In alten Kulturen teilte man das Jahr in eine „dunkle“ und eine „helle“ Hälfte. Es gab also nur Sommer und Winter. Und jeweils am Schnittpunkt „wendet“ sich das Jahr.
Ab nun, ab Winterbeginn werden die Tage allmählich wieder länger und die Sonne gewinnt täglich neue Kraft, kaum spürbar noch, doch hoffnungsfroh.
Dieses „Wunder“ war schon unseren Vorfahren bekannt.
Daher gilt die Wintersonnenwende als magischer Punkt im Jahr, der die größten Gefahren, aber auch die größten Chancen in sich birgt.
In vielen Jahrhunderten und zahlreichen Kulturkreisen gab es daher in unterschiedlicher Art und Weise zur Wintersonnenwende große Feiern und Rituale.
Hoffnung und Gefahr
Es war zum einen das große heilige Fest des wiederkehrenden Lichtes.
Mit diesem Fest machten sich die Menschen bewusst, dass sie nicht ewig in den Klauen des kalten Winters gefangen sind. Die Wintersonnenwende gab daher immer schon Anlass zu einem Fest der Hoffnung, des Lebens und des Neubeginns.
Zum anderen beginnt – astronomisch gesehen – jetzt aber erst der Winter und das birgt reelle Gefahren der Kälte, der Nahrungsmittelknappheit, der erschwerten Transportwege durch den Schnee mit sich.
Und die Menschen hatten nicht nur vor diesen reellen Gefahren Angst.
Sie fürchteten in dieser dunklen, kalten Zeit auch allerlei Dämonisches.
Und das galt es bei diesen Feiern rund um die „Jahreswende“ zu bannen.
Fragmente dieses Brauchtums sind bei der in unserer Zeit gebräuchlichen Art, die Jahreswende zu feiern, noch erhalten: z.B. zu Silvester das Böllerschießen, um „böse Geister“ zu vertreiben, das Verschenken von allerlei Glücksbringern, um sich die Gunst von „höheren Mächten“ zu vergewissern oder das Bleigießen und andere Orakelbräuche.
Modraniht – die Mutter-Nacht
Bezeichnet werden die Sonnenwenden auch Winter- bzw. Sommer-Solstitium (auch: Solstice), dieses lateinische Wort bedeutet „Sonnenstillstand“.
Menschen früherer Zeiten, die der Natur näher (ja ihr fast ausgeliefert) waren, haben sich vorgestellt, dass ab Herbstbeginn alles in den Schoß der großen Erdmutter zurückkehrt – das Licht, die Sonnenkraft ebenso wie die Pflanzen und auch die Tiere, die sich in Höhlen zum Winterschlaf zurückziehen.
Zum winterlichen Wendepunkt der Sonne bringt die Große Mutter das Licht erneut zur Welt, oft in Form eines „göttlichen Kindes“, eines Hoffnungsträgers, der die Welt errettet.
Und schließlich wird für jeden Menschen individuell die Welt errettet, wenn die eigene Zuversicht auf ein Weiterleben, auf einen neuen Zyklus, in dem es Blüte, Ernte und Nahrung geben wird, genährt wird.
Unsere angelsächsischen AhnInnen, feierten daher zur Wintersonnenwende „Modranect”, „Modraniht” – die „Mutter-Nacht”, die später im Römischen Reich in „matrum noctem” umgewandelt wurde.
In dieser Nacht gebiert die Göttin tief in der finsteren Erde in der stillsten aller Stunden das neue Sonnenkind.
Je nach Auslegung ist diese Mutternacht die Nacht auf den 21. auf den 22. bzw. auf den 25. Dezember.
Die Mutter Zentrum der Verehrung
Es gibt eine Reihe an Beispielen aus vorpatriarchalen Traditionen, die als Zentrum die Verehrung der Göttin als Mutter des Göttlichen Kindes hat.
Der Schwerpunkt lag dabei immer auf der Mutter und nicht auf dem Kind.
