Eine kleine Geschichte zu den (Oster-)Eiern

Atargatis1In 2 Wochen haben wir Ostern. Für alle, die den heutigen Sonntag dazu nutzen, schon Ostereier zu bemalen, eine kleine Kulturgeschichte über Ostereier:
Symbole für das Früh­lings­er­wa­chen sind neben Kü­ken, Hasen und neu­ge­bo­re­nen Läm­mern vor allem auch Eier. Und so wurde auch vielen Frühlingsgöttinnen als Attribu­t das Ei zugeschrieben.
Dies gilt ja seit jeher als Fruchtbarkeitssymbo­l.
Da Vögel in der Win­ter­zeit keine Eier le­gen, galt der Beginn des neuen Eier­le­gens als si­che­res Zeichen für den Früh­ling, für die neu be­gin­nen­de Frucht­bar­keit.
Eine Hen­ne z.B. legt näm­lich dann Eier, wenn ihre Retina, also je­ner Teil des Auges, der das Licht ein­fängt, mehr als 12 Stun­den am Tag von Licht sti­mu­liert wird (heute wird im Win­ter mit künst­li­chem Licht nach­ge­hol­fen, frü­her konn­ten sich die Menschen nur im Früh­ling und Som­mer von Eiern ernäh­ren).
Die früher nicht ein­ge­sperrten Hüh­ner leg­ten diese ersten Eier na­tür­lich irgend­wo in der Ge­gend ab, also blieb den Men­schen nichts an­de­res üb­rig, als diese zu suchen. So ist ver­mut­lich auch der Brauch des Eier­su­chens ent­stan­den.
Und auch die Zug­vögel kommen nun zu­rück und legen hier Eier. Das Fest des Früh­lings­be­ginns wur­de früher auch Vo­gel­fest ge­nannt. Die Men­schen gin­gen jeden Mor­gen hin­aus um zu se­hen, ob die Zug­vögel schon an­ge­kom­men wa­ren. Wurden sie ge­sich­tet, so konn­te aus­gie­big das Ende des Win­ters ge­feiert wer­den.
Junge Frauen be­mal­ten die­se er­sten Eier rot, um ihre Frucht­bar­keit zu feiern. Dieser Brauch des Eier­fär­bens hat sich bis heu­te ge­hal­ten.

Wunderwerk Ei

Das Ei ist ja ein uni­ver­sel­les Symbol. Lange bevor Menschen erkannt haben, dass auch der Urquell menschlichen Lebens in einem Ei besteht, kannten sie Vogeleier. Und diese haben eine besondere „Magie“.
Betrachten wir ein Vogelei von außen, dann ist es ein ova­les Ding mit einer har­ten Scha­le. Doch ein wenig Wärme lässt in seinem Inne­ren neues Le­ben wach­sen und aus einem schein­bar leb­lo­sen Ding ent­springt neues Le­ben. Es wurde da­her im­mer schon als Geschenk alles Weib­li­chen be­grif­fen.
Seit Urzeiten sind die Men­schen vom Ei fas­zi­niert, denn die Scha­le umschließt ein komplet­tes Lebenser­hal­tungs­system. Es steht da­her auch für das gan­ze Po­ten­tial, das in ihm steckt und es ist da­mit auch Sym­bol für die aus dem Win­ter­schlaf er­wa­chen­de Na­tur.

wakan1In vielen Kulturen gibt es die Legen­de, dass zu Be­ginn aller Zeiten die Große Göttin das Weltenei bzw. gleich meh­re­re Eier ge­bar, das gol­de­ne Ei der Son­ne legt, selbst einem Ei ent­stieg bzw. Eier hüte­te. Zahl­reiche Göt­tin­nen sind selbst einem Ei ent­schlüpft oder werden als das „Ur-Ei“ be­grif­fen.
In man­chen Über­lie­fe­run­gen heißt es, die Ur­mutter wärm­te ein Ei zwi­schen ihren Brüsten und ließ es Jahr­tau­sen­de rei­fen. Als sich die ersten Sprün­ge in der Scha­le zeig­ten, nahm es die Göt­tin be­hut­sam und legte es ins große Dun­kel. Dort sprang die Scha­le auf und her­aus fiel die gan­ze Welt: Erde und Was­ser, Tie­re und Pflan­zen. Und aus dem Dot­ter ent­stand die Son­ne.
Und damit die Men­schen sich an das gro­ße Werk der Schöp­fungs­göttin erin­nern, schlüp­fen die äl­te­sten Tier­ar­ten der Welt auch heu­te noch aus Eiern, den Ur­zellen al­len Le­bens.

Das Ei ist kein Grab

Im alten Ägyp­ten, im anti­ken Grie­chen­land und Rom wur­den den To­ten als Sym­bol für die Wieder­ge­burt Eier ins Grab gelegt. Im alten China wur­den Eier als Zei­chen der Wie­der­geburt und als Dank für die neue Son­nen­kraft bei den Früh­lings­festen ge­opfert.

