Immer wieder werde ich gefragt, was denn so eine Göttin ausmacht, was das besondere daran ist, dass Frauen in die Geschichte als Göttinnen eingegangen sind. Sind das die besonders Schönen, die besonders Talentierten oder jene mit einer herausragenden, mitunter tragischen Lebensgeschichte.
Um in die Hall of Fame der Göttinnen aufgenommen zu werden, braucht es nicht unbedingt eine Geschichte, die Jahrtausende zurückliegt.
Eine dieser herausragenden Frauenfiguren – besonders schön, besonders talentiert, besonders tragische Lebensgeschichte – ist für mich Marilyn Monroe.
Eine Mythos war sie bereits zu Lebzeiten, eine Frau die kaum wen unberührt gelassen hat.
Warum ich das gerade heute schreibe? Heute vor 60 Jahren, am 19. Mai 1962 sang sie das legendäre Geburtstagsständchen „Happy Birthday, Mr. President“ anlässlich der Feier zum 45. Geburtstag von John F. Kennedy im Madison Square Garden. Dies war ihr allerletzter öffentlicher Auftritt. Keine drei Monate später verstarb sie unter noch immer nicht wirklich geklärten Umständen. Kennedy sagte auf der Bühne nach Monroes Auftritt: „Ich kann mich jetzt von der Politik in den Ruhestand begeben, nachdem Happy Birthday in so einer süßen, verträglichen Weise für mich gesungen wurde.“
Tja, in Ruhestand ist er wohl nicht gegangen, 18 Monate später wurde John F. Kennedy Opfer des tödlichen Attentats in Dallas, Texas.
Fast gespenstischer Sirenengesang
All das allein wäre ja schon genügend Stoff für ein antikes Drama. Und allein die Geschichte und die Begleitumstände rund um diesen Auftritt sind legendär. Näheres dazu in diesem Wikipedia-Eintrag.
Monroe wurde ja ein intimes Verhältnis mit dem Präsidenten nachgesagt. Sie war allerdings nicht die einzige. Die Liste seiner Seitensprünge war lang. Die First Lady, Jacqueline Kennedy, war bei dieser Geburtstagsparty ihres Mannes übrigens nicht anwesend. Sie zog es vor, den Tag mit ihren Kindern auf einer Reitveranstaltung zu verbringen.
Auch die Affäre Kennedys mit Monroe war angeblich nicht mehr aktuell, er nahm schon seit einiger Zeit ihre Anrufe nicht mehr entgegen, ohne Begründung, versteht sich.
Sie ist zu dieser Zeit im Frühjahr 1962 in keinem guten Allgemeinzustand mehr.
Am Filmset erscheint sie meist von Alkohol und Drogen benebelt.
Backstage zitterte sie an diesem 19. Mai 1962 vor Aufregung vor dem großen Auftritt vor ihrem Ex-Geliebten, vor 15.000 Parteimitgliedern und laufenden Fernsehkameras. Sie hat das kurze Ständchen stundenlang geübt. Irgendwer schiebt sie dann vom Dunkel des Backstage-Bereichs auf die Bühne. Da steht sie nun, von Licht umflutet, eingenäht in ein glitzerndes hautfarbenes Kleid. Es schmiegt sich so eng an ihre butterweichen Formen an, dass sie fast nackt darin wirkt. Ihre weiße Haut leuchtet ebenso die platinblonden Haare. So zerbrechlich beginnt sie zu singen, eigentlich zu hauchen. Es wirkt fast gespenstisch, ein dünner, kindlicher Sirenengesang wie aus einer anderen Welt. Im Laufe der Performance scheint sie mehr an Kraft zu gewinnen, ihre Stimme wird lauter, sie reißt ihre Arme in die Luft, fordert die Kapelle zum Tusch und das Publikum zum Mitsingen auf.
Sie wagt sogar einen kleinen Luftsprung, während ein riesengroße Torte hereingetragen wird. Dieser fällt aber so wacklig aus, dass sich ein besorgter Mitarbeiter aus der Kulisse löst, um sie von der Bühne zu führen. Gut zu sehen auf diesem Filmmitschnitt.
Das war das Grande Finale, die Show war vorbei, man sieht „die Monroe“ danach nie mehr öffentlich.
Von dieser Feier gibt es übrigens neben dem sehr unscharfen Filmmitschnitt nur ein einziges richtiges Foto von Marilyn Monroe, das sie bei dieser Veranstaltung zeigt. Man sieht sie darauf mit beiden Kennedy-Brüdern John F. und Robert F., mit beiden hatte sie Gerüchten zufolge eine Affäre. Alle anderen Bilder, die man so kennt, sind Kopien aus dem Filmmitschnitt.
Das Kleid, das sie bei diesem Auftritt trug, ist allein schon legendär. Es kostete damals $ 1440,33 (entspricht $ 9508 im Jahr 2019).
1999 wurde es für $ 1.260.000 (entspricht $ 1.850.000 im Jahr 2019) in New York City und 2016 für $ 4.800.000 in Los Angeles erneut versteigert. Damit wurde es zum teuersten Kleid, das jemals verkauft wurde und löste Monroes weißes Kleid aus dem Film „Das verflixte 7. Jahr“ ab.
2022 trug Kim Kardashian das Original-Kleid auf dem Roten Teppich der MET-Gala.
Bleibt die Frage: Ist sie eine Göttin? Oder werden unsere Nachfahren sie als eine solche betrachten. Ist sie schon allein mit diesem Geburtstagsständchen so etwas wie „unsterblich“?
Oder ist sie nur eine der vielen tragischen Frauenfiguren? Das zu entscheiden überlasse ich meinen geneigten LeserInnen.
Ach ja: Bei Kennedys Geburtstagsfeier an jenem 19. Mai 1962 sind unter anderem auch Ella Fitzgerald und Maria Callas aufgetreten, zwei auch nicht ganz unbedeutende Künstlerinnen und starke Frauen. Aber daran erinnert sich später niemand mehr …
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Bildquellen:
Monroe in a publicity photo for Photoplay magazine in 1953 / en.wikipedia.org / Studio publicity still
Monroe mit den Kennedy-Brüdern, US-Präsident John F. Kennedy und Justizminister Robert F. Kennedy / de.wikipedia.org / Cecil W. Stoughton