Großer Lourdes-Feiertag – Wer ist hier eigentlich wirklich erschienen?

Heute, am 11. Februar feiert die katholische Kirche das Fest „Unserer Lieben Frau von Lourdes“.
Denn zwischen dem 11. und 15. Februar 1858 erschien Bernadette Soubirous in diesem französischen Ort beim Holzsammeln eine weibliche Gestalt von großer Schönheit in einer goldschimmernden Wolke.
Die „Dame“, wie Bernadette sie bewundernd-ehrfurchtsvoll nannte, gab sich später angeblich als die „unbefleckte Empfängnis“ zu erkennen.
Stellt sich die Frage: Wen oder was hat Bernadette hier wahrgenommen?
Wichtig erscheint hier einmal, sich mit diesem „Mädchen“ Bernadette ein wenig zu beschäftigen.
Sie war zum Zeitpunkt dieser „Marienerscheinung“ kein Kind mehr, sondern bereits 14 Jahre alt.

Als Älteste von sechs Kindern wuchs sie als Tochter eines armen Müllers in einer alten, dunklen und feuchten Mühle auf. Als die Mühle in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet, musste die Familie diese verlassen und in ein leerstehendes Haus umziehen, „Cachot“ genannt, das früher als Arrestlokal genutzt wurde. Also sehr einfache, um nicht zu sagen triste Lebensumstände, in denen sich Bernadette bereits in früher Kindheit ein bis zu ihrem Tode anhaltendes Asthmaleiden zugezogen hat.

Heilige Grotte oder alte Kultstätte?

Begleitet von ihrer Schwester Antoinette und ihrer Freundin Jeanne Abadie ging Bernadette am 11. Februar 1858 gegen 11 Uhr zur nahen Grotte Massabielle.
Spannend ist nun auch der Ort des Geschehens: Schon die Bezeichnung dieser Grotte schon lässt aufhorchen: Übersetzt vom Occitan – der galloromanischen Sprache, die Bernadette sprach – heißt „massa vièlha“ =„alter Fels“.
Das könnte bereits auf einen alten Kultort bzw. Kraftplatz hinweisen.
Gerade Grotten waren oft so etwas wie sakrale weibliche Kulträume und es ist anzunehmen, dass in diesen auch Initiationsrituale – z.B. bei der ersten Monatsblutung durchgeführt wurden – wobei das Mädchen an der Schwelle zur Frau in die Gruppe der erwachsenen, gebärfähigen Lebensschöpferinnen aufgenommen und gefeiert wurde.
Vielleicht auch nicht ganz so zufällig waren hier drei Mädchen bzw. junge Frauen unterwegs (als Ausdruck der dreifachen Göttin).
Höhlen gelten auch als die älte­sten Heiligtümer von Göttinnen (nach feministisch-archäologischen Erkenntnissen schon seit mindestens zwanzigtausend Jahren).
Und sie wurden und werden auch als „Bauch der Erdgöttin” wahrgenommen und interpretiert. Ihr Zugang erinnert vielfach an die Form einer Vulva.
Dazu auch ein Zitat von Gerda Weiler: „Höhle und Mutterleib sind Orte der Geborgenheit und gelten als Sinnbild der kosmischen Dimension der Göttin und ihrer umfassenden Kraft.“

Mari oder Maria?

Nun gibt es eine sehr alte baskische Muttergöttin, die erstaunlicherweise den Namen Mari trägt. Ihre Wohnstätten sollen Höhlen und Grotten sein, die sie alle sieben Jahren wechselt. Die Grotte in Lourdes soll so eine alte Kultstätte der Göttin Mari gewesen sein.

Mari war eine sehr umfassende Erd-, Mutter- und Mondgöttin, die u.a. auch die Naturwesen beschützen soll. Dazu gehören auch Quellnymphen. Der Überlieferung nach wurde Bernadette von der „weißen Dame” zum Trinken aufgefordert. Da in der Grotte kein Wasser zu sehen war, kratzte Bernadette etwas Erde weg, plötzlich entsprang der Stelle klares Wasser. Dies wurde ihr von der „Dame“ als Quelle mit Heilkraft offenbart.
Mari, die alte Göttin, wurde meist als helle, strahlende Gestalt wahrgenommen, dargestellt und beschrieben, deren Haupt vom Vollmond wie von einem Heiligenschein eingerahmt ist. Wenn sie ihren Wohnort von einer Höhle zur anderen wechselt, dann soll sie eingehüllt in einem Lichtstrahl durch die Luft schweben. Soweit die alten Mythen.

Nun nimmt die einfache junge Frau Bernadette in einer alten Kulthöhle eine weiße weibliche Gestalt wahr.
Sie spricht zuerst immer nur von der „weißen Dame“.
Nach ihrer ersten Vision sagte Bernadette:
„Sie hatte ein weißes Kleid, einen blauen Gürtel und eine goldene Rose auf jedem Fuß.“ 

Ach wie gut, dass niemand weiß ….