Eier sind auch von christ­li­chen Osterfeiern nicht weg­zudenken, wobei in der bibli­schen Oster­geschich­te Eier nicht er­wähnt wer­den. Ein christlicher Erklä­rungsversuch zu den „heidnischen“ Oster­eiern ist, dass das Ei et­was verborgen hält und damit wie ein ver­schlos­senes Grab ist, in wel­chem Leben ein­ge­schlos­sen ist. Damit soll die Be­zie­hung zur Auf­er­stehung Christi deut­lich werden.
Doch das Ei hält Le­ben nicht wie ein Grab ver­schlossen, son­dern birgt es ein­fach wie ein Ei! Das Ei ist der Ur­sprung des Lebens, ein „Wun­derwerk“, das aus dem Weib­lichen kommt – aus weib­li­chen Vögeln, Tieren, Menschen­frauen …

Zyk­li­sche Wieder­ge­burt oder ein­ma­lige Auf­er­ste­hung?

Das Bemalen der Eier ist even­tuell auch dar­auf zu­rück­zuführen, dass die Men­schen die Na­tur ko­pieren woll­ten und bei den Far­ben und Mu­stern von Wild­vo­gel­eiern An­lei­he nahmen und die­se als Vor­bild für die Be­ma­lung ge­dient ha­ben könn­ten.
Wahrscheinlich ist auch, dass allerlei Ora­kel, Wunsch-Sym­bole und Se­gens­zei­chen auf die Eier ge­malt wur­den, die im Rah­men von Ri­tua­len Be­deu­tung hat­ten.
Oder, dass da­mit ge­hei­me Bot­schaft­en und ver­schlüs­selte Hin­weise wei­ter­ge­ge­ben wur­den. Das hat möglicherweise diesen Hintergrund:
Einer historisch nicht ge­sicherten Annahme zu­fol­ge, wollte die christ­li­che Kirche die „heid­nischen Früh­lings­feste“ mit ihren Wei­hen und Zeremonien ver­bieten und auch das Ver­schen­ken von Eiern als Zei­chen der Frucht­bar­keit und Wie­derge­burt der Na­tur un­ter Stra­fe stel­len.
Ostara1Denn lange vertrauten die Menschen auf die Kraft von Frühlingsgöt­tin­nen – diese weibliche Kraft, die sich in den Zyklen der Natur so schön äußert. Die da­mit ver­bun­denen Bräuche und Feiern passten patriarchalen Religionen natürlich so gar nicht ins Konzept.
Und so mach­te das Christen­tum aus der jährlichen zyk­li­schen Wieder­ge­burt der Na­tur das ein­ma­lige Ereig­nis der Auf­er­ste­hung des Got­tes­soh­nes, aus der pe­rio­di­schen Er­lösung von Dun­kel­heit und Frost die dauern­de Aus­sicht auf Er­lö­sung von der Erb­sün­de.

Spe­ziell in Zeiten der In­qui­sition wuss­ten Frauen, dass sie bei ihren tra­di­tio­nellen Se­gens- und Wei­he­ri­tua­len sehr vor­sichtig sein muss­ten, da die da­mit verbunde­nen Hand­lun­gen als Zei­chen von Ma­gie und „He­xe­rei“ an­ge­se­hen wer­den konn­ten. Und da­mit für die Frauen höch­ste Le­bens­ge­fahr be­stand.
Das könnte auch eine Er­klä­rung für das Ver­stecken von Eiern sein. Um bei die­sen Ritualen nicht ent­deckt zu wer­den, wur­den ge­seg­ne­te und ge­weihte Eier mög­li­cher­wei­se nicht mehr per­sönlich ver­schenkt, son­dern auf Fel­dern vergraben und ver­steckt und muss­ten da­her ge­sucht wer­den.
Bildhafte Bot­schaften darauf können auch durchaus nicht nur als Se­gens-Sym­bole und Frucht­bar­keits-Wünsche son­dern auch als ver­schlüs­sel­te Hinweise und War­nungen ge­deu­tet wer­den.

Zö­li­batär lebende Männer und Fruchtbarkeitsrituale

Auch wenn es viele Verbote und Strafen gab, auch wenn die Scheiterhaufen brannten, konn­te der Glaube und damit die Hoffnung an die Kraft der Natur von den chri­stlichen Kir­chen­vätern nicht ausge­löscht wer­den.
Das alte Wis­sen war so tief ver­wur­zelt, dass die Men­schen im­mer Mit­tel und We­ge fan­den, ihre Tradi­tio­nen auf­recht zu er­hal­ten.
Daher ver­sah die Kir­che vielfach „heid­ni­sche“ Ri­ten mit einer neuen christ­li­chen Be­deu­tung. Dies auch, um die Kon­ver­tie­rung zu er­leich­tern. So er­klä­ren sich auch viele Bräu­che rund um Ostern, dem wich­tig­sten Fest der Chri­sten­heit.
Statt also den Frauen zu ver­bie­ten, die er­sten Eier, die die Hen­nen im neuen Jahr le­gen, auf ihre ganz be­son­dere Art zu würdi­gen und da­mit die Frucht­barkeit und die Rückkehr des Le­bens zu feiern, wur­de die­ser Brauch ver­mut­lich in die litur­gi­schen Oster­feiern in­te­g­riert, um da­mit auch die Frauen von ih­ren Kraft­plät­zen an den Quel­len und in den Wäl­dern weg und hin zur Eier-Wei­he in die Kir­che zu locken.
Und da­mit weiht nun zu Ostern der Pfar­rer die Eier, die Frauen in die Kir­che tra­gen. Und macht da­mit das, was Frauen Jahr­hun­derte lang Kraft ih­rer Weib­lichkeit eigen­ständig in Frauen­krei­sen ge­macht ha­ben.
Besonders selt­sam mu­tet diese durch einen zö­li­batär lebenden Mann vollzogenes Weihe-Ri­tua­l an, wenn man an den Frucht­bar­keits-As­pekt der alten Rituale denkt.

