Aphrodites Stadt wird Kulturhauptstadt 2017

aphrodite5Paphos auf Zypern wird Europäische Kulturhauptstadt 2017. Das ist genau jener Ort, an dem die Göttin Aphrodite den Meereswellen entstieg und unter Blütenduft und Sphärenklängen ans Ufer schritt.

Wie kam Aphrodite ins Meer und aus diesem wieder heraus?
Über die Herkunft von Aphrodite gibt es in der griechischen Mythologie verschiedene Versionen: Zum einen heißt es, sie sei aus der Verbindung des Himmels mit dem fruchtbaren Leib des Meeres entstanden. Bei Homer ist sie Tochter des Zeus und der Erdgöttin Dione.
Die wohl bekannteste Version geht auf jene Begebenheit zurück, als Kronos seinen Vater Uranos entmannte. Er hatte die Geschlechtsteile seines Vaters ins Meer geschleudert.
Das Meer war schon immer das Urweibliche, der Ur-Mutterschoß, so wird auch die Göttin Thalassa beschrieben, die daher auch als die Mutter der Aphrodite gilt.
Das Blut und der Samen vermischten sich mit dem Meer, es bildete sich ein Schaum, aus dem Aphrodite entstanden sein soll und vor Paphos dem Meer, ihrem Mutterschoß entstiegen ist.
Aphrodite nennt man daher auch oft „die aus dem Meer Aufsteigende“ oder „die Emporgetauchte“.

thalassa2Die allgegenwärtige Göttin

Noch heute erinnert viel an Aphrodite auf Zypern und ganz besonders in der Nähe von Paphos, der Kulturhauptstadt 2017: So zeigt die archäologische Ausgrabungsstätte von Palaia Paphos, dem „antiken Paphos“ 14 km östlich von Paphos Überreste eines Aphrodite-Heiligtums. Palaia Paphos war in der ganzen antiken Welt berühmt als Zentrum des Aphrodite-Kultes.
Auch der Felsen Petra tou Romiou, jener Ort, an dem Aphrodite die Fluten verlassen haben soll, ist noch zu sehen.
Warum im Mythos gerade hier die Stelle sein soll, an der Aphrodite „geboren” wurde?
Im Herbst, wenn das Meer wild gegen die Felsen schlägt, gibt es folgendes Phänomen: Der gelb-weiße Schaum der Wogen fliegt weit ins Land hinein und bleibt an den Ästen der Bäume hängen, wo er bizarre Formen wie Gewänder oder wie Gestalten bildet – entweder Aphrodite selbst soll darin erkennbar sein oder die Horen, die Nymphen der Aphrodite, die die Göttin geschmückt haben, bevor sie den Unsterblichen vorgestellt wurde.
petra-tou-romiouNur eine Viertelstunde von jenem Strand entfernt, an dem Aphrodite dem Meer entstieg, lag eines ihrer bedeutendsten antiken Heiligtümer. Es stand mitten in der Hauptstadt des zyprischen Königreichs Paphos, an dessen Stelle heute das Dorf Kouklia zu finden ist.

Das das sogenannte Bad der Aphrodite ist immer noch ein wichtiger touristischer Anziehungspunkt. Die Göttin soll hier in einem See in einer Grotte stets ihr Bad genommen haben, jetzt sieht man nur mehr einen kleinen Bach zwischen Felsen, Bäumen und dichten Sträuchern.

Die Göttin des „Ius naturae“

Wir kennen Aphrodite ja vor allem als liebreizende „Schaumgeborene“, als Göttin der Liebe, Schönheit und Fruchtbarkeit, der Sinnesfreuden und der sexuellen Magie.
In ihrem Ursprungs ist sie allerdings eine viel umfassendere Erscheinung:
Aphrodite regiert die Welt mit dem sogenannten „Ius naturae“, dem natürlichen Gesetz des Matriarchats.
Demnach ist jeder Mensch von Natur aus (also nicht durch Konvention) mit unveräußerlichen Rechten ausgestattet – unabhängig von Geschlecht, Alter, Ort, Staatszugehörigkeit oder der Zeit und der Staatsform, in der er oder sie lebt. Dazu gehören das Recht auf Leben und auf Unversehrtheit sowie das Recht auf persönliche Freiheit.
Die matriarchalen Naturrechte werden als vor- und überstaatliche „ewige“ Rechte angesehen.
Damit wird das oberflächliche Sinnbild einer jungen, schönen, verführerischen Frau relativiert. Aphrodite ist eine mächtige, kraftvolle, eigensinnige, selbständige und selbstbestimmte Göttin.
Sie weiß, was sie will, was ihr zusteht und nimmt sich dies auch. Sie lässt sich nicht in patriarchale Schablonen pressen. Sie ist nichts und niemanden zugehörig und entscheidet aus ihrer tiefen inneren Weisheit, genauso, wie sie selbst aus den Tiefen des Ozeans empor gestiegen ist.

Warum gibt es Krieg?