Es gab insgesamt 17 Treffen.
Mehrmals fragt Bernadette die Erscheinung nach ihren Namen, den diese aber nicht preisgibt. So besteht die Antwort beim 14. Treffen am 3. März bloß aus einem Lächeln. Pfarrer Peyramale, der ob der Erscheinung in seinen Gefühlen zwischen aufgebracht, erzürnt und hoffnungsfroh schwankt, insistiert: „Wenn die Dame wirklich eine Kapelle haben will, so soll sie ihren Namen sagen und den Rosenstrauch der Grotte zum Blühen bringen.“

Zweiteres – das Erblühen der Rosen – geschah nicht, vielleicht war die Gestalt auch nicht wirklich daran interessiert, dass sie eine Kapelle bekommt, sie hatte diese ja schon – in Form der alten Grotte.
Allerdings soll sie sich dann dennoch – spät aber doch – namentlich vorgestellt haben:
Denn erst beim 16. Treffen soll die Dame schließlich auf die Frage, wer sie sei, im Dialekt dieser Gegend mit den Worten geantwortet haben: „Que soy era Immaculada Councepciou“ („Ich bin die unbefleckte Empfängnis“).

Was ja jetzt auch nicht unbedingt auf die Gottesmutter Maria verweisen muss, denn viele der alten Muttergöttinnen haben und wurden „unbefleckt empfangen“ – ein Zeichen der parthenogenetischen Vermehrung, bei der eine Frau aus sich selbst heraus, ohne Zutun eines Mannes schöpft. *

Diese Namensnennung war für den Ortspfarrer allerdings das Zeichen, dass es sich hierbei um eine Marienerscheinung handeln muss, denn seiner Logik nach konnte das einfache Mädchen diesen theologischen Ausdruck ja nicht kennen. (Die nicht erblühten Rosen waren dem frommen Mann dann offenbar gleichgültig)
Die Erscheinungen der Bernadette hatten sich aber zu diesem Zeitpunkt schon schnell herumgesprochen, denn es versammelten sich bei der 15. Erscheinung bereits 8.000 Menschen vor der Grotte. Dass da schon einmal von der „unbefleckten Empfängnis“ die Rede war, und dass das Bernadette auch gehört haben muss, davon kann man wohl ausgehen.
Denn das war ein aktuelles Thema: Papst Pius IX. hatte erst vier Jahre zuvor das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis Mariens verkündet.
Und was soll die junge Frau schon der Welt in einer tief katholischen Umgebung verkünden? Dass sie die alte Muttergöttin Mari wahrgenommen hat?

Die Ordensmutter glaubt nicht dran

Bernadette ist danach einem Orden beigetreten. Interessant, dass Marie-Thérèse Vauzous, ihre Novizinnenmeisterin und spätere Superiorin – die bereits in der Schule ihre Religionslehrerin war − die Visionen der Bernadette immer strikt ablehnte.
Sie kannte Bernadette also schon als Kind und war sicher auch mit den Mythen und Traditionen der Gegend vertraut. Was wusste Marie-Thérèse Vauzous, das die Kirchenmänner nicht wissen konnten oder wahrhaben wollten?

Klar ist, dass Marienerscheinungen immer auf alte lokale Göttinnen zurückzuführen sind, deren Kult sehr lebendig war. Diese Frauenfiguren passten natürlich so gar nicht in die Bestrebungen der christlichen Kirchen und daher sollten sie überall und mit allen Mitteln von den Kirchenväter eliminiert werden.
Da dies nicht so einfach möglich war, weil die Göttin des Landes tief in den Feiern und im normalen Alltag tief verwurzelt war, wurden sie durch die Figur der Maria (oder einer anderen Heiligen) ersetzt.

Ein A mehr – und schon katholisch

In Lourdes war das einfach – man setzte der alten Mari lediglich ein A an das Ende ihres Namens – und schon war sie „katholisch“.
Diese Erscheinungen zeigen sich oft im Aussehen der alten Göttin mit allen ihren Attributen, sie sprechen auch in der Landessprache, wie z.B. auch die mexikanische „Jungfrau von Guadalupe“, die bei ihrer Erscheinung ganz eindeutig auf die alte Muttergöttin Tonantzin verweist.

Warum erscheint eigentlich immer die „Frau Mama“?

Stellt sich jetzt noch die Frage: Warum eigentlich wurde Jesus seit biblischen Zeiten nicht mehr gesehen, seine Mutter hingegen kehrt aber regelmäßig zurück.
Würde Jesus erscheinen, wäre vermutlich das versammelte Christentum in höchstem Maße beunruhigt. Denn wenn er gesichtet wird, dann könnte das ja auf den Weltuntergang hinweisen. Denn bei der Rückkehr Christi auf Erden soll ja laut Bibel das „Jüngste Gericht“ bzw. die „Apokalypse“ mit allem Drum und Dran beginnen.
Da schickt er mal lieber schon mal die Mama. Gut so: Vor der brauchen wir uns nicht zu fürchten.

* Anmerkung:
Mit der unbefleckten Empfängnis ist nicht die jungfräuliche Geburt gemeint, mit der Maria ihren Sohn Jesus zur Welt brachte. Es geht hier um die eigene, ganz spezielle Art, mit der Maria von ihrer Mutter Anna empfangen wurde. Näheres dazu in diesem Blogbeitrag.

Viele Inspirationen zur baskischen Mythologie und zur Göttin Mari bekam ich durch das Buch von Kirsten Armbruster „Der Muschelweg – Auf den Spuren von Gott der MUTTER“

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Weitere Informationen zu den erwähnten Göttinnen: 
Anna
Mari
Maria
Tonantzin

Bildquellen:
Grotto of Lourdes / José Luiz Bernardes Ribeiro / commons.wikimedia.org
Mari / artedea.net
Bernadette Soubirous when a child / Weltwoche 8/08 / commons.wikimedia.org

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