eine reine, über alle Zweifel erhabene Heilige musste her, um die alte Göttin zu überlagern. Und das war erstaunlicher Weise nicht Maria, sondern ihre Mutter Anna.
Damit wollte man wohl der sinnlichen Schönheits- und Fruchtbarkeitsgöttin einen mütterlichen, ja großmütterlichen Anstrich geben und auch die ausschweifenden Liebesrituale verunmöglichen. Wer feiert schon solche im Zeichen einer Heiligen?
Wobei: Die Heilige Anna gilt ja auch als so etwas wie ein Fruchtbarkeitswunder, hat sie doch als bereits alternde Frau nach Jahrzehnte langer Kinderlosigkeit ihre Tochter Maria empfangen und geboren.
Und das auf ganz „natürlichem“ Wege! Vielleicht war das ein Zugeständnis oder ein schlauer Schachzug der Kirchenväter, denn eine ganz keusche und jungfräuliche Maria wäre als Ersatz für Prende möglicherweise unglaubwürdig gewesen und damit nicht akzeptiert worden.
Wobei sich auch hier die Menschen wie so oft vom christlichen Deckmantel nicht davon abhalten ließen, ihre alten Göttinnen weiter in altbewährter Weise zu feiern. Und hier wurde nicht einmal der Namen der Heiligen akzeptiert. Denn nach der christlichen Überstülpung wurde Prende nicht Anna, sondern „Venerande“ genannt.
Die Sprachwurzel dafür stammt aus dem Lateinischen „venerare“ und bedeutet soviel wie „verehren, anbeten, bewundern, hochachten“. Ganz schön schlau, denn dagegen konnten auch die christlichen Kirchenväter nichts einwenden und wer da verehrt, bewundert und angebetet wird, sei dahingestellt.
In „Venerande“ erkennen wir auch eindeutig das Wort „Venus“, die römische Entsprechung der Göttin Prende.
Als ihr Feiertag wurde der 26. Juli, der sogenannte Annentag angesetzt. Aber oft wird dieser von den Menschen einfach auf den darauffolgenden Freitag verlegt und nach wie vor mit nicht sehr christlichen Inhalten gefeiert.
Mehr zu den erwähnten Göttinnen:
Ambeth
Anahita
Ananta
Anath
Anna
Anna Perenna
Anu
Bethen
Dana
Diana
Inanna
Hannahanna
Juno
Maria
Nana Buruku
Prende
Venus
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die in Heilige umgewandelt wurden,
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