Xochiquetzal1Interessanter Wei­se fin­den aber vie­le dieser öster­lichen Wei­hen, zu denen in ländlichen Ge­bie­ten ja auch heu­te noch vor allem die Frauen mit ihren mit Früh­lings­blu­men ge­schmück­ten Weih­kör­ben ge­hen, oft nicht nur in der (Haupt-) Kirche des Or­tes sondern bei Ka­pel­len auf Hü­geln und an Weg­kreu­zun­gen statt. Viele von diesen Ka­pellen stehen auf al­ten „heidnischen Kraft­plät­zen“.
Außer den Eiern fin­den sich in den Wei­he-Kör­ben viel­fach auch Brot und Schin­ken, But­ter, Salz und Kräu­ter, die in fest­li­che weiß und rot be­stick­ten Kreuz­stick­tü­chern ge­wickelt sind, den Far­ben der jun­gen und der frucht­baren Göt­tin.
Der Kreuz­stich, das X ist immer ein Zei­chen für Geburt. Bei der sich die Frau nach un­ten öffnet, um neues Leben ge­bä­ren und sich mit der Erdkraft zu ver­binden. Und da­bei ihre Ar­me nach oben streckt, um in Ver­bindung mit den un­terstützenden Ge­burts­hel­fe­rinnen und auch mit der Kraft des Uni­ver­sums zu sein.
Das gegenteilige Zei­chen zu dem Geburts-X ist das Kreuz †, das den Tod symbolisiert.
Das oft ex­clusive Zu­sam­men­tref­fen von Frauen bei der Oster­wei­he, die Plätze und die Symbolik, die sich bis heute erhalten hat, lässt also immer noch die alten Wei­he-Rituale der Frauen durch­schei­nen.
Rituale, die es Wert sind, in Frauen­krei­sen wie­der neu be­lebt zu wer­den.

Der Tanz der Hasen

Und warum bringt eigent­lich der Osterhase die Eier?
Men­schen be­o­bach­te­ten, dass Ha­sen im Früh­ling auf den Fel­dern in großen Grup­pen zu „tan­zen“ schei­nen. Und sie konn­ten – nach­dem diese „Ha­sen­tän­ze“ vor­bei wa­ren – ver­schie­denste Eier auf den Wie­sen fin­den. Daraus ent­wickel­te sich die Ge­schich­te vom Oster­has­en, der die Eier bringt.
Heute weiß man, dass die Tän­ze der männ­li­chen Ha­sen eigent­lich Schau­kämp­fe um Weib­chen sind. Weil es da­bei durch­aus wild zu­geht, ver­scheu­chen die Ha­sen dabei je­ne Wild­vö­gel, die ihre Eier am Bo­den aus­brü­ten und diese bei ih­rer Flucht na­tür­lich zu­rück­las­sen müs­sen.

So, mit diesem Wissen wünsche ich allseits viel Freude beim Ostereier-Bemalen. Lasst euch eure eigenen Wunsch-Sym­bole und Se­gens­zei­chen einfallen. Und verschenkt sie nach altem Brauch an Frauen, denen ihr Fruchtbarkeit und die starke Kraft der zyklischen Erneuerung wünscht – in allen ihren Lebensbereichen.

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Viel mehr zu den Bräuchen rund um den Frühlingsbeginn, den Festen der Göttin Ostara und anderen Frühlingsgöttinnen findet ihr im E-Book Ostara – Frühlings-Tag-und-Nachtgleiche: Die Rückkehr des Lebens

Nähere Informationen zu Göttinnen, die auf den Bildern zu sehen sind:
Atargatis
Ostara
Wakan
Xochiquetzal 

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3 Antworten zu Eine kleine Geschichte zu den (Oster-)Eiern

  1. Pingback: Hier ist es grau, aber … | Erlesenes, Erlogenes, Erlebtes

  2. Reblogged this on Kirsten Armbruster and commented:
    Eine wunderbare Zusammenfassung des vorpatriarchalen, an der Natur orientierten, Verständnisses von Ostern und den Ostereiern, zusammengestellt von arte dea. Danke für die Freilegung des Alten Wissens, das in matrifokalen Zeiten wurzelt! Mögen immer mehr Menschen hinter die patriarchal-monotheistischen, mit Gewalt aufoktroyierten Theologien schauen und stattdessen wieder die Weisheit in den Zyklen der Natur erkennen!

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