In diesen Tagen folgen wieder die „Sternsinger“ symbolisch dem aus Holz, Pappe oder Kunststoff gefertigten „Stern von Betlehem“.
Das gehört zum festen Repertoire der auslaufenden Weihnachtsfeiertage.
Auch von keinem weihnachtlichen Krippenbild ist er wegzudenken – dieser Stern, der hoch und verheißungsvoll über dem neugeborenen Heiland schwebt.
Er hat die sogenannten „Heiligen Drei Könige“ aus dem „Morgenland“ nach Bethlehem geleitet und kommt damit im Matthäus-Evangelium vor. Und zwar nur dort.
In keiner anderen biblischen Textstelle wird diese Himmelserscheinung erwähnt.
Was schon seltsam genug ist, denn immerhin müsste auch Lukas, der die Ereignisse um Jesu Geburt so detailreich niedergeschrieben hat, etwas von diesen Stern berichtet haben.
Gut, keiner der Evangelisten war persönlich bei dieser wundersamen Geburt anwesend. Die Evangelien wurden ja rund 100 Jahre danach geschrieben. Die Verfasser konnten sich daher ja in ihren Erzählungen nur auf überlieferte Augenzeugen-Berichte verlassen, die sie aus zweiter oder dritter Hand hatten.
Seltsam dennoch, dass sich nur die Quellen des Verfassers der Matthäus-Evangeliums an diesen „mächtigen Stern“ erinnerten, allen anderen ist dieser aber offenbar nicht aufgefallen oder er war nicht so imposant, dass er erwähnenswert schien.
Hat sich das Matthäus alles nur ausgedacht?
Wie dem auch immer sei, der Stern leuchtet auf vielen Bildern und Darstellungen der weihnachtlichen Krippe strahlend über allem – über die ganze Heilige Familie, über Hirten und „Könige“, die einander im angeblichen „Stall“ wahrscheinlich nie begegnet sind.
Meist wird dieser Stern mit einem hell leuchtenden Schweif dargestellt.
Damit wäre er entweder eine Sternschnuppe oder ein Komet.
Gut, also wir können davon ausgehen, dass es keine Sternschnuppe war, denn die ist ja nur einige Augenblicke am Himmel sichtbar und so schnell hätten die sogenannten „Weisen aus dem Morgenland“ dem Zeichen nicht folgen und nach Bethlehem kommen können.
Komet wäre ein Unheilsbringer
Auch Kometen können sich mit einem Schweif zeigen, sie werden deshalb auch Schweifsterne genannt.
Kometen sind Himmelskörper aus Gestein und Eis, deren Kern meist 10 bis 100 Kilometer groß ist. Sie jagen auf berechenbaren Bahnen durch das Weltall und können regelmäßig wiederkehren – wie beispielsweise der Halleysche Komet. Eben dieser konnte in den Jahren 12 und 11 v.d.Z. am Firmament beobachtet werden.
Gegen die Theorie, dass der Stern von Bethlehem ein Komet war, spricht aber, dass Kometen in der Astrologie des Altertums als Unheilsbringer angesehen wurden.
Das Erscheinen eines Kometen wurde damals immer in Verbindung gebracht mit Krieg, Seuchen, Hungersnöten, Vulkanausbrüchen, Erdbeben oder Dürren – auf keinen Fall mit Heilsereignissen oder der Geburt eines „Königs“.
Außerdem wäre ein Komet nicht an einer bestimmten Stelle plötzlich „stehengeblieben“, wie es die Bibel vom Stern von Betlehem berichtet.
Mt 29: „Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen.“
Supernova wäre kein Wegweiser
Was könnte diese Himmelserscheinung dann gewesen sein?
Vielleicht eine Supernova. Das ist ein Stern, der am Ende seiner Entwicklung durch eine gewaltige Explosion einen großen Teil seiner Masse verliert oder ganz zerstört wird.
Eine Supernova leuchtet sehr viel heller als die Sterne in ihrer Umgebung.
Für eine Supernova spräche, dass das „helle Leuchten“ plötzlich am Himmel zu sehen war, und dass dieses Leuchten alle anderen Sterne am Himmel überstrahlt hätte.
Gegen die Supernova-Theorie spricht allerdings, dass man bisher keine Hinweise dafür gefunden hat, dass zu der fraglichen Zeit eine solche Sternenexplosion tatsächlich stattgefunden hat.
Die Explosion eines Sterns hinterlässt nämlich Überreste im Weltall. Diese lassen Rückschlüsse über den Zeitpunkt der Sternenexplosion zu. Von den bisher entdeckten Supernova-Resten fallen aber keine in das Zeitfenster, das für die Geburt von Jesus in Frage kommt.
So eine gewaltige Himmelserscheinung wäre auch von den Sternenforschern des Altertums nicht unbemerkt geblieben.
