Das Fest der Göttin Carmenta und der verdächtige Gesang der Frauen

Ich singe – und das sehr, sehr gerne. Und ich weiß um die (heilende) Kraft, den Zauber und die Magie von Gesängen und Gesungenem.
Dazu gibt es auch eine Göttin, die von 11. bis 15. Januar im Alten Rom gefeiert wurde, da begingen die römischen Frauen zu Ehren der Göttin Carmenta das Fest Carmentalia.
Ihre Weissagungen gab Carmenta in Form von Versen bzw. als Gesang, daher ist sie auch eine Göttin der Zaubersprüche und Verzauberungen.
Ein guter Anlass also, sich über „göttlichen“ und anderen Gesang ein wenig Gedanken zu machen:

Ursprünglich war ein „carmen“ eine Beschwörung. So sollen Frauen gesungene oder (in Reimen) gesprochene Zauberformeln beherrscht haben, mit denen die Hilfe der Göttin angerufen wird.

Das wiederum war Männern ungeheuer, weil sie vermuteten, dass Frauen mit diesen „carmen“ (frz. „Charme“) die Gewalt über die Körper und Seelen der Männer hätten, sie damit nicht nur be- sondern auch verzaubern könnten.

Zauber hineinsingen

Der Gesang von Frauen war also im hohen Maße verdächtig, da es sich dabei offenbar um klassische Methode handelt, einen Zauber zu sprechen. Das französische „enchanter” (verzaubern, bezaubern) kommt von lateinischen „incantare“, was ursprünglich „hineinsingen“ meinte, später aber auch „durch Zaubersprüche weihen” bedeutete.

Dieser starken magischen Kraft von Gesängen haben sich vermutlich alle spirituellen und religiösen Richtungen, sowie auch politische Systeme bedient. Und das nicht nur zum Wohle der Menschen!

Ich mag daher diesen Spruch „Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder“ so ganz und gar nicht. Weil er schlichtweg nicht stimmt. Diverse „Liederbuch-Affären“ sind dafür ein treffender Beweis.

Wieviele autoritäre Systeme, haben Menschen eingeschüchtert, gequält, gefoltert, unterdrückt, in Kriege geschickt, ihrer elementaren Lebensrechte beraubt, indem sie ihre ideologischen Botschaften in Lieder verpackt haben.

Was mit gefälliger Musik unterlegt und in Reime gefasst immer und immer wieder wiederholt wird, das dringt ins Unterbewusstsein ein, wird früher oder später als „Wahrheit“ angenommen und geglaubt. Der „Zauber“ wirkt.

Die heilsame Kraft der Musik

Andererseits: Wieviel sanfte, liebevolle, heilsame Kraft kann in Musik und in Gesängen liegen. Das reicht von Sanskrit-Mantren über indianische Sonnentanzlieder, Gesängen aus Georgien, die bei Heilungszeremonien eingesetzt werden bis zu jedem Schlaflied, das wiegt und in schöne Träume geleitet.

Wieviel Lebenskraft und Fröhlichkeit kann mit Musik vermittelt werden – mit ganz spontaner Wirkung.

Musik kann Massenhypnose auslösen, mit Musik bekommt man Macht über die Gefühle anderer. Ohne Marschmusik wären Menschen nie offenen Auges in die Schlacht gerannt. Ohne Elvis, Beatles und Stones hätte die 68er-Bewegung lange nicht diese Kraft gehabt.

Wer bekommt nicht romantische oder sentimentale Gefühle bei „unserem Lied“?

Ich überprüfe daher mittlerweile sehr genau, was ich singe. Das ganz besonders, seit mit die Göttin Carmenta so einiges über die Zauberwirkung von Liedern „zugeflüstert“ hat.
Was nähre ich mit meinem Gesang, welchem (ideologischen) Hintergrund gebe ich Kraft?
Wenn ich der Sprache von Liedtexten nicht mächtig bin, dann versuche ich zu ergründen, was ich da singe.

Singverbot für Frauen

Über viele Jahrhunderte war die katholische Kirche Auftraggeberin von musikalischen Werken.

Mit ihrer Macht konnte die Kirche in der Musik auch viel verbieten, das reichte von „anstößigen Melodien“, Tonarten, Intervalle, Musikinstrumente bis zum Singverbot von Frauen in Kirchen (was auch eine der „Begründungen“ war, dass Frauen nicht Priesterinnen werden durften, weil ein Priester muss im Gottesdienst singen und weil das eine Frau nicht darf, kann sie also dieses Amt nicht bekleiden. Logisch. Oder?)

„Isis“ statt „Jesus“

Wir haben einen unglaublichen Schatz an wunderbarer Musik, deren Texte aber nicht immer das ausdrücken, was meinem Weltbild entspricht.
Wenn ich – z.B. bei kraftvollen Gospels – die Melodie dennoch singen will, dann formuliere ich den Text um.
So singe ich schon lange statt „Lord“ einfach „Light“, statt „Jesus“ singe ich „Isis“, statt „HE“ – „SHE“, statt „HERR“ einfach „FRAU“, „Domino“ wird natürlich zur „Domina“ und statt „Halleluja“ rufe ich mit „Kali-luja“ die Göttin Kali und damit alle anderen Göttinnen.

Meine neuen Silben und Worte fügen sich alle gut in die Liedtexte ein, ab und zu bekomme ich verwirrte Blicke, dann ein Lächeln und immer wieder MitsängerInnen, denen dieser „zauber“-hafte Ansatz offenbar gefällt.

Im Übrigen sind Jodler mit Holla-reiduliö wahrscheinlich Anrufungen an die große europäische Muttergöttin Holla.

Und manchmal dichte ich auch einfach eine neue Strophe dazu, so wie es vor einiger Zeit meine Freundin Elisabeth beim Lied „Der Mond ist aufgegangen“ gemacht hat.

schlafende2

Die Brüder, die sich da in Gottes Namen niederlegen sollten waren ihr einfach zu wenig, denn auch Frauen gehen schlafen.
Daher:

So legt euch denn ihr Frauen
Zur Ruhe mit Vertrauen
Mild ist der Abendhauch
Die Göttin euch behüte
Und schickt in ihrer Güte
So manche schönen Träume auch.

Keep singing!

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Mehr Infos zu den erwähnten Göttinnen:
Carmenta
Holla
Isis
Kali

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2 Antworten zu Das Fest der Göttin Carmenta und der verdächtige Gesang der Frauen

  1. Roswitha Haala sagt:

    Herzlichen Dank, liebe Andrea! Bzgl. „Singverbot von Frauen in Kirchen (was auch eine der „Begründungen“ war, dass Frauen nicht Priesterinnen werden durften, weil ein Priester muss im Gottesdienst singen und weil das eine Frau nicht darf, kann sie also dieses Amt nicht bekleiden.“ mein Hinweis:“7./8. Jh. Zeit der Merowinger*innen: Es gibt noch die matrilineare Erbfolge und keine Einehe, sondern verschiedene Formen von Beziehungen (…) Abt und Äbtissin führen gemeinsame Klöster, kein Bischof kann ohne seine Bischöfin regieren.(*150) Es gibt Bischöfinnen, die Männer zu Priestern weihen, die Kommunion erteilen, die Beichte hören und Bußen verhängen.“, s. S. 202, Irene Fleiss „Als alle Menschen Schwestern waren – Leben in matriarchalen Gesellschaften (Band 1), Christel Goettert Verlag. Äußerst empfehlenswert! 😉 „Beichten und büßen“ ist natürlich die Verfremdung von „Sich (er)leichtern und Wieder-gut-machen“. 😉 Noch einen wunderbaren Sonntag!

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