Kaum zu glauben, dass Aphrodite auch als Kriegsgöttin verehrt wurde.
Aber wie viele Kriege sind schon durch unerfüllte oder zurück gewiesene Liebe ausgelöst worden.
Überliefert ist jener durch Eris, der Göttin der Zwietracht, verursachte Streit um den Preis der Schönheit, der den Trojanischen Krieg ausgelöst hat.
Der Erzählung nach soll Eris, die einzige Göttin, die nicht zur Hochzeit von König Peleus und der Meeresnymphe Thetis eingeladen war, voller Groll einen goldenen Apfel mit der Inschrift Kallisti „Der Schönsten“  in die versammelte Hochzeitsgesellschaft gerollt und damit einen Streit zwischen Hera, Athena und Aphrodite ausgelöst haben, weil jede der Göttinnen den Apfel für sich beanspruchte.
Als Zeus sich weigerte, ein Urteil zwischen den Göttinnen zu fällen, übertrugen sie dem Hirtenjungen Paris diese Entscheidung.
Jede der drei Göttinnen wollte ihn bestechen: Hera versprach politische Macht und Dominanz in Asien, Athena Weisheit und Kriegskunst.
Aphrodite jedoch las Paris‘ Wünsche am klarsten, indem sie ihm die schönste Frau auf Erden versprach.
Dieser entschied sich für Aphrodite und wählte als Belohnung Helena von Troja, Gemahlin des griechischen Königs Menelaos. Seine Entführung der Helena entfachte den Trojanischen Krieg.
Soweit die Überlieferung, die natürlich klar in einem patriarchal geprägten Zusammenhang gesehen werden muss.
Schuld an Kriegen und Auseinandersetzungen sind bemerkenswerter Weise nicht entscheidungsschwache und bestechliche Männer, Clanchefs, Götterväter, Vorstandvorsitzende, Staatspräsidenten, die ihre eigenen Machtstrategien fahren, sondern kleine Mitläufer oder rachsüchtige, beleidigte, eitle und hintertriebene Frauen.
Eine seltsame Rolle spielt hier zuerst einmal der eigentlich bedauernswerte Paris.

Der Göttervater will den Streit zwischen seinen beiden Töchtern Athena und Aphrodite und seiner Frau Hera nicht entscheiden oder – noch besser – ein Machtwort sprechen und den Apfel schlicht der auf einer Hochzeit Schönsten, nämlich der Braut zu geben, der dieses Fruchtbarkeitssymbol ja wohl auch gegolten hat.
Statt dessen wird statt ihm ein einfacher Hirtenjunge gewählt. Der trägt jetzt die Verantwortung, der ist dann auch an allem Schuld.
Damit sind wir bei einem sehr aktuellen Thema: Wie oft kennen wir das aus unserer Zeit. Während die Köpfe kleiner Angestellter „rollen“, entziehen sich die großen Konzernbosse jeglicher Verantwortung …

Die „zerstückelte“ Göttin

In dieser Geschichte ist vor allem aber auch gut sichtbar, wie die Große Göttin am Übergang vom Matriarchat in das Patriarchat in verschiedene Aspekte zerstückelt wird und wie gezielt gesäte und genährte Zwietracht unter den Frauen funktioniert.
Macht und Dominanz gegen Erotik und Sex gegen Intelligenz und Ruhm.
In der männlich eindimensionalen Welt ist es kaum vorstellbar, dass eine einzige Frau (oder sogar Göttin) all diese Prädikate in sich hat und auch verschenken kann.
Dass man einer Göttin (und somit alle Frauen als Vertreterinnen der Göttin) diese Allmacht zugesteht, ist natürlich höchst gefährlich.
Daher wurde die sehr umfassende Aphrodite auch auf ihre Schönheits- und Liebesaspekte reduziert.
Dennoch musste sie für die Rechtfertigung eines Krieges herhalten, ohne ihr auch den definierten Aspekt der Kriegsgöttin zuzugestehen.
Auch Hera und Athena bekommen ihren Platz in diesem makaberen Spiel. Sie alle drei unterstützen auf entscheidende Weise die jeweiligen Parteien.
Wie auch heute noch den Mädchen und Frauen beigebracht wird, in einander entzweiender Weise verschiedene männliche Positionen zu unterstützen. Eine hervorragend funktionierende Methode, um das Patriarchat beständig aufrecht zu erhalten.

All das schwingt mit, wenn es um die Kulturhauptstadt 2017 geht – der Stadt der Aphrodite.
Mögen sich die Frauen bewusst werden, dass sie alles, alles, alles sind, genauso wie die ursprüngliche Große Göttin: Schön und fruchtbar, mächtig und klug, liebreizend und kraftvoll, fürsorglich und selbstbestimmt und noch viel, viel mehr.
Und sich nicht zum Instrument patriarchaler Machtgier machen zu lassen sondern einander schwesterlich unterstützen und gemeinsam ihre Lebenslust feiern!

Mehr zu den erwähnten Göttinnen:
Aphrodite
Athena
Dione
Eris
Hera
Horen
Thalassa
Thetis 

Bildquelle: Petra tou Romiou – en.wikipedia.org

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