So gebiert Rhiannon ihren Sohn Pryderi, von Isis wird der Sonnengott Horus wieder geboren, Demeter bekommt ihre heilige Tochter Persephone, Selene schenkt Dionysos das Leben, der im alten Griechenland als Erlöser und Gott der Fruchtbarkeit und des Wachstums galt.
Das Brauchtum rund um drei Frauen
Noch immer gibt es in verschiedenen Regionen die Tradition, zur Wintersonnenwende den „Drei Schwestern / Mägden”, den „Heiligen Schwestern” bzw. den „Saligen Fräulein” (= den Nornen) abends eine Schale mit Milch oder Milchreis zu füllen und über Nacht stehen zu lassen.
Und auch die sogenannten Heiligen Drei Könige, die ja so gar nicht in der Bibel vorkommen (weder heilig, noch drei, noch Könige) sind die christliche Umdeutung der drei Bethen, jene alten Muttergöttinnen, die als Unterstützerinnen der jungen Mutter Maria in Beth-lehem wohl sinnvoller gewesen wären als die drei alten Herren, die mit Weihrauch, Gold und Myrrhe daherkamen.
All das verweist auf das wichtige weibliche Element dieser „heiligen Nacht”.
Das Brauchtum rund um „drei Frauen” war der christlichen Kirche natürlich ein Dorn im Auge.
Etwa 650 n.d.Z. hat der Heilige Eligius von Noyon unermüdlich davor gewarnt „zur Nacht Tische zu rüsten und für die Drei Speisen bereit zu stellen”.
Noch im 11. Jahrhundert war eine der Beichtfragen des Bischof Burchard von Worms: „Hast du, wie manche Weiber es zu gewissen Zeiten zu tun pflegen, zu Hause einen Tisch aufgestellt mit Speis und Trank, damit jene drei Schwestern, die man in alten, törichten Zeiten Nornen nannte, kämen und davon genössen?”
Dass in dieser längsten aller Nächte der alten Göttinnen-Tradition folgend die christliche Muttergöttin ihrem göttlichen Sohn das Leben geschenkt hat, das war offenbar nicht wichtig genug, das Weibliche zu ehren.
Wo ist die Sonne in der Nacht?
Die frühen Menschen beobachteten den Lauf der Sonne über dem Horizont und fragten sich wahrscheinlich, wohin die Sonne geht, wenn sie untergeht? Welchen Weg macht sie nächtens in der „Unterwelt”, im Reich des Todes und wie gelingt es ihr, jeden Tag wieder daraus empor zu steigen?
Und: Ist es sicher, dass die Tage wie in den letzten Monaten nicht weiter immer kürzer und kürzer werden, sondern dass sich das Licht „wendet“ und wieder zurückkommt und damit längere Tage, mehr Licht und Wärme bringt.
Naheliegend daher, dass ein Symbol für die Wintersonnenwende das Labyrinth ist.
Wer schon einmal in einem großen Labyrinth den verschlungenen Weg ins Zentrum und wieder hinaus gegangen ist, kann das wahrscheinlich nachvollziehen. Lange geht man einen geraden Weg bis man – fast überraschend – umkehrt und in der nächsten Bahn den Weg wieder in die andere Richtung schreitet.
Ähnlich macht die Sonne zur Sonnenwende kehrt.
Das Labyrinth zieht uns auch immer weiter hinein – ins Zentrum der „Unterwelt”.
Wenn man es als „große Gebärmutter” der Erde ansieht, dann geht es immer weiter hinein in den Schoß der Urmutter.
Beim Hinausgehen wird man neu geboren – so wie das Licht aus der tiefen Erde auch neu geboren wird.
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Mehr Informationen zu den erwähnten Göttinnen:
Bethen
Demeter
Isis
Maria
Nornen
Persephone
Rhiannon
Selene
Die Göttinnen auf den Bildern:
Ariadne
Bethen
Hannahanna
Maria