Und die sonst sehr zuverlässigen chinesischen Astronomen verzeichneten für den angenommenen Zeitraum der Geburt Jesus (zwischen 7 und 4 vor Christus) keine Supernova.
Diese Supernova-Sternen-Explosion wäre mit freiem Auge auch nur ca. eine Woche am Himmel zu sehen. Also auch viel zu kurz, um die „Heiligen Drei Könige“ zuverlässig aus dem Morgenland nach Bethlehem zu führen.
Darüber hinaus würde eine Supernova keine Bewegung relativ zu den Fixsternen zeigen und wäre deswegen kein Wegweiser.
Also können wir all diese „Sterndeutungen“ fallen lassen.
Konstellation von Jupiter und Saturn
Was die Wissenschaft viel eher vermutet ist, dass es sich um eine besondere Sternenkonstellation gehandelt hat, vermutlich um die enge Begegnung der beiden Planeten Jupiter und Saturn.
Natürlich können die beiden Himmelskörper rein physisch einander nicht „eng begegnen“, sie sind Millionen Kilometer voneinander entfernt. Aber aus der Sicht von der Erde scheinen die beiden einander auf ihren Umlaufbahnen sehr nahe gekommen zu sein.
Eine solche Konstellation hat auch Johannes Kepler im Jahr 1604 in Prag beobachtet. Diese war – und das ist das besondere – im Sternzeichen der Fische.
Nun wusste Kepler von einer Prophezeiung einer alten Rabbiner-Aufzeichnung:
Wenn Jupiter und Saturn im Sternzeichen der Fische ganz nahe zusammen kommen, dann erscheine der Messias.
Und da hat er begonnen, nachzurechnen: Wann war so eine Konstellation schon einmal am Himmel?
Und er fand heraus, dass es im Jahr 7 v.d.Z. sogar dreimal eine solche Jupiter-Saturn Konjunktion gegeben hat: Und zwar am 29. Mai, am 3. Oktober und am 1. Dezember.
In einem Punkt irrte Kepler aber: Im Jahr seiner Beobachtung leuchtete in derselben Himmelsgegend mehr oder minder zeitgleich zur Jupiter-Saturn-Konjunktion eine Supernova auf. Was Kepler zu der Annahme verleitete, die Konjunktion sei der Auslöser der Supernova gewesen. Seine Theorie zum „Stern von Bethlehem“ wurde daher lange nicht Ernst genommen.
Dann wurde aber im Jahre 1925 im Irak eine Keilschrifttafel mit astronomische Notizen der Astrologenschule von Babylon gefunden.
Diese Aufzeichnungen belegen, dass man im antiken Babylon den Lauf der Planeten genau genug kannten, um solche Konjunktionen voraus zu berechnen.
Auf dieser Tafel ist ein nahes Zusammenstehen der Planeten Jupiter und Saturn vermerkt – ein astronomisches Ereignis, das man mit unserem Kalendersystem mit dem Jahr 7. v.d.Z. datieren kann.
Die babylonischen Astronomen waren Priester und Wissenschaftler in einer Person. Durch das Wissen von Generationen und ihre eigenen Beobachtungen konnten sie die Bahnen von Sonne, Mond und Planeten berechnen und ihre Positionen vorhersagen.
In den Gestirnen sahen sie Gottheiten und Dämonen, ihren Lauf deuteten sie als Willensäußerungen der Gottheiten.
Dennoch ist keineswegs gesichert und überliefert, ob die Gelehrten im alten Babylon diese Sternenkonstellation so deuteten, wie wir es heute vielfach in Interpretationen lesen oder ob ihnen die Konjunktion vielleicht sogar komplett gleichgültig war. Denn man kennt zwar die Keilschrifttafeln der Babylonier, die die Berechnungen zu dieser Konjunktion zeigen, aber keinen Hinweis darauf, dass sie für die Menschen von damals irgendeine tiefere Bedeutung hatte.
Königs- und Schutzsymbol
Dennoch widmen wir uns jetzt einmal den Interpretation, die erklären, warum gerade die Konjunktion dieser beiden Planeten so bedeutungsschwanger ist?
Nun: Jupiter gilt in vielen Mythen als das Königssymbol und Saturn ist ein Schutzsymbol für das Volk Israel.
Der astronomische Tierkreis war in der babylonischen Astrologie nach Ländern aufgeteilt.
Das Sternbild Fische war ein Zeichen für das „Westland“ und symbolisierte Palästina.
Passender Weise stand im babylonischen Weltbild der Jupiter für Marduk, den höchsten Gott Babyloniens, und der Saturn für Kajmanu, den König Israels.
Was liegt in der Auslegung der Bibel also näher, als in einer Konjunktion der beiden Planeten eine Aufforderung zu einem Besuch bei einem „neuen König Israels“ zu sehen?
Dabei stellt sich die Frage: Wenn es denn wirklich babylonische Sterndeuter waren, wann haben sie sich auf den Weg gemacht, um dieser Planetenkonstellation zu folgen?
Von wo genau sind sie aufgebrochen? Und wie lange war die Wegstrecke? Leuchtete ihnen da die ganze Zeit eine himmlische Erscheinung und wies ihnen den Weg?
Wir wissen es einfach nicht.
Wie Kepler bereits herausfand, gab es dreimal eine solch deutlich sichtbare Jupiter-Saturn Konjunktion: Am 29. Mai, am 3. Oktober und am 1. Dezember. Das mehrfache Auftreten des Phänomens an – je nach Standpunkt – unterschiedlichen Stellen des Himmels, könnte die biblische Aussage erklären, dass der Stern „vor ihnen her zog“.
Nach dem Matthäus-Evangelium zogen die weisen Männer aber vorerst nach Jerusalem, weil sie dort den „neugeborenen König der Juden“ vermuteten.
Weiter können wir im Matthäus-Evangelium lesen: „Als König Herodes das hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem. Er ließ alle Hohepriester und Schriftgelehrten des Volkes zusammenkommen und erkundigte sich bei ihnen, wo der Messias geboren werden solle. Sie antworteten ihm: In Betlehem in Judäa; denn so steht es bei dem Propheten.“
Und jetzt kommt’s: Man kann astronomisch ausrechnen, an welchem Tag diese Konstellation von Jerusalem aus gesehen so stand, dass sie Richtung Betlehem zu sehen war – das war am 4. Dezember des Jahres 7 v.d.Z.
Vielleicht doch eine Konjunktion mit Venus
Allerdings gibt es auch für die Planeten-Konjunktion Gegenargumente.
Jupiter und Saturn sind die größten und hellsten Sterne unseres Sonnensystems.
Ein nahes Beisammenstehen am nächtlichen Himmel kann man mit freiem Auge gut erkennen.
Aber: Jupiter und Saturn kommen sich bei der Konjunktion rein optisch gesehen am nächtlichen Himmel sehr nahe, waren aber vermutlich trotzdem noch als zwei getrennte Objekte am Himmel zu sehen. Wenn sie aber nicht zu einem Lichtpunkt verschmolzen, stellt sich die Frage, warum in der Bibel nur von einem „Stern“ die Rede ist.
War das einfach künstlerische Freiheit des Evangelisten?
Oder hat er sich die ganze Geschichte mitsamt Stern komplett ausgedacht?
Da gab es noch eine weitere Konstellation: Nämlich eine sehr enge Begegnung von Jupiter und Venus am 17. Juni 2 v.d.Z.
Dabei verschmolzen diese beiden Planeten optisch zum hellsten Gestirn nach dem Mond.
Der Eindruck, den diese Konstellation hinterlassen haben muss, stellt alles andere in den Schatten.
Aber bei der Venus fanden die Bibelwissenschafter keinen so schlüssigen mythologischen Unterbau wie beim Saturn, der gut mit Israel in Verbindung gebracht werden konnte. Ganz im Gegenteil, diese Konstellation im Zusammenhang mit dem Stern von Bethlehem zu verbinden, war eher unerwünscht, obwohl sie ja viel näher am propagierten Geburtsdatum angesiedelt war.
Warum? Die Venus stand mythologisch schon immer im Zusammenhang mit der Großen Göttin.
Der Planet Venus ist erst seit einigen hundert Jahren nach der gleichnamigen römischen Göttin benannt, davor war sie Ischtar geweiht. Und Ischtar war die große Sternengöttin just im antiken Babylon, dem Ausgangspunkt der wahrscheinlichen Berechnungen rund um den Stern von Bethlehem. Die namentliche Pluralform „ištaratu“ gilt als Begriff für „Weiblichkeit“.
Die syrisch-phönikisch-westsemitische Form der Ischtar ist übrigens die Sternengöttin Astarte, die für die allumfassende weibliche Macht steht.
Eine Sternenkonstellation mit dem weiblichsten Planeten der Venus/Ischtar/Astarte war im patriarchal-christlichen Zusammenhang mit der Geburt eines „neuen Gottes“ nicht ganz so erwünscht. Deswegen wurde diese Theorie lang nicht so ausführlich rezipiert, wie jene der Jupiter-Saturn-Konstellation.
Cäsar als Vorbild?
Es gibt also viele Theorien und keine schlüssige Erklärung zum „Stern von Bethlehem“. Gab es ihn wirklich oder war das eine Erfindung vom Verfasser des Matthäus-Evangeliums, um die Besonderheit dieser außergewöhnlichen Geburt noch mehr hervorzuheben.
Das Matthäus-Evangelium wurde ja erst circa im Jahre 100 n.d.Z. aufgeschrieben und sein Verfasser ist demnach erst nach dem Tod von Jesus zur Welt gekommen.
Es gibt auch Vermutungen, dass sich dieser an einer im Altertum recht bedeutsamen Himmelserscheinung orientiert hat.
Nach dem Tode Julius Cäsars am 15. März 44 v.d.Z. erschien einer der am meisten gefeierten Kometen der Antike am Himmel über Rom. Das Volk meinte, in ihm die vergöttlichte Seele Cäsars zu erkennen.
Der älteste Text mit Details der Himmelserscheinung findet sich jedoch erst 77 n.d.Z. im Buch „Naturalis Historia“ des Gelehrten Plinius dem Älteren. In diesem führte er aus, dass durch diesen Stern die Aufnahme der Seele Cäsars unter die unsterblichen Götter angezeigt wurde.
Jetzt ist es gut möglich, dass der Verfasser des Matthäus-Evangeliums die damals sehr populäre Geschichte rund um den Kometen des Cäsars kannte und sich dachte, dass Jesus auch unbedingt einen eigenen Stern braucht, wo doch Julius Cäsar einen hatte und damit in den „Götterhimmel“ einging.
Hinter dieser Vermutung, dass diese Sternengeschichte eine große Portion Phantasie oder auch ein Kalkül steckt, steht auch die Vorstellung, dass alle Menschen unter einem bestimmten Stern geboren würden. Zu den Geburten oder den Krönungen von Königen mussten aber hervorstechende himmlischen Zeichen geltend gemacht werden, wie echte Kometen oder einzigartige Konstellationen. So soll, als Mithradates Eupator (wohl 132 v.d.Z.) König von Pontos wurde, ein Kometenstern volle siebzig Tage lang geleuchtet haben, so hell, dass der Himmel zu glühen schien.
Einmal Schweifstern – immer Schweifstern
Wie dem auch immer sei:
Einen „Schweif“ hatte diese Himmelserscheinung wohl kaum.
Dieser geht wahrscheinlich auf ein Fresko in der Scrovegni-Kapelle in Padua „Anbetung der Könige“ des Florentiner Malers Giotto di Bondone zurück. Er malte den Stern von Bethlehem über dem Stall mit der Heiligen Familie und den Weisen als Schweifstern.
Giottos Vorbild für die Form dieses Sterns war der Halleysche Komet, den er 1301 selbst beobachtet hatte.
In vielen künstlerischen Darstellungen orientierte man sich in den nachfolgenden Jahrhunderten genau an diesem Motiv und bildet den Weihnachtsstern als Kometen ab.
Übrigens: Heuer werden Jupiter und Saturn einander wieder einmal so nahe kommen, dass sie für das freie Auge zu einem einzigen Lichtpunkt verschmelzen – und das fast genau zu Weihnachten – am 21. Dezember 2020.
Sind wir also gespannt, was da heuer im Dezember geschieht!
Fortsetzung folgt!
**********************************
Weitere Geschichten rund um die Wintersonnenwende, die „Weihenächte“ sowie die Rauhnachtszeit finden sich hier:
eBooks:
- „Julfest – Das Fest des wiederkehrenden Lichts“
- „Von den rauen Nächten und der Wilden Jagd“
- „Geschichten vom Weihnachtsmann,
Muttergöttinnen, Schamanen und Rentier-Damen” – gratis Download
********************************
Mehr Informationen zu den erwähnten Göttinnen:
Astarte
Ishtar
Venus
********************************
Bildquellen:
the-three-magi-160632_1280 / OpenClipart-Vectors
pixabay.com
religion-1907067_1920 / Gellinger
pixabay.com
space-1486556_1280 / Buddy_Nath
pixabay.com
Artist’s impression of progenitor star to a type Ic supernova / NASA, ESA, and J. Olmsted
commons.wikimedia.org
Der Südsternhimmel am 12. November 7 v. Chr. über Jerusalem
commons.wikimedia.org
Jupiter in natürlichen Farben mit Schatten des Mondes Europa, fotografiert von der Raumsonde Cassini / NASA/JPL/University of Arizona
commons.wikimedia.org
Saturn in natürlichen Farben, fotografiert von der Raumsonde Cassini aus einer Entfernung von 6,3 Millionen km. / NASA/JPL/Space Science Institute
commons.wikimedia.org
Astarte
artedea.net
Anbetung der Könige; Fresko in der Scrovegni-Kapelle von Giotto di Bondone
commons.wikimedia.org
Pingback: Das opulente Fest der Göttin Ops und der Stern von Bethlehem | Oh